Tagesdosis 14.10.2017 – Ob Katalonien, Frankreich oder Griechenland: Die EU ist wieder im Krisenmodus

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Im Schatten des Konflikts um die katalonische Unabhängigkeit flammten diese Woche innerhalb der EU zwei weitere Krisenherde auf: In Frankreich kam es am Wochenende zu einem Generalstreik gegen die geplante Arbeitsmarktreform von Präsident Macron und in Griechenland wurde bekannt, dass sich auf Grund ungünstiger Wirtschaftsprognosen weitere Einsparungen in Milliardenhöhe abzeichnen.

Beide Entwicklungen sind nur die Spitze eines Eisberges. Macron versucht in Frankreich ein ähnliches Programm wie die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder durchzusetzen. Der daraus resultierende Konflikt mit großen Teilen der arbeitenden Bevölkerung hat seine im Wahlkampf erreichten Popularitätswerte bereits einbrechen lassen und lässt seine Regierung auf ihre erste Zerreißprobe zusteuern.

Schlechter noch als in Frankreich sieht es in Griechenland aus. Die von der Troika erzwungenen Sparmaßnahmen haben große Teile der Bevölkerung in Armut und Elend gestürzt, eine Besserung ist nicht in Sicht. Nun wird auch noch ein Streit zwischen IWF und EU auf dem Rücken der Griechen ausgetragen: Der IWF verlangt von der EU, Griechenland einen Teil seiner Schulden zu erlassen – nicht etwa aus humanitären Gründen, sondern um die Hauptlast der Probleme auf die EU abzuwälzen, da die Kredite des IWF vertragsgemäß von einem Schuldenschnitt ausgenommen sind.

Aber auch im Rest der EU stehen die Zeichen auf Sturm. So wurde diese Woche bekannt, dass sich die nicht bedienten Kredite aller Banken im EU-Raum mittlerweile auf über 1 Billion Euro belaufen. D.h.: Die Banken im Euroraum haben Geld in Höhe von über 1 Billion Euro verliehen, auf das ihre Schuldner weder Tilgungs- noch Zinszahlungen leisten.

Das ganze Ausmaß dieses Desasters wird erst dann deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Europäische Zentralbank seit März 2015 über ein Anleihen-Kaufprogramm bereits mehr als 1,1 Billionen Euro ins System gepumpt hat und dass ihr Zinssatz gegenwärtig bei Null liegt. Da die Zentralbank nur über zwei Notmechanismen verfügt, nämlich das Gelddrucken und das Senken des Zinssatzes, zu dem sie das frisch geschöpfte Geld vergibt, hat sie ihre Möglichkeiten bereits weitgehend ausgereizt.

Sollte die EZB sich entschließen, weiter Geld ins System zu pumpen, vergrößert sie die Blasen an den ohnehin überhitzten Aktien-, Anleihen- und Immobilienmärkten – mit der Folge, dass diese zu platzen drohen. Senkt sie den Zinssatz unter Null, so zerstört sie das klassische Bankgeschäft – das Verleihen von Geld zum Zweck der Erwirtschaftung von Zinsgewinnen.

Ein besonderes Problem stellen zudem die unterschiedlichen Interessenslagen verschiedener Länder dar: So will Deutschland auf keinen Fall mehr über den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM (im Grunde nichts anderes als eine Bank der EU) für weitere Gelder bürgen, die für die Bankenrettung in anderen Ländern benötigt werden und pocht deshalb darauf, dass im Fall der Schieflage einer Bank das Bail-in-Prinzip angewandt wird.

Dieses Bail-in-Prinzip sieht vor, marode Banken nicht mehr wie beim Bail-out mit Steuergeldern zu retten, sondern zunächst Anteilseigner, Inhaber von Anleihen und Aktionäre zur Kasse zu bitten. Das aber hat, wie die Rettung von vier Banken in der Toskana im Dezember 2015 gezeigt hat, einen verheerenden Imageverlust der Politik zur Folge und wird daher von den betroffenen Regierungen rundheraus abgelehnt.

Wie aber wird es weitergehen? In seinem Abschiedsinterview gab der scheidende Finanzminister Schäuble in dieser Woche freimütig zu, dass von den faulen Krediten im europäischen Bankensystem „große Gefahren für die Eurozone“ ausgingen. Gleichzeitig aber bekräftigte er, dass man den Problemen mit der in seinen Augen einzig soliden Politik, nämlich der Austeritätspolitik, begegnen müsse.

Schäubles Vermächtnis an seinen Nachfolger lautet also: Egal, ob Bail-out oder Bail-in, die Lasten der Krise sollen auch in Zukunft nicht von ihren Verursachern getragen werden, sondern weiterhin mittels Einsparungen auf die arbeitende Bevölkerung und damit insbesondere auf die unteren Einkommensschichten abgewälzt werden.

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