Tagesdosis 16.6.2018 – Großoffensive in Jemen

Die USA zeigen nach Singapur ihr wahres Gesicht

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

US-Präsident Trump hat sein Treffen mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un in dieser Woche genutzt, um sich der Weltöffentlichkeit als Friedensstifter und Vorkämpfer für nukleare Abrüstung zu präsentieren.

Unterstützt wurde er dabei von den internationalen Medien, die ausführlich über alle Aspekte des „historischen Treffens“ berichteten und es gleichzeitig mehrheitlich unterließen, die Welt über die immer konkretere Planung für ein weiteres historisches Verbrechen der USA und ihrer Verbündeten zu informieren.

Während Trump in Singapur vom Weltfrieden sprach, bereiteten die US-Streitkräfte, deren Oberbefehlshaber Trump ist, mit ihren Verbündeten im Nahen Osten einen Großangriff auf die Hafenstadt al-Hudaida in Jemen vor.

Am Wochenende vor dem Gipfel wurden internationale Hilfsorganisationen in der Region angewiesen, ihr Personal abzuziehen. Am Montag wurde kurzfristig eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates anberaumt, in der die britische Delegation einen letzten Versuch unternahm, einen Angriff auf al-Hudaida zu verhindern, aber am Einspruch Katars scheiterte.

Erste Kämpfe um die Stadt hatten bereits zuvor begonnen. Allein in der vergangenen Woche starben nach Angaben von Medizinern über 100 Menschen in al-Hudaidas Vororten. 100.000 der 400.000 Einwohner haben die Stadt inzwischen verlassen, es wird mit einer Massenflucht von weiteren 200.000 Menschen gerechnet.

Pompeo und Bolton auf Kriegskurs gegen Iran.

Katar ist Teil einer von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz, der auch Ägypten, Bahrain, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien. Marokko, Sudan und Senegal angehören und die seit drei Jahren mit der Unterstützung der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegen schiitische Huthi-Rebellen in Jemen kämpft.

Die Allianz wirft den Behörden von al-Hudaida vor, die Huthi-Rebellen mit Zolleinnahmen in Höhe von 30 Millionen Dollar pro Monat und mit iranischen Waffen zu versorgen und plant daher schon seit längerem einen Angriff auf die Hafenstadt. Bisher aber haben die USA eine Offensive verhindert, da sie eine humanitäre Katastrophe kaum vorstellbaren Ausmaßes nach sich ziehen würde, die vor der Weltöffentlichkeit nur schwer zu rechtfertigen wäre.

Jemen mit seinen fast dreißig Millionen Einwohnern ist zu 90 Prozent auf den Import von Grundnahrungsmitteln angewiesen, die wiederum zu 70 Prozent über den Hafen von al-Hudaida ins Land gebracht werden. Ein Angriff würde die ohnehin katastrophale Versorgungslage im Land drastisch verschlechtern, so dass nach der größten Cholera-Epidemie in der Geschichte der Menschheit (2017 haben sich in Jemen 1 Million Menschen mit der Krankheit infiziert) auch noch mit einer der schlimmsten Hungersnöte aller Zeiten gerechnet werden müsste.

Noch im April hatte David Satterfield, der Nahost-Abgesandte des US-Außenministeriums, bei einer Kongress-Anhörung verkündet, die USA hätten die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien mit Rücksicht auf die angespannte humanitäre Situation in Jemen vor einem Angriff auf al-Hudaida gewarnt.

Mittlerweile aber scheinen die USA ihre Strategie geändert zu haben. Das dürfte vor allem auf den Einfluss der kürzlich ins Kabinett aufgenommenen Mike Pompeo und John Bolton zurückzuführen sein. Trumps Außenminister Pompeo und sein nationaler Sicherheitsberater Bolton sind langjährige Verfechter eines Kriegskurses gegen Iran, arbeiten seit ihrer Amtseinführung stetig an einer Verschärfung des Nahost-Konfliktes und haben mit der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommen bereits einen entscheidenden Etappensieg errungen.

Was steckt hinter dem Konflikt?

Wie im Konflikt um Nordkorea geht es auch im Nahen Osten hauptsächlich um zwei Dinge: Macht und Geld. Im Fall Nordkorea wurde ein Land mit Hilfe von Sanktionen und der unverhüllten Drohung, es zu vernichten, so lange in die Knie gezwungen, bis es bereit war, fast alle Bedingungen der Gegenseite zu akzeptieren. Nordkorea besitzt Bodenschätze im Wert von 6 bis 10 Billionen US-Dollar und hat bereits in der Vergangenheit als billige Werkbank für südkoreanische Konzerne gedient.

Trump beabsichtigt offensichtlich, Nordkorea für US-Investoren zu öffnen, ihnen den Zugriff auf die Bodenschätze des Landes zu ermöglichen und sie in die Lage zu versetzen, von den billigen Arbeitskräften des Landes zu profitieren. Erwünschter Nebeneffekt dürfte sein, ein bisher mit China verbündetes Land wirtschaftlich und finanziell von den USA abhängig zu machen.

Im Fall Jemen muss man zur Einschätzung der Lage einen Blick auf die Verbindung der Huthi-Rebellen zum Iran und den zunehmenden Einfluss des Iran in der gesamten Region werfen. Außerdem muss man zum tieferen Verständnis des Konfliktes die Entwicklung der Fracking-Industrie in den USA berücksichtigen: Investoren haben jahrelang dreistellige Milliardensummen in diese Technologie investiert, ohne dabei Gewinne zu machen. Trotzdem werden in den USA immer neue Quellen erschlossen; in Texas, dem Eldorado der Fracking-Industrie, herrscht wegen des Booms bereits ein akuter Mangel an Arbeitskräften.

Das Fracking deckt die eigenen Kosten erst ab einem Ölpreis zwischen 60 und 70 US-Dollar und wird nur dann zu einer Goldgrube, wenn der gegenwärtige Ölpreis von etwa 66 Dollar wieder auf frühere Werte von über 100 Dollar pro Barrel klettert. Genau das aber wäre ein sicherer Nebeneffekt eines Krieges gegen Iran und würde die Fracking-Industrie nicht nur in die Gewinnzone katapultieren, sondern auch dafür sorgen, dass die USA vom Öl-Importeur zum Öl-Exporteur und damit auf dem Weltmarkt zum größten Konkurrenten Russlands würden.

Der Angriff auf die Großstadt al-Hudaida in Jemen ist also nicht nur ein regional begrenztes Kriegsverbrechen, er ist ganz offensichtlich Teil einer Strategie, mit der die USA versuchen, neue Märkte zu erobern, um so ihren Abstieg als Weltmacht aufzuhalten – um den Preis unendlichen menschlichen Leides unter einer Bevölkerung, die zu 48 Prozent aus Analphabeten und zu 50 Prozent aus Kindern besteht.

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