Tagesdosis 14.8.2017 – Frieden für wen?

Ein Kommentar von Susan Bonath.

Die Bundestagswahl rückt näher.  An den Berliner Fressnapf strebt auch die AfD. Mit acht Prozent in aktuellen Umfragen ist sie kaum zufrieden. Sie will mehr. Sie gebärdet sich nicht nur als »Partei für den kleinen Mann«. Ihr Ziel sind auch die von anderen Parteien vergessenen Russlanddeutschen – und Friedensfreunde. Auf ihrem Russland-Kongress in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg fasste die AfD am Wochenende beide Wahlkampfthemen zur Parole »Frieden mit Russland« zusammen.

Mit dumpf-moralistischen Plattitüden, die auch »Antideutsche« gern ins Feld führen, berichtete Springers Welt über den Kongress. Die AfD habe dort rabiaten Antiamerikanismus mit Fremdenhass, Chemtrail-Verschwörungstheorie und Antiimperialismus verbunden, fabuliert das Blatt in seinem kläglichen Versuch, die »etablierten« Parteien oben zu halten und zu suggerieren, dass die AfD so anders sei.

Mitnichten ist sie das. Die AfD ist eine kapitalistische Partei wie CDU, CSU, SPD, FDP und die Grünen. Sie posaunt nur ihren Rassismus lauter heraus als die Union mit ihren Abschiebeknästen für die ganze Familie. Ein Blick ins Programm genügt: Die AfD fordert mehr Mitsprache für die BRD in der NATO. Sie will Atom- statt Ökostrom. Polizei und Militär will sie aufrüsten, reichen Erben und Vermögenden die Steuern erlassen und Hartz-IV-Bezieher weiter sanktionieren, wenn die sich nicht willig zu jedem Preis vermarkten lassen.

Kurz: Die AfD will ein mächtiges Deutschland, das unabhängig von den USA Kriege führen kann. Die BRD-Elite möge künftig selbstbestimmt ihren Wohlstand aus der Peripherie importieren und herbei bombardieren. Ohne Hilfe aus dem Osten geht das nicht. Das ist der Grund, warum der legitime Wunsch nach Frieden mit Putins Reich in nationalistischen und faschistischen Lagern großen Anklang findet.

Das ist kein Plädoyer für die US-Machthaber. Zweifelsohne sind die Vereinigten Staaten der aggressivste imperialistische Block vor der EU und den aufstrebenden asiatischen Mächten. Niemand kann wollen, dass sie weiterhin die Welt mit Krieg überziehen und mit Sanktionen gegen ihren Lieblingsfeind zündeln.

Simple Antworten helfen hier nicht. Schauen wir genauer hin: Historisch gesehen ist die AfD hervorgegangen aus dem Gerangel zwischen den globalen Machtblöcken und den Kapitalfraktionen innerhalb der BRD. In einer Welt, in der Ressourcen und Märkte weitgehend vergeben sind, herrscht der Verteilungskampf nicht nur unten. So ähnlich war es vor dem Zweiten Weltkrieg.

Auf der deutschen Kapitalseite stehen sich verschiedene Interessen gegenüber: Die einen bandeln und verschmelzen mit Konzernen westlich des großen Teiches. Andere streben gen Osten. Die dritte Fraktion ist national und innerhalb der Europäischen Union verquickt. Der Staat soll ihre Kapitalinteressen unter einen Hut bringen. Wenn Merkels Truppe jedoch Gesetze nur für die einen schreibt, erzeugt das Unmut bei den anderen. Sie wollen wieder selbst mitmischen. Dafür brauchte es eine neue Partei: Die AfD.

Wer die herrschende Klasse im eigenen Nationalstaat stärken will, muss nicht lange warten. Die faschistischen Kräfte und sonstige, die autoritäre Lösungen im Gepäck haben, kommen von alleine. Dies hatte schon AfD-Mitgründer Bernd Lucke zum Austritt bewogen. Es bestimmt den parteiinternen Streit.

Die Frage ist nicht, ob Frieden mit Russland wünschenswert ist. Natürlich ist er das. Die Frage ist: Was sind die Ziele der einen und der anderen? Darauf gibt´s nur eine Antwort: Imperiale Durchsetzungsfähigkeit. Die einen versprechen sich diese vom Mitrudern mit dem US-Imperium, die anderen von einer mächtigen EU. Das dritte Lager sucht nationale Macht mit Hilfe des Ostens. Mal abgesehen davon, dass die USA das nicht gediegen hinnehmen würden: Die Lohnabhängigen bleiben so oder so nur Ausbeutungsmasse.

Immer ist auch der Faschismus eine Option, kapitalistische Interessen durchzusetzen. Die bürgerliche Demokratie ist kein Naturgesetz. Faschismus hat jede Kapitalfraktion für den Fall der Krise im Koffer. Der Arm der AfD sind rechtsradikale Fußtruppen. Die Regierenden schielen auf die faschistischen Potentiale des Staates. Möglicherweise verfügt auch der EU-orientierte Rest über einen solchen Arm: Antideutsche, die sich links tarnen, es aber nicht sind. Oder ist es bloßer Zufall, wenn sich ein Springer-Artikel wie ein Auszug aus einer antideutschen Postille liest?

Frieden für die einen ist eben nicht gleich Frieden für alle – schon gar nicht im imperialistischen Machtgerangel. Es braucht andere Antworten als die einer AfD und die der »Etablierten«.

Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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