Tagesdosis 15.12.2017 – Palästina und die Apartheid in den Köpfen (Podcast)

Ein Kommentar von Pedram Shahyar.

Groß war die Aufregung in der letzten Woche: Tausende vorwiegend migrantische Jugendliche hatten in Berlin vor der amerikanischen Botschaft demonstriert, und dabei selbstgemalte Israel-Fahnen verbrannt. „Das ist nicht unser Berlin“ so titelte die Springer-Presse, und  wellenarti wurde in den Medien der Antisemitismus der arabischen Bevölkerung rauf und runter diskutiert. Es ist nicht gut in Deutschland Fahnen mit Davidstern zu verbrennen. Nein, vieles was auf diesen Demos gerufen wird, ist auch nicht ok.

Aber wo ist der Aufschrei in der Öffentlichkeit, wenn hunderte Palästinenser binnen weniger Tage verletzt oder umgebracht werden, wie in der letzten Woche geschehen? Wo ist der Aufschrei, wenn die USA der ultra-rechten Regierung in Israel freie Hand gibt, jede Friedenshoffnung mit den Palästinensern endgültig zu zerstören?

Trumps Entscheidung bedeutet faktisch nichts anderes als die weitere Vertreibung von Palästinensern in Jerusalem. Es ist ein Zündeln in der gesamten Region, Vorbereitung auf größere kriegerische Auseinandersetzungen. Und die Bundesregierung ändert nichts, aber auch gar nichts an der aktiven Unterstützung der israelischen Regierung. Waffen fließen weiter. Begründung: historische Verantwortung. Aufschrei? Nein, stattdessen wird die unkontrollierte Wut von Teilen der migrantischen Jugend bekämpft, die spürt, dass es ihres Gleichen sind, die dort vertrieben, geschlagen und getötet werden.

Diese Wut ist einsam, allein gelassen von allen Teilen der Gesellschaft. Auch deshalb schlägt es in hässlichen Hass um. Dabei findet die Mehrheit der Deutschen Trumps Entscheidung nicht gut. Nur bei Anhängern der AfD hat die Kriegserklärung an die Palästinensern eine knappe Mehrheit. Das ist nicht überraschend, denn es sind ja nur Moslems, die dort unterdrückt werden. Aber die Mehrheit der Deutschen, die merken, dass es nicht ok ist, was Trump da macht, wo ist ihre aktive Solidarität und Empathie für die Palästinenser, die symbolisch stehen für die lange Unterdrückung der gesamten arabischen Welt durch den Westen? In anderen Ländern gehen tausende politisch Aktive auf die Straße in Solidarität mit den Palästinensern und setzen ihre Regierungen unter Druck. Doch hier, die Liberalen, die Linken, diejenigen die meinen, sich für Menschenrechte Aller einzusetzen, wo ist ihr Aufschrei? Wo sind die Petitionen und Demonstrationen für einen Stopp der Waffenlieferungen an Israel?

Nichts, nein gar nichts. Stattdessen rauf und runter das Gerede der historischen Verantwortung. Ist das die Lehre aus der Geschichte der deutschen Barbarei und des einmaligen Verbrechens gegen die europäischen Juden? Zuzuschauen, wenn Minderheiten so unterdrückt werden? Das ist nicht historisch verantwortlich, das ist die Verdrehung des humanistischen Erbes, welches wir aus der Barbarei des 3. Reiches hätten lernen sollen.

Das Schweigen der Mitte, die Passivität der liberalen und linken Gesellschaft zeigt wie weit die Apartheid in Israel und Palästina auch hier das Denken beherrscht. Leben ist nicht gleich Leben, Opfer sind nicht gleich Opfer. Die Mitte, die Liberalen und die Linken müssen sich fragen lassen, inwieweit das imperiale Denken, das westliche Überlegenheit reklamiert und die anderen, insbesondere die Moslems, als kulturell und politisch zweitklassig einstuft, auch schon ihre Gedankenwelt erfasst hat. Ihr Schweigen, ihre Passivität ist nichts anderes als Apartheid in den Köpfen!

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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