Tagesdosis 14.4.2018 – Syrien im Fadenkreuz: Vorgeschobene und tatsächliche Kriegsgründe

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Der bekannte Ausspruch „Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit“ müsste eigentlich „Das erste Opfer vor dem Krieg ist die Wahrheit“ lauten.

Vor allem die USA haben sich als erfinderisch erwiesen, wenn es darum ging, die Welt über ihre Kriegsabsichten in die Irre zu führen. Den meisten Menschen dürften Saddam Husseins nicht vorhandene Massenvernichtungswaffen noch gut im Gedächtnis sein.

Ältere Mitbürger erinnern sich wahrscheinlich auch noch an den „Vorfall“ im Golf von Tonkin im August 1964. Damals behauptete die US-Regierung unter Präsident Johnson, nordvietnamesische Schnellboote hätten zwei US-Kriegsschiffe beschossen und begründete damit ihre Ausweitung des Vietnamkrieges. Jahre später erfuhr die Welt: Den Vorfall hatte es nie gegeben.

Auch der Koreakrieg (1950 – 1953) wurde unter dem Vorwand eines nordkoreanischen Angriffs begonnen. Tatsächlich handelte es sich um die Reaktion Nordkoreas auf zahlreiche gezielte Provokationen seitens der USA und ihrer südkoreanischen Verbündeten. Der anschließende „Hilferuf“ der südkoreanischen Regierung, der das militärische Engagement der USA vor der Weltöffentlichkeit rechtfertigen sollte, erfolgte durch einen Diktator, den die USA ausgebildet und selbst mit an die Macht gebracht hatten.

Seit einigen Tagen präsentieren die USA nun einen Giftgasangriff der syrischen Regierung als Grund für einen Vergeltungsschlag durch die USA und ihre Verbündeten. Dass dabei auf Bilder zurückgegriffen wird, die sogar von zahlreichen Mainstreammedien bereits als Fälschungen entlarvt wurden, passt nicht nur ins Schema, sondern zeigt vor allem eines: Die Verantwortlichen nehmen sich nicht einmal die Zeit, ihre Kriegsvorwände sorgfältig zu konstruieren oder zu belegen.

Vermutlich vertrauen sie der weltweiten Übermacht der Mainstreammedien und dem Einfluss der offiziellen Politik, die einmal mehr alles tun, um die Weltöffentlichkeit von den tatsächlichen Kriegsgründen abzulenken. Dabei gibt es derzeit neben dem angeblichen Giftgasangriff des Assad-Regimes noch ein zweites Thema, durch das die Menschen offensichtlich auf eine falsche Fährte gelockt werden sollen: das Chaos im Weißen Haus.

Angeführt von der Washington Post und dem TV-Sender CNN stellen die US-Massenmedien die Administration Trump als heillos desorganisiert und vollkommen aus dem Ruder gelaufen dar. Sie unterstellen damit, dass die USA unter einer anderen Führung eine andere Politik betreiben würden. Das aber ist mehr als fraglich. So unvorhersehbar viele Schachzüge der Trump-Administration sind, so deutlich ist nämlich ein roter Faden zu erkennen, der sich durch alle politischen Entscheidungen des vergangenen Jahres hindurchzieht: Die Begünstigung der Ultrareichen, die Erweiterung des Einflusses der Wall Street und die immer größere Machtzuweisung an das Militär.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Politik der Demokratischen Partei. Ihre führenden Mitglieder haben weder weniger Einfluss für Banker und Militär, noch größere Zurückhaltung gegenüber Russland und China gefordert, sondern im Gegenteil sogar auf eine Verschärfung der Gangart gedrängt.

Damit sind sich die zwei großen politischen Lager der USA in ihrer aggressiven Außenpolitik weitgehend einig. Das verwundert auch nicht, denn beide dienen dem gleichen Herren, nämlich den 0,1 Prozent, die das Land mit ihrem Geld beherrschen und die derzeit mit einem gewaltigen Problem konfrontiert sind: Der Tatsache, dass sich das System, das sie begünstigt, nach zehn Jahren grenzenloser Manipulation nicht mehr mit den herkömmlichen Methoden aufrecht erhalten lässt.

Nach zahlreichen Runden ungehemmten Gelddruckens und mehr als 700 Zinssenkungen bis hin in negatives Territorium verhalten sich die Finanzmärkte derzeit wie Drogensüchtige, denen ein kalter Entzug droht. Für die Zentralbanken und die Politik bedeutet das aber nicht nur, dass eine Umkehr ausgeschlossen ist, sondern auch, dass sie ihr Pulver weitgehend verschossen haben, denn es gibt außer Gelddrucken und Zinssenkungen keine weiteren Mittel, um das System zu stabilisieren.

Wird die gegenwärtige Geldpolitik jedoch unverändert weitergeführt, so riskiert man eine Hyperinflation oder – auf Grund eines möglichen plötzlichen Vertrauensverlustes – einen Crash. Um beide Szenarien zu vermeiden, gibt es nur einen – sehr heiklen – Ausweg: Einen von den Verantwortlichen am Markt herbeigeführten kontrollierten Crash.

Dieser wird aber erheblich härtere Folgen haben als der Beinahe-Crash von 2008. Er wird mit Sicherheit in die Massenarbeitslosigkeit, den Zusammenbruch kleinerer und mittlerer Banken und Unternehmen, den Bankrott zahlreicher Pensionsfonds und Rentenkassen und eine zeitweilige Unterbrechung sämtlicher Handelsströme führen und damit zu erheblichen sozialen Unruhen führen.

Egal, ob sich die Finanzelite dafür entscheidet, einen Crash abzuwarten oder ihn selbst zu inszenieren – sie muss zur Erhaltung der eigenen Macht unter den gegebenen Bedingungen drei Dinge tun: Die Öffentlichkeit von den wirklichen Problemen ablenken, ihr einen Schuldigen präsentieren und die Menschen in Angst und Schrecken versetzen, um sie zu lähmen und ihnen die Kraft für wirkungsvollen Protest zu nehmen.

Wie die Geschichte deutlich zeigt, hat es den Herrschenden in solchen Situationen oft geholfen, zunächst auf die Androhung und in letzter Instanz auch auf die Entfesselung eines Krieges zu setzen – begleitet von einer massiven Desinformation der Öffentlichkeit.

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