Tagesdosis 21.7.2017 – Das Ende der Politik im Wahljahr 2017

Ein Kommentar von Pedram Shahyar.

Schaut man sich die Schlagzeilen der Nachrichten dieser Woche an, fällt eines auf: In Deutschland findet in diesen Tagen Innenpolitik quasi nicht statt. Warum auch? In 2 Monaten stehen ja Bundestagswahlen an, eine Richtungsentscheidung wie das Führungsland der Europäischen Union in den nächsten 4 Jahren regiert wird. Wir lesen über Tote in Venezuela, über nie endenden Konflikte in Trumps Regierung und natürlich immer wieder, die neuen Spannungen mit Erdogans Regierung in der Türkei.  Kurz gab es einen Schulz-Hype, medial hochgezogen und wieder fallen gelassen. Es sieht so aus, als ob Politik in Deutschland kalt gestellt ist. Alles läuft einfach so weiter und es gibt keine Optionen auf eine Veränderung der Richtung, die politisch das Land genommen hat.

Politik im klassischen Sinne lebt aber von Konflikt, von verschiedenen Optionen, die von verschiedenen Lagern vertreten werden und zwischen diesen man sich entscheiden kann. Konflikt muss nicht automatisch aggressiv oder kriegerisch sein. Konflikte können auch mit Kompromissen oder Konsens gelöst werden. Vertreter verschiedener Positionen müssen sich nicht als Feinde aufstellen, die sich vernichten wollen, sondern können als Gegner agieren, die zwar um die eigene Position ringen, aber die der anderen Seite respektieren.

In Deutschland 2017 findet quasi keine Politik statt. Es ist klar, dass die CDU die nächste Regierung anführen wird – die Frage ist nur: mit wem? Dabei ist es eigentlich auch egal. Nichts deutet daraufhin, dass die nächste Koalition – wer immer auch dabei ist – eine andere Richtung einschlägt. Mit der SPD gibt es ein Genauso -weiter. Mit den Grünen ein bisschen mehr Förderung für ökologische Konzerne und vielleicht ein paar neue Quoten. Mit der FDP etwas mehr für Finanzlobbys und härter gegen die Gewerkschaften und die Arbeiterschaft. Die Ränder ringen um die Unzufriedenen. Die Linken sollen isoliert werden, da ihnen die Randale einiger hundert Hooligans am Rande einer Großdemonstration in die Schuhe geschoben wird. Und die AfD hat ihren bürgerlichen Lack fast ganz verloren und wird noch deutlicher als rechtsextrem gebrandmarkt.

Dabei hat Deutschland viele Potenziale, um sich und die Welt in eine bessere Richtung zu führen. Der Reichtum in diesem Land ist enorm, und der Wunsch nach einer gerechten Verteilung wird von breiten Schichten der Bevölkerung getragen. Die starke ökonomische Basis Deutschlands bietet die besten Chancen für einen zukunftsfähigen Sozialstaat, ein Modell für Europa und Welt. Eine bedingungslose Grundsicherung, um die großen Ängste zu zerstreuen: Die Angst vor der Altersarmut, um den Frieden und Solidarität zwischen den Generationen zu sichern; die Angst vor der Automatisierung der Produktion, um diese mit einem großen Schub nach vorne zu bringen. Die Kassen sind voll und die starke Produktivität kann die Basis sein für eine öffentliche Infrastruktur, für Bildung, Gesundheit und Mobilität, um die Weichen zu stellen für eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft. Und geopolitisch ist Deutschland dringend gefragt, um eine alternative Weltordnung zum niedergehenden Pax Amerikana durchzusetzen:

Die Demokratisierung und soziale Sicherung in der Europäischen Union, die Verbindung der europäischen Produktivität mit den russischen Ressourcen und den neuen gigantischen Produktionsstätten und Märkten in Asien. Die eurasische Verbindung wurde systematisch seitens der USA verhindert, doch die isolationistische Politik der Trump-Regierung bietet nun die einmalige Chance, eine neue geopolitische Architektur durchzusetzen.

Das sind Notwendigkeiten für eine friedliche und nachhaltige Zukunft Deutschlands. Vielleicht wird die nächste Regierung sogar einzelne Aspekte aus technokratischen Überlegungen heraus angehen. Doch die Potenziale, die hier schlummern, werden in einem „Weiter so“ verschlafen. Dafür braucht es einen Aufbruch, eine positive, optimistische Energie für eine neue Zukunft. Darum lohnt es sich zu streiten und das heißt – zurück zur Politik –: die Zukunft wieder zu einem offenen Gegenstand der gesellschaftlichen Diskussion zu machen.

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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