Tagesdosis 19.10.2017 – Schocktober für den Smombie (Podcast)

Ein Kommentar von Bernhard Loyen.

Schocktober tönte es aus dem morgenlichen Radio. Schocktober lautet die aktuelle Werbekampagne einer großen Handelskette. Angebote, die elektrisieren, verspricht der Elektromarkt Saturn seinen digitalen Jüngern. Geht man auf die Startseite des Unternehmens strahlt es den Leser sofort an – ein neues Smartphone für lächerliche 249€.

Aktuelle Studien berichten von einem neuen Angstphänomen. Der Nomophobie[1]. Dieser Begriff ist die Abkürzung für No-Mobile-Phone-Phobia. Bedauerlicher Weise kein Witz, sondern die konsequente Fortführung menschlicher Schwächen in digitalen Zeiten. Erwachsene, Jugendliche & Kinder erleben das Angstgefühl, vermeintlich etwas zu verpassen. Die modernen Datendealer, wie Instagram und Twitter, sog. Influencer auf youtube, bishin zur berüchtigten Wetter App, versorgen die alten, wie jungen Süchtigen mit ihrem Stoff. Bilder, Filmchen, Trends, Likes, eben zuviel Überflüssiges und noch mehr Dummes hindern und halten vom wirklichen Leben ab.

Manfred Spitzer, Autor des sehr empfehlenswerten Buches Digitale Demenz, umschreibt in seinem 2015 erschienenen Werk Cyberkrank, die weiterhin extrem unterschätze Gefahr von unkontrollierter Dauernutzung dieses Gerätes. In einem aktuellen Interview, weißt er auf die Tatsache hin, dass der extreme Gebrauch natürlich auch Auswirkungen auf das Gehirn beinhaltet. Er erklärt: Wenn sie sich täglich mehrere hundert Mal vom Smartphone ablenken lassen, trainieren sie sich leichte Ablenkbarkeit und einen ineffizienten Arbeitsstil an.

Bei Kindern leiden nachweisslich geistige Leistungsfähigkeit und die Fähigkeit zu planen, zu entscheiden, kritisch und vernünftig zu denken. Die steigende Unfähigkeit der sozialen Einfühlung nehme, laut Studien aus den USA und Asien bei Nutzungszeiten von bis zu acht Stunden täglich, extreme Maße an, so M.Spitzer weiter im Interview.

Warum sollte es in Europa, in Deutschland anders ausschauen? Der folgende Satz vom Gehirnforscher Spitzer, sollte Eltern die unkritisch Minderjährigen das Gerät überlassen, kurz inne halten lassen:

Empathie lässt sich nicht vor dem Bildschirm lernen.

Smombie war das Jugendwort des Jahres 2015[2]. Es die Wortkomposition aus Smartphone und Zombie. Neben den Auswirkungen auf das Gehirn, belegen medizinische Studien, dass die Sehfähigkeit von Jugendlichen sich extrem verschlechtert, bzw. verändert hat. Spitzer informiert, dass im durchdigitalisiertem Südkorea die Kurzsichtigkeit bei Jugendlichen inzwischen bei [sic] 90% läge, in Europa immerhin schon bei 30%.

Es ist die Kombination, die die Entwicklung unserer Gesellschaft so bedenklich erscheinen läßt. Erwachsene leben den Kinder und Jugendlichen eine Parallelwelt, abgelöst von der realen Welt vor. Sie vermitteln eine fatale Selbstverständlichkeit Bedürfnisse schnell und ohne Probleme befriedigen zu können. Kommunikation und selbständiges durchdachtes Handeln werden schlicht überflüssig, wenn die Macht in der Hand für den unbedarften, lebensunerfahrenen Jugendlichen das Denken abnimmt und für die persönliche Entwicklung wichtige Erfahrungen in der Alltagsroutine übernimmt.

Soziale Netzwerke suggerieren, eingebunden zu sein. Das bedeutet heute, nach der Schule trifft man sich im Chat und nicht im Park, oder auf dem verwaisten Bolzplatz. Erfahrungen der körperlichen und nicht nur der verbalen Auseinandersetzung, wie im Sportverein, oder schlicht in der Gruppe im Freizeitheim gehören nicht mehr zur Jugendkultur.

Eine aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom ergab, das 72 Prozent der Befragten daran interessiert seien, schon parallel zum Kinostart Filme online streamen und ansehen zu können. 75 Prozent der Befragten würden allerdings kein zusätzliches Geld für entsprechende Angebote ausgeben wollen, ausser den normalen Monatsgebühren. Warum auch die Wohnung überhaupt noch verlassen? Dieses Verständnis von schlicht dummer Gier und Bräsigkeit, wurde vielen Bürgern jahrelang von ihren Elektro Dealern eingeprügelt. Geiz ist geil, weil ich bin ja nicht blöd.

Das Qualität schlicht seinen Preis hat, ist aus dem Bewußtsein vieler Menschen verschwunden. Handwerk und gelernte Berufserfahrung erleben keinerlei Respekt beim Endverbraucher. Kinos müssen schließen, Innenstädte verwaisen.

Das Zukunftsmodell der Familie lautet also, Smombie sucht die Couch Potatoe im Magenta Smarthome?

Zu spät ist es nie. Schon Otto wuße: Großhirn an Kleinhirn, bitte melden.

Quellen

[1] – https://www.gesundheit.de/wissen/haetten-sie-es-gewusst/medizinische-begriffe/nomophobie-was-steckt-dahinter

[2] – https://www.langenscheidt.de/Pressemeldungen/Das-Jugendwort-steht-fest-Smombie-macht-das-Rennen

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