Tagesdosis 20.6.2019 – Mordfall Walter Lübcke. Der Lackmustest für unsere Gesellschaft. (Podcast)

Ein Kommentar von Bernhard Loyen.

Der 2.Juni 2019. Einem Menschen wird in seinem Garten aus nächster Nähe in den Kopf geschossen. Kurze Zeit später stirbt er, mit der Kugel im Kopf, im Krankenhaus.

Die Fragen, die sich unmittelbar stellten: waren es ein, oder mehrere Täter? Kamen der, oder die Täter aus dem familiären Umfeld, oder von außerhalb? Es stellte sich die schlichte Frage, des Warum? Aufgrund der beruflichen Biografie des Opfers, forcierte sich die Vermutung einer politisch motivierten Tat.

Bei dem Erschossenen handelt es sich um Walter Lübcke. Er wäre im August diesen Jahres 66 alt geworden. Breite Mutmaßungen hinsichtlich der Tat und des Motivs fanden sich umgehend in der Social Media Welt. Die klassischen Medien verhielten sich bedeckt, die Politik auffällig unauffällig. Diese Stimmung hat sich nun, aufgrund der Festnahme eines Tatverdächtigen (über eine DNA Spur), der dem rechtsextremen Milieu zugeordnet wird, in dieser Woche gewandelt. Endgültige Gewissheit gibt es weiterhin nicht.

Es werden neben dem Täter, nun auch Mittäter vermutet, gesucht und individuell benannt. Zum mutmaßlichen Täter ist bekannt, er kommt aus dem sog. rechten Milieu, soll Kontakt zur militanten Nazi-Gruppe “Combat 18” gehabt haben und gehörte zum Unterstützer-Umfeld der NPD (1). Es stellen sich Fragen, inwieweit die Ermordung Lübckes auf die länger schon existierenden Drohungen gegen seine Person zu fokussieren sind, oder ob der Rahmen hinsichtlich staatspolitischer Verstrickungen, breiter abgesteckt werden muss. Dazu später.

Stimmungsmacher. Betrachten wir die aktuellen Reaktionen der Politik zur Causa Lübcke in dieser Woche, die entsprechend auch von einem Großteil der Medien übernommen wurden. FAZ vom 19.06.: Mord an Walter Lübcke : CDU weist AfD Mitverantwortung zu (2). Am gleichen Tag titelte Zeit Online, Zitat: Annegret Kramp-Karrenbauer gibt AfD Mitschuld am Tod von Walter Lübcke (3). Peter Tauber schreibt in einem Gastbeitrag in der Welt, sie, die AFD, hat mit der Entgrenzung der Sprache den Weg bereitet für die Entgrenzung der Gewalt (4). Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Die Grünen) äußerte sich ebenfalls zum Fall Lübcke, Zitat: “Seit Jahren wird die Grenze des Sagbaren gezielt verschoben“ (3).

Beispiele?

Zitat 1: …und der leichte Ruf, es soll mal ganz viel Zuwanderung kommen, diesem leichten Ruf dürfen wir nicht nachgeben, bevor wir nicht alles daran gesetzt haben, unsere eigenen Menschen im Lande zu qualifizieren und ihnen eine Chance zu geben.”

Zitat 2: Das Thema Integration ist ein zentrales Thema…und daher, die Anzahl von jungen Menschen mit Migrationshintergrund wird zunehmen und nicht abnehmen. In Frankfurt am Main, ist bei den Kindern unter 5 Jahren, von drei Kindern haben zwei einen Migrationshintergrund…wir haben uns eine Weile lang in die Tasche gelogen, wir haben gesagt, die werden schon nicht bleiben, irgendwann werden sie weg sein, das ist nicht die Realität. Und natürlich war der Ansatz, zu sagen, jetzt machen wir hier Mal Multikulti und leben so nebeneinander her und freuen uns übereinander. Dieser Ansatz ist gescheitert, absolut gescheitert.”

Zitat 3: “Wir brauchen keine Zuwanderung, die unsere Sozialsysteme belastet.”

Bevor ich ihnen verrate, wer diese Sätze sprach, möchte ich an ein Sprichwort erinnern, welches auch ein Zitat ist. Der CDU Nachkriegskanzler Konrad Adenauer sprach: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“…weniger bekannt ist, dass dieser Satz noch weiter geht: nichts hindert mich, weiser zu werden.“

Nun denken sie an diesen Ausspruch und folgende Tatsache: Alle drei o.g. Zitate sind aus einer Rede. Einer Rede von Angela Merkel von der CDU, auf dem Deutschland Tag bei der Jungen Union im Jahre – 2010 (5). Nicht mal fünf Jahre später sprach sie am 31. August 2015, Zitat: Deutschland ist ein starkes Land, und das Motiv, in dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das! (6).

Diese Zusammenhänge, der daraus resultierenden Entscheidungen, der Politik, der damit verbundenen Stimmungsparameter, die umschlugen in Ereignisse, radikaler gesellschaftlicher Umbrüche, finden sich daher als tragisches Beispiel, auch im Tode, der Ermordung von Walter Lübcke.

Kommen wir zur nicht völlig abwegigen Verstrickung staatlicher Strukturen, bei der Betrachtung des vermeintlichen Einzeltäters. Es zeigt sich irritierende Slow-motion bei dem Versuch einer zügigen Aufklärung. Der Journalist Wolf Wetzel, Experte zum skandalösen NSU-Fall, hinterfragt in einem Interview bei SputnikNews vollkommen zu Recht (7):

  • Warum versuchte man so verzweifelt, erst den politischen Zusammenhang zu leugnen und aus diesem Mann einen Einzeltäter zu machen? Wenn doch seine Verbindungen zu rechten Netzwerken so evident sind.“
    „Das Opfer war die dritthöchste politische Person in Hessen. Journalisten, Polizeibeamte und Staatsanwälte wissen, dass gewisse Sicherheitsvorkehrungen für solche Personen gelten. Warum sagt die Staatsanwaltschaft nicht, was die Videoüberwachung ergeben hat?
  • „Es kann doch nicht sein“, so Wetzel, „dass eine bewegliche DNA-Spur ausreicht, um jemanden des Mordes zu bezichtigen. Wie die DNA dorthin gekommen ist, ist völlig offen. Bis hin zu der Möglichkeit, dass man eine DNA-Spur legt, um von anderen Tätern abzulenken. Bei einem Mordvorwurf muss man darauf bestehen nachzufragen: Ist dies das einzige Indiz? Falls ja, ist es ein äußerst schwaches Indiz. Wenn es andere Indizien gibt, muss man fragen: Warum werden diese nicht öffentlich gemacht?

Der Name des Mordverdächtigen, Stephan E., tauchte in den Akten zum NSU-Untersuchungsausschuss in Hessen auf, jedoch nur in der namentlichen Erwähnung. Unmittelbare Erkenntnisse ergaben sich nach Befragung entsprechender Sachbearbeiter nicht.

2006 war der letzte Mord in Kassel (Hessen), der dem NSU zugeschrieben wurde. Zum damaligen Zeitpunkt hat sich der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, Andreas Temme (auch „Klein-Adolf“ genannt), in einem Kasseler Internet-Café, dem Tatort, aufgehalten. Temme hatte einen Nazi als V-Mann geführt. Benjamin G.“. Temme fiel durch mehr als widersprüchliche, unglaubwürdige Aussagen auf. Er landete, strafversetzt, bei einem neuen Arbeitgeber. Sein neuer Chef hieß: Walter Lübcke.

Nun waren laut Untersuchungsausschuss-Akten Benjamin G. und Stephan E. beste Kumpels. Man kennt sich. Der NDR verkündete am 18.06. etwas dünn, Zitat: Panorama liegt ein Video vor, das Stephan E. bei einer Auseinandersetzung am 06. Februar 2007 in Kassel zeigt. Der Tatverdächtige ist mehrfach vorbestraft und hatte laut Sicherheitskreisen in der Vergangenheit Verbindungen in die rechtsextreme Szene. (8). Das bedeutet?

Die Hessenschau informierte gestern, Zitat: Hessens Verfassungsschützer hatten den mutmaßlichen Mörder des CDU-Politikers Lübcke nicht mehr auf dem Schirm – und entfernten die Akte aus ihrem Informationssystem. Warum? Da es keine Erkenntnisse gab. Die Akte selbst sei noch da, aber für die Ermittler gesperrt, hieß es aus der Behörde (9).

Am 17. Juni hieß es noch bei der SZ: „Polizei und Staatsanwaltschaft gehen von einem Täter im privaten Umfeld des CDU-Politikers.“ aus. Zitat: „Vergessen Sie die Mutmaßungen über einen Täter aus der radikalen Szene, dafür gibt es keine Hinweise“ (10). Der Umfrage-König Habeck von den Grünen forderte nun auch gestern Abend via Spiegel, Zitat: Die Grünen drängen im Mordfall Lübcke auf umfassende Ermittlungen zu möglichen rechtsextremen Netzwerken. Auch Verbindungen etwa zum NSU-Komplex müssten geprüft werden (11).

Damit kommen wir zur finalen Lackmustest-Herausforderung für Politiker und uns Bürger.

Der Lackmustest-Teststreifen für die Politik lautet: Glaubwürdigkeit gegenüber den Bürgern und vor allem den Opfern von Gewaltverbrechen. Wenn Herr Habeck sich wichtig machen will, weil er weiß, Zitat: “Dieser Fall hat eine historische Dimension“ (11), pulverisiert er jedoch seine Glaubwürdigkeit hinsichtlich eines Aufklärungsinteresses durch die Tatsache, dass aufgrund einer schwarz-grünen Landesregierung in Hessen die NSU-Akten für die nächsten 120, in Worten einhundertzwanzig, Jahre unter Sperrfrist, d.h. unter Verschluss gehalten werden. (12) Warum, Herr Habeck?

Eine zweite Frage, diesmal an die Ermittler: wie kam die DNA Spur von dem Verdächtigen Stephan E. an den Tatort? Ein wiedermal auffällig zufälliges, also benötigtes Ereignis. Heißt Uwe B., diesmal Stephan E.?

Der Lackmustest-Teststreifen für Frau Merkel, findet sich nicht nur für die Jahre 2010 und 2015. Am 23. Februar 2012 sprach sie zu den Angehörigen der NSU-Opfer folgende Worte, Zitat: Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir (wer auch immer das sein soll) tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken…Denn es geht auch darum, alles in den Möglichkeiten unseres Rechtsstaates Stehende zu tun, damit sich so etwas nie wiederholen kann (13).

Daher, der Lackmustest-Teststreifen für uns Bürger lautet recht einfach: Misstrauen. Wir glauben euch Politikern nicht mehr, wir vertrauen euch nicht mehr. Wir werden euch so lange auf die Füße treten, uns bemerkbar machen, euch nicht mehr wählen, bis ihr uns verraten habt, ob an diesem aktuellen Beispiel glaubwürdige Aufklärung gewährleistet ist. Hätte der kaltblütige Mord an Walter Lübcke verhindert werden können, nein müssen? Antworten bitte und zwar zügig. Denn was versprach die Kanzlerin bei der Rede im Jahre 2012, Zitat: Denn es geht auch darum, alles in den Möglichkeiten unseres Rechtsstaates Stehende zu tun, damit sich so etwas nie wiederholen kann.

Die Lackmus-Messlatte liegt hoch, für alle Beteiligten.

Quellen:

  1. https://exif-recherche.org/?p=6218
  2. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/mord-an-luebcke-cdu-weist-afd-mitverantwortung-zu-16244655.html
  3. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-06/cdu-vorsitzende-afd-mitschuld-tod-walter-luebcke-annegret-kramp-karrenbauer
  4. https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus195520597/Peter-Tauber-Muessen-endlich-Artikel-18-des-Grundgesetzes-anwenden.html
  5. https://www.youtube.com/watch?v=WaEg8aM4fcc
  6. https://www.cicero.de/kultur/angela-merkel-fluechtlingskrise-willkommenskultur-
  7. https://de.sputniknews.com/panorama/20190619325268445-luebcke-mord-fragen/
  8. https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Exklusiv-Video-zeigt-mutmasslichen-Luebcke-Moerder-Stephan-E,luebcke116.html
  9. https://www.hessenschau.de/politik/landtag/verfassungsschutz-akte-noch-da-aber-gesperrt,akte-stephan-e-100.html
  10. https://www.nachdenkseiten.de/?p=52639#more-52639
  11. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/mordfall-luebcke-robert-habeck-fordert-ueberpruefung-von-verbindungen-zur-nsu-a-1273266.html
  12. https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_84106974/warum-bleibt-die-nsu-akte-120-jahre-unter-verschluss-.html
  13. https://www.sueddeutsche.de/politik/merkels-gedenkrede-fuer-neonazi-opfer-im-wortlaut-die-hintergruende-der-taten-lagen-im-dunkeln-viel-zu-lange-1.1291733
  14. Erinnerungsquelle Merkel Rede

Bildquelle: yt/ ss, 20.06.2019/ WELT Nsd.,

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