Tagesdosis 2.9.2017 – Im globalen Finanzsystem ticken diverse Zeitbomben (Podcast)

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Zweimal hat das globale Finanzsystem bereits kurz vor dem Zusammenbruch gestanden – 1998 und 2008. 1998 verspekulierte sich der US-Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) im internationalen Währungsgeschäft. Auf Grund von „Hebeleffekten“ überstieg der Schaden die Vermögenswerte des Fonds um mehr als das Hundertfache und drohte diverse Großbanken mit in den Abgrund zu reißen. Um ihren Bankrott zu verhindern, taten sich damals fünfzehn Geldhäuser zusammen und retteten nicht nur LTCM, sondern auch die eigene Haut. Dabei mussten sie einen Verlust von ca. 4 Mrd. US-Dollar hinnehmen.

Obwohl nicht zu übersehen war, dass die Ursache für den Beinahe-Crash im Bereich der Derivate, also kaum regulierter Finanzprodukte, lag, wurden nach dem Vorfall keine Konsequenzen gezogen. Im Gegenteil: Es wurden sogar noch weitere Vorschriften gelockert, so dass die Finanzspekulation ungehindert zunehmen konnte.

Die Risiken sind heute größer als vor der letzten Krise

Insbesondere der Handel mit sogenannten „Verbriefungen“ explodierte. Diese seit den Siebziger Jahren erlaubte Umwandlung von Darlehen, Krediten und Hypotheken in handelbare Wertpapiere (im Grunde nicht anderes als die absurde Verwandlung von Schulden in Vermögenswerte) erwies sich als globale Zeitbombe: Als die amerikanischen Häuserpreise 2006 einbrachen, stellten Banken in aller Welt plötzlich fest, dass sich die Verbriefungen, die sie großen US-Banken abgekauft hatten, in wertloses Papier verwandelt hatten.

Damit stand das globale Finanzsystem 2008 erneut vor dem Zusammenbruch. Diesmal aber war der entstandene Schaden so groß, dass er nicht mehr von einzelnen Banken aufgefangen werden konnte. Also griffen die Staaten ein und retteten eine Vielzahl gefährdeter Konzerne und Banken. Das wiederum riss riesige Löcher in die Staatshaushalte, die von nun an mit gewaltigen Schuldenbergen zu kämpfen hatten. Außerdem zögerten die Banken immer stärker bei der Vergabe neuer Kredite, was zu einer „Liquiditätskrise“ (einem „Austrocknen“ der Zahlungsströme) führte.

Die Lösung, die international gefunden wurde, hieß: Gelddrucken und Zinsen senken. In den vergangenen zehn Jahren haben die Zentralbanken der Welt den Gegenwert von mehr als 18 Billionen US-Dollar aus dem Nichts geschaffen und zu immer niedrigeren Zinsen vergeben. Obwohl offiziell behauptet wird, das Geld werde zur Ankurbelung der Wirtschaft vergeben, ist es fast ausschließlich in die Finanzspekulation gewandert und hat diesen Sektor weiter aufgebläht und damit noch anfälliger gemacht. Zehn Jahre nach der letzten Krise haben wir es mit einem globalen Finanzsystem zu tun, in dem die Risiken erheblich größer sind als vor dem Beinahe-Crash von 2008.

Es drohen nicht nur wirtschaftliche Folgen…

Auch die zunehmende Verzahnung des globalen Welthandels hat die Gefahren wachsen lassen. China als Welthandelsmacht Nr. 1 hat das größte Schattenbanksystem der Welt (als Schattenbanken gelten Finanzinstitute wie Hedgefonds oder Investmentfonds, die kaum reguliert werden und weitgehend intransparent sind). Allein die Unternehmensschulden in China betragen über 18 Billionen Dollar und machen fast 170 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus (der Summe der in einem Jahr produzierten Waren und erbrachten Dienstleistungen). Kommt es zu einem (mittlerweile nur durch staatliche Manipulation aufgeschobenen) Crash in China, wird die gesamte Weltwirtschaft die Schockwellen zu spüren bekommen.

All diese Risiken und Krisenfaktoren haben dazu geführt, dass die  zwischen den großen Wirtschaftsblöcken hinter den Kulissen geführten Handels- und Währungskriege an Schärfe zugenommen haben. Ein gutes Beispiel hierfür liefert der Konflikt  zwischen den USA und Nordkorea.

Donald Trump hatte bereits vor seiner Amtsübernahme angekündigt, dass eines seiner  wichtigsten Ziele darin bestehen werde, den Wert des US-Dollars zu drücken, um US-Exporte so gegenüber dem wichtigen Rivalen EU zu stärken. Genau das wird durch das systematische Anheizen des Nordkorea-Konfliktes erreicht: Jedes Mal, wenn es brenzlig wird, fliehen Investoren scharenweise aus dem Dollar in den Euro. Der Euro gewinnt dadurch an Wert, europäische Exporte werden teurer, amerikanische dagegen günstiger.

Dass inzwischen beim Kampf um wirtschaftliche und finanzielle Vorteile zu Mitteln gegriffen wird, deren Folge ein Dritter Weltkrieg sein könnte, zeigt, wie dramatisch sich die Situation im globalen Finanzsystem bereits zugespitzt hat.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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