Tagesdosis 13.9.2017 – Bundestagswahl 2017: Die heiße Phase beginnt.

Ein Kommentar von Rüdiger Lenz.

Die heiße Phase beginnt.

So titelt mein Mittwochsblatt, dass ich soeben in den Händen halte. Ja, die heiße Phase beginnt: Martin Schulz protzt damit, dass Kanzlerin Merkel ja unter ihm als Kanzler Vizekanzlerin werden kann, sagt aber kurz zuvor, dass man Merkel nur abwählen kann, wenn man die SPD wählt.

Als Nichtwähler, der ich bin, nehme ich den Widerspruch einfach hin, da ich in mühsamer langer Arbeit um das Weltgeschehen herum für mich herausgefunden habe, dass es bei den Menschen letztlich nur um eines gehen kann: um den individuellen Entwicklungsstand.

Und da unterscheiden sich die Kandidaten rundweg mit meinen Bedürfnissen, die ich an die Welt und Kommune stelle. Mir geht es nämlich nicht um Abhängigkeit, um Unmündigkeit und darum, etwas in der Gesellschaft zu werden, dass anhand meines Hauses oder Autos stets und überall Präsenz und Anerkennung findet.

Darum geht es jedoch hier. Die Banken dirigieren die Gesellschaftsziele, sie dirigieren die Kandidaten, den Krieg und die Armut. Das Leiden inklusive. Den Leuten wird eingeredet, dass man das Finanzwirtschaftssystem ändern müsse, dass der Krieg nur durch Verhandlungen beendet werden könne und dass die Kandidaten nur das Wohl der Gesellschaft im Blick haben. Die Bundestagswahlen seien DAS entscheidende Mittel, um.., ja um was denn eigentlich zu erreichen?

Achja. Es geht um das geringere Übel. Das soll gewählt werden. Ich glaube, niemand wählt in einem Markt das geringere Übel in Form von verfaulten Tomaten, gegenüber noch verfaulteren Mohrrüben.

Das würde niemand tun. Nun denn, was hat schon der Verstand an einem so hochkarätigen Tag wie dem der Bundestagswahl zu suchen.

Zur Person der Woche ist die Spitzenkandidaten der Grünen, Katrin Göring-Eckardt gekürt worden. Es bahne sich ein Debakel an. Die Grünen könnten den Einzug in den Bundestag 2017 verpassen. Merkels Politik sei zu grüngeneigt. Wo bleibe da noch Platz für grüne Werte? Zudem sei die Partei eine postideologische Wärmestube der 68er und die würden langsam alt und grau.

Dann der Pädophilen-Skandal, die Hamburger G20-Gewalt-Debatte und die sattsam bekannte Anbiederung mit der Obrigkeit. Aus Turnschuhen, Strickjacke und Ente fahren wurde sein genaues Gegenteil. Es ist die Partei der Porschefahrer mit Hybridmotor geworden, deren Fahrer zu Veggie stehen und den Klimawandel beklagen.

Da haben nicht nur bei Teilen der linken Bevölkerung die Neokonservativen in den Think Tanks der westlichen Wertegemeinschaft ganze Arbeit geleistet. Auch die Grünen haben ihre Farbe gewechselt zu Olivgrün.

Es ist die Unterwürfigkeit aller deutschen Parteien gegenüber ihrem Hegemon, der US-Elite, dem militärisch-industriellen-medialen Komplex. Zu nennen sind die in Deutschland stationierten Atombomben und die Air Base Ramstein, ohne die keine einziger Krieg der USA möglich wäre. Alle Parteien ziehen derzeit, um das Wahlvieh einzulullen, rote Linien, was heißen soll: Seht her, wir sind klar für jenes und klar gegen welches.

Ganz ehrlich? Drauf geschissen, liebe Parteifuzzies! Auch als Nichtwähler lobe ich hier die Linken. Denn sie sind die einzigen die offenbar verstanden haben, dass Frieden alles ist und ohne Frieden alles nicht fortbestehen kann – gar nichts.

Es gibt keine Werte ohne den Zustand des Friedens. Wer das nicht erkennt, ist eben noch nicht auf einem bestimmten, ganz persönlichen Entwicklungsstand angekommen.

Dazu möchte ich eine Geschichte erzählen. Es ist eine Geschichte, die mich zutiefst berührt hat und mir den Abgrund ganz klar vorgeführt hat, auf den wir hier zu rasen. Denn der Frieden ist nicht zu haben ohne seine Wurzel. Der Frieden ist ein Stamm, an dem Äste, Blattwerk und Blüten entstehen. Doch ohne Wurzel entstehen sie nicht. Wie aber entsteht diese Wurzel?

Ich lernte Myro am 6. August 2017 in Hiroshima kennen. Ich wurde eingeladen zur Andacht in die Weltfriedenskirche zu kommen. Ich flog hin. Myro ist ein Mann, der am 6. August 1945 geboren wurde. Er ist eine Legende, ein Heiliger, ein Gotteskind. Die Japaner verehren ihn.

In der Weltfriedenskirche angekommen wurde der Toten gedacht, Reden gehalten. Es wurden Zeremonien abgehalten, Zenmönche erschienen, der Abt zelebrierte einige Rituale und alle Anwesenden befolgten wie Ameisen dem Geschehen.

Dann stand Myro auf. Gemurmel und Gerde, ganz leise. Viele kicherten mit vorgehaltener Hand, freundlich und mit einer Würde, wie ich sie zuvor noch nie erlebt hatte. Myro lächelte und alle lächelten mit. Es war, als würde ganz plötzlich die gesamte Kirche zum Leben erweckt. Auch das Mauerwerk war voller Leben. Myro fing an zu reden. Er redete, als wären alle Anwesenden eine Familie. Immer wenn er mit einer kurzen Erklärung fertig war, verbeugte er sich und alle sagten:
Natsukashidesu. Ich verstand gar nichts, hatte aber einen Kopfhörer umgespannt und die deutsche Übersetzerin übersetzte das mit dem Wort Liebe.

Myro, der nun mit seiner kurzen Rede auch fertig war, setzte sich wieder auf seine Bank und ein lautes OHHHH erfüllte die Weltfriedenskirche. Ich bekam Gänsehaut und grübelte nach, wer Myro denn überhaupt sei.

Als die Trauerfeierlichkeiten zu Ende gingen, musste ich Myro aufsuchen. Ich spürte, dass das genau der Grund dafür war, warum ich bis hierher, nach Hiroshima in die Weltfriedenskirche kam. Er saß unter einem Baum und reparierte gerade ein Fahrrad, dass ihm ein kleines Mädchen gab, weil es kaputt war.

Viele Kinder tummelten sich um ihn herum, spielten und lachten. Einige rannten schnell zu ihm, berührten ihn leicht, kicherten und liefen schnell davon, zumeist zu ihren Müttern, die dann ihre Kinder hätschelten und anlachten. Es schien wie eine Zeremonie zu sein.

Meine Übersetzerin folgte mir und stellte sich mir ihm vor. Sofort lächelte er und fragte mich, woher ich komme und was ich mache. Ich sagte ihm, dass ich aus Deutschland komme und Psychologe sei, eine Praxis leite und Menschen helfe, gesund zu werden. „Gesund zu werden“, antworte er fragend und fing an zu erzählen.

„Ich wurde am Tag des großen Todes geboren. Am Tag als Feuer Wind und Druck meine ganze Stadt verbrannte. Am 7. August fand man mich und brachte mich zu meiner Tante. Sie überlebte als Einzige meiner ganzen Familie. Ich war gerade einen Tag alt. Man fand mich unter meiner Mutter. Sie hatte mich gerade draußen im Park, unter einem Strauch zur Welt gebracht. Haha, das heißt bei euch Mutter.

Meine Haha beugte sich mit aller Kraft so über mich, dass ihr Körper ein unzerbrechlicher Schutz für mich war.

Sie sah was geschah, dass Feuer, Sturm und Druck alles zerstörte, was einmal ihre Stand war. Sie handelte schnell, biss die Nabelschnur durch und beugte sich über mich. So überlebte ich. Ich hatte weder Brandstellen noch wurde ich radioaktiv verseucht. Mir fehlte nichts als sie mich fragten.

Meine Tante erzählte mir später, dass meine Mutter, als sie mit mir schwanger war, jeden Tag von mir erzählte. Sie lächelte unentwegt und konnte es nicht abwarten, mich zu bekommen. Sie sagte immer: Ich will meine Natusukashidesu im Arm halten und ihm das ganze Gesicht abküssen.

So ungeduldig bin, mein Kind endlich zu halten. Mio, so hieß meine Mutter, war das, was ihr in Europa überglücklich nennt. Ich nenne es Liebe, was bei uns in Japan Natusukashidesu heißt.

Meine Mutter, so sagte meine Tante oft zu mir, war voller Liebe zu mir. Es gab für sie nichts was sie glücklicher machte als mit mir schwanger zu sein.“ Jetzt klatschte er vor meinem Gesicht in beide Hände zusammen.

„Verstehst du das, Rüdiger? Verstehst du was passiert ist, am 6. August 1945? Nicht nur meine Mutter wurde an dem Tag getötet und ich geboren. Es wurde ihr ihre Liebe genommen die ich war. Es wurde die Energie der Liebe versucht zu zerstören. Das ist der wahre Grund des Krieges. Krieg ist die Krankheit der menschen, denen man die Liebe geraubt oder zertrümmert hat. Und weißt du was, Rüdiger? Ich bin der glücklichste Mensch der Welt, weil meine Mutter mir diese Liebe gab. Ich bin voll davon. Ihr würdet sagen übervoll davon. Ich bin nicht traurig.

Keinen Tag lang war ich je traurig, denn meine Mutter ist in mir. Die Liebe ist in mir. Das verstehst du doch, oder?

Das ist es was an dem Tag geschah. Die Liebe war todgeweht. Sie war nicht gestorben! Sie gab mir Kraft. Ich lernte nicht in der Schule, ging nie zu einer Arbeit und hörte den gesellschaftlichen Dingen, die den anderen wichtig erschien, nie zu. Ich wusste nie warum ich das sollte. So ging ich einfach durch Hiroshima und tat was ich sah. ich half einfach irgendwem wenn ich sah, das Hilfe nötig war. Und das tue ich bis heute. Ich gebe den Menschen das wieder, was mir meine Mutter schenkte: Liebe. Denn genau deswegen hat sie mich gewollt. Sie liebte mich.

Und das kann auch der 6. August nicht ändern. Die Liebe ist nicht tot zu kriegen,“ sagt er lächelnd und schlägt sich dabei leicht auf sein Oberschenkel. Er fährt fort, „ wie soll ich jemals etwas anderes tun als genau das. Die Liebe hat um mich herum einen Kreis gezogen, in dem die Atombombenexplosion nicht eindringen konnte.

Das war die Botschaft meiner Mutter an mich, ihre Lebensbotschaft. Und diese ehre ich jeden Tag. Ich bin stark wie eine japanische Eiche, weil meine Wurzel von der Liebe erfüllt ist. Sie erst bringt den Frieden. Das weiß hier jeder. Deshalb haben sie mich in der Kirche mit Natusukashidesu geehrt. Das macht hier jeder, wenn er mich sieht oder mit mir spricht. Sie wissen es alle: Der Frieden ist der Stamm der die Liebe als Wurzel braucht. Denn nur so ist die Liebe die stärkste Heilpflanze für alles.

Du bist Psychologe. Weißt du das? Solange die Menschen in ihrem Trott leben und das Drumherum für wichtiger halten als das, was in ihnen ist, solange bleiben sie Geister und sind zu allem bereit. Sie kennen nicht die Liebe, sie verachten ihre Kraft. Weißt du was der Luftwaffenpilot sagte, als man ihn fragte, wieso er die Bombe abwarf? Er sagte, weil es sein Befehl war und „Befehl ist Befehl!“. Das würde jeder Soldat so machen. Daran ist nicht Besonderes. So sagte er es. Er sagte, es sei nichts Besonderes. Das läßt schließen, dass er es als heldenhaft ansah, seinem Vaterland damit zu dienen. Das hat er aber nicht. Er hat der Welt gezeigt, wie weit es schon gekommen ist, wenn die Menschen die Liebe nicht mehr kennen, sie nicht mehr zulassen. Frieden ist ein leichtes Wort und ohne Liebe offenbart es seine trojanische Fratze und wird missbraucht. Wir hier in Hiroshima wissen das. Wir mussten es bitter lernen und erfahren.“

Wir redeten noch Stunden und lachten und weinten. Vor allem bei mir liefen die Tränen nur so herunter. Mal aus tiefster Freude, dann aus Scham und auch aus Trauer. Wie weit haben wir es doch gebracht. Jetzt stehen Wahlen an und die Kandidaten ziehen rote Linien. Würde Myro das mitbekommen, so würde er in Scham versinken, ob der Ignoranz der wichtigsten Aufgabe nach 1945.

Die Liebe in allem wieder zu finden, um den Frieden ins Zentrum des menschlichen Verhaltens zu rücken. Das ist die Fleisch gewordenen Antwort auf den größten Massenmord in der Geschichte der gesamten Menschheit: Die Bombe wurde nie in Hiroshima gezündet. Es wurden auch keine Japaner dabei getötet.

Die Wahrheit ist viel schlimmer, viel grausamer, viel unfassbarer, denn sie wird durch Rassismus getrennt, so dass wir sie nicht erkennen können. Die Menschen töteten Menschen, weil sie die Liebe zu sich als Mensch und zu den anderen als Menschen verloren haben. Deshalb können Menschen überhaupt tötet.

Ein Mensch, der Liebe fähig, ist nicht im Stande, einem Mensch Leid zuzufügen. Das haben wir verloren und wir tun nichts, rein gar nichts dafür, diese uns alle heilende Kraft wieder zu erlangen. In Deutschland erschlagen wir Solche, die das tun.

Nicht mit dem Knüppel, aber mit Worten, mit Karriereentzug, mit Neusprech und mit einer ungeheuren Energie von Ignoranz, ihrem Leid gegenüber, sich als ausgegrenzt zu fühlen; das ist Folter.

Die anstehende Bundestagswahl wird daran nichts ändern. Denn sie hat diese Ignoranz im Programm. Sie bemerkt sie nicht einmal. Sie verdienen das Mitgefühl der Liebe von uns, so wie es Myro jeden Tag in Hiroshima vollbringt. Wenn das alle täten, dann würde er als ganz normaler Mensch angesehen. Nicht als Heiliger und als ein japanischer Messias. Myro drückt in die Wunde der gesamten Menschheit und hat die Gabe, sie sofort und augenblicklich zu heilen. Mit der Kraft der Liebe, die ihm seine Mutter als Vermächtnis gab.

Wenn wir aufhören an solche Wunder zu glauben, an ihnen mitzuwirken, dann verlieren wir alles was wir haben. Vieles davon haben wir schon verloren.

Geht meinetwegen wählen, auch wenn ich das nicht tue, weil Wahlen einfach nichts mehr mit mir zu tun haben. Wählt aber auch euch, mit der Kraft der Liebe, die fähig ist, eine ganze Welt zu leiten.

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