Tagesdosis 19.1.2019 – Deutsche Bank: Ein Lehrstück in Banker-Moral

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Der Begriff „Boni“ kommt im Wortschatz der Deutschen Bank nicht vor. Stattdessen spricht man hier von „variabler Vergütung“, die vor allem „Topmanagern mit Gestaltungsauftrag“ gezahlt wird.

Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, soll die variable Vergütung in diesem Jahr etwas mehr als zwei Milliarden Euro betragen.

Wer glaubt, dass diese Summe für erfolgreiche Arbeit gezahlt wird, der irrt: Der Aktienkurs der Deutschen Bank ist 2018 um 56 Prozent abgestürzt, Aktieninhaber haben in diesem Zeitraum mehr als die Hälfte ihres Geldes verloren.

Ein solches Missverhältnis ist bei der Deutschen Bank nicht neu: In den Jahren 2015 bis 2017, in denen das Geldhaus einen Verlust von 9,75 Milliarden Euro einfuhr, zahlte es Boni in Höhe von 5,3 Milliarden Euro aus.

Geht man noch etwas weiter in der Zeit zurück, werden die Zahlen noch extremer: Seit 2010 – in der Zeit also, in der die Deutsche Bank nach Aussagen des IWF wegen des Eingehens immer höherer Risiken zur „systemisch gefährlichsten Bank der Welt“ geworden ist – wurden Boni in Höhe von insgesamt 19,4 Milliarden Euro ausgezahlt.

Wer das noch nicht als empörend empfindet, dem helfen vielleicht folgende Zahlen: Ein Großteil der Personen, die diese 19,4 Milliarden Euro zusätzlich zu ihrer Grundvergütung bezogen haben, sind für Marktmanipulationen verantwortlich, die gerichtlich verfolgt wurden und für die die Deutsche Bank allein im Zeitraum von März 2012 bis zum Juli 2018 Strafzahlungen in Höhe von 14 Milliarden Euro leisten musste.

Wer als arbeitender Mensch an dieser Stelle geneigt ist, sich angewidert abzuwenden, der sei daran erinnert, dass die Politik die Deutsche Bank 2008 für „too big to fail“ erklärt hat und ihn als Steuerzahler im Falle ihres Zusammenbruchs mit Sicherheit per Bail-out zur Kasse bitten wird – da das mittlerweile eingeführte Bail-in nicht einmal annähernd ausreichen würde, um die Löcher in der Bilanz der größten deutschen Bank zu stopfen.

Sollte jemand angesichts dieser haarsträubenden Fakten meinen, die Deutsche Bank habe in den vergangenen Jahrzehnten möglicherweise ihren moralischen Kompass verloren, so sei ihm zur Korrektur dieser Einschätzung ein kurzer Blick auf ihre Geschichte empfohlen:

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 feuerte die Deutsche Bank umgehend ihre jüdischen Vorstandsmitglieder, profitierte anschließend von den Beutezügen der Wehrmacht und nutzte die Zwangsarbeit ebenso wie die „Arisierung“ – also den staatlichen erzwungenen Verkauf jüdischer Unternehmen und Banken – zur Aufstockung ihres Vermögens.

In den fünfziger Jahren machte sie mit Hermann Josef Abs genau den Mann zu ihrem Chef, der im Dritten Reich für die Arisierung zuständig gewesen war, und ließ sich bis in die siebziger Jahre von ihm führen.

In den achtziger Jahren nutzte sie die Deregulierung, um in das internationale Investmentbanking einzusteigen und überraschte die Weltöffentlichkeit mit einem besonders durchtriebenen Schachzug – der Forderung nach einem Schuldenerlass für die Dritte Welt.

Was wie das Schlagen eines humanitären Gewissens klingen sollte, war in Wirklichkeit nichts anderes als ein kühl kalkuliertes Manöver: Um die Konkurrenten in der City of London und an der Wall Street auszustechen, hatte der damalige Chef Alfred Herrhausen die Deutsche Bank so positioniert, dass sie einen solchen Schuldenerlass, der damals von Millionen Menschen in aller Welt geforderte wurde, im Gegensatz zu ihren internationalen Konkurrenten ohne größere Verluste überstanden hätte.

Zwar wurden diese Pläne nach Herrhausens Ermordung fallen gelassen, dafür aber trieb das Management den Aufbau des Investmentbankings weiter voran und zahlte den dafür zuständigen Mitarbeitern noch höhere Boni. Den Spitzenwert erreichte ein Zinsspezialist in London, dem ausgerechnet im Krisenjahr 2008 achtzig Millionen Euro zugesprochen wurden.

Kann es angesichts dieser Fakten noch jemanden verwundern, dass es sich bei dem Franzosen Christian Bittar, der im Juli 2018 von einem britischen Gericht wegen Zinsmanipulationen im Zeitraum von 2005 bis 2009 zu fünf Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt wurde, um genau jenen Zinsspezialisten handelt, der im Bonus-Gefüge der Deutschen Bank auf Platz eins steht?

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