Tagesdosis 14.7.2018 – Das globale Finanzsystem und der Vorwurf der Verschwörungstheorie

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Wer immer in unseren Tagen mehr als nur oberflächliche Kritik am globalen Finanzsystem übt, setzt sich der Gefahr aus, von den Mainstream-Medien und der offiziellen Politik als „Verschwörungstheoretiker“ und damit als wissenschaftlich nicht ernstzunehmender Aufwiegler abgetan zu werden.

Es lohnt sich, diesen Vorwurf näher unter die Lupe zu nehmen, denn er enthüllt bei genauerem Hinsehen mehr über die, die ihn erheben, als über die, gegen die er sich richtet.

Als Verschwörung gilt der Wikipedia zufolge „das zielgerichtete, konspirative Wirken einer kleinen Gruppe von Akteuren zu einem meist illegalen oder illegitimen Zweck.“ Der Duden definiert die Verschwörung als „gemeinsame Planung eines Unternehmens gegen jemanden oder etwas (besonders gegen die staatliche Ordnung)“.

In anderen Worten: Wer grundlegende Kritik am globalen Finanzsystem übt, unterstellt einer kleinen Gruppe von Akteuren die gemeinsame Planung eines Unternehmens zu einem meist gesetzwidrigen oder unrechtmäßigen Zweck, welche sich insbesondere gegen die staatliche Ordnung richtet.

Gehen wir der Sache auf den Grund und werfen zuerst einmal einen Blick auf die Anzahl der Akteure im Finanzsystem. Im Verhältnis zur Weltbevölkerung handelt es sich hier in der Tat um eine verschwindend kleine Gruppe von Menschen. Zu ihnen zählen die Chefs von Zentralbanken, kommerziellen Großbanken, Hedgefonds, Finanzministerien, internationalen Finanzorganisationen wie der BIZ, dem IWF, der Weltbank und der WTO, um nur die wichtigsten zu nennen.

Kann man diesen Akteuren „zielgerichtetes Wirken“ vorwerfen? Betrachten wir dazu ihre Aktivitäten nach der Krise von 2007/08: Während sich die Politik zunächst weigerte, die Großbanken zu retten, setzten sich die Finanz-Akteure nach kurzer Zeit gegen sie durch, indem sie mit dem Zusammenbruch von Handel, Industrieproduktion und sogar ganzen Staaten drohten und so die Begleichung riesiger Schuldenberge privater Investoren durch die Staaten erwirkten.

Als in Europa daraufhin mehrere Länder in Zahlungsschwierigkeiten gerieten, gründeten die Akteure die „Troika“ aus EZB, IWF und EU-Kommission, setzten diese Länder unter deren Zwangsverwaltung und sorgten dafür, dass unliebsame Regierungschefs durch „Technokraten“ – also hohe Vertreter des Finanzgewerbes – ersetzt wurden.

Anschließend erwirkten sie zu ihrem eigenen Vorteil das „Quantitative Easing“, das Schöpfen von riesigen Geldsummen und ihre Vergabe zu immer niedrigeren Zinsen. Begleitet wurde es von der Austeritätspolitik, die die Lasten der Krise auf die arbeitenden Menschen abwälzte. Seit einigen Jahren kaufen Zentralbanken zudem Staats- und Unternehmensanleihen sowie Aktien in großem Stil auf – und zwar über alle Staatsgrenzen hinweg und in der Absicht, das System durch koordinierte Aktionen am Leben zu erhalten.

Damit besteht kein Zweifel, dass das Handeln der Akteure „zielgerichtet“ ist. Aber ist es auch „konspirativ“ und erfolgt damit  – der Erklärung der Wikipedia zufolge – auf der Grundlage der „Zusammenarbeit mehrerer Personen unter einheitlicher Zielsetzung und bewusster Ausschaltung fremden oder öffentlichen Einblicks“?

Stellen wir hierzu folgende Fragen: Gewährt die Finanzindustrie Außenstehenden Einblick in ihre Entscheidungen? Wurde ein einziger arbeitender Europäer gefragt, ob er mit der Bildung der Troika – einer Vereinigung nicht vom Volk gewählter Bürokraten – einverstanden war? Durfte die internationale Öffentlichkeit je mitreden, als die Zentralbanken beschlossen, Geld zu drucken und es zu immer günstigeren Konditionen an die Finanzindustrie zu vergeben?

Ganz im Gegenteil: Die wichtigsten Maßnahmen der Finanzindustrie wurden (und werden) hinter verschlossenen Türen solcher Organisationen wie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (der Zentralbank aller Zentralbanken) oder der Group of Thirty (einer Vereinigung ehemaliger Zentralbanker, Finanzminister und Chefs von Großbanken) vorbereitet, international abgesprochen und anschließend durch die Zentralbanken umgesetzt.

Ob diese Maßnahmen illegal oder illegitim sind? Die Antwort erübrigt sich, wenn man sich die Anzahl von Gerichtsurteilen gegen internationale Großbanken ansieht, bei denen es um den Vorwurf des Betruges ging. Allein gegen die Deutsche Bank laufen zurzeit mehr als 7.000 solche Verfahren. Was die Zentralbanken angeht, so muss man sich nur die Statuten der EZB vornehmen, um festzustellen, dass sowohl der Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen als auch der von Aktien rechtlich nicht zulässig ist.

Besonders interessant für uns Europäer erscheint in diesem Zusammenhang, dass sowohl die EZB als auch die BIZ als exterritoriales Gebiet gelten und ihre führenden Mitglieder juristische Immunität genießen, was sie über geltende Gesetze erhebt. Im Klartext heißt das: Hier haben die an der Konspiration Beteiligten sogar schon Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass ihr Tun und Lassen sie eines Tages vor Gericht bringen sollte.

Wenden wir uns abschließend noch dem letzten Punkt zu: Ist das Handeln der Finanzakteure gegen die staatliche Ordnung gerichtet? Um diese Frage zu beantworten, muss man nur die Lehre aus zwei Jahrtausenden Menschheitsgeschichte ziehen: Nichts hat staatliche Ordnungen stärker untergraben als die Polarisierung von Gesellschaften durch die Zunahme sozialer Ungleichheit.

In diesem Punkt übertreffen die Akteure der Finanzindustrie alles, was die Welt bisher gesehen hat: Noch nie in der gesamten Geschichte der Menschheit hat es eine solche Explosion der sozialen Ungleichheit gegeben wie in unseren Tagen, noch nie war die Kluft zwischen Reich und Arm so groß.

Zusammenfassend kann man also feststellen: Wer gegen Kritiker des Finanzsystems den Vorwurf des „Verschwörungstheoretikers“ erhebt, hat das globale Finanzsystem entweder nicht verstanden oder ist daran interessiert, von seinem wahren Charakter abzulenken: Dass es sich dabei nämlich tatsächlich um eine Verschwörung handelt – und zwar eine von Politik und Mainstream-Medien unterstützte Verschwörung zugunsten derer, die von ihren Vermögen leben können, und zum Nachteil derer, die von ihrer Arbeit leben müssen.

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