Tagesdosis 11.3.2019 – Die EZB: Mit Vorsatz in die Katastrophe

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Die Europäische Zentralbank EZB hat in der vergangenen Woche bekanntgegeben, dass sie den Leitzins bis ins Jahr 2020 bei Null belassen wird. Außerdem hat sie angekündigt, ab September 2019 zum dritten Mal nach 2014 und 2016 zinsfreie Langfristdarlehen mit einer Laufzeit von zwei Jahren auszugeben. 

Mit diesem erneuten Kurswechsel reagiert die EZB auf die sich abzeichnende Rezession in der Eurozone. Nachdem sie im vergangenen Jahr begonnen hat, ihre Geldpolitik zu straffen, macht sie nun den Weg frei für eine Fortsetzung der Politik des „lockeren Geldes“.

Damit demonstriert die EZB ihre Entschlossenheit, das Euro-System weiterhin künstlich am Leben zu erhalten – so wie sie es seit der Eurokrise getan hat, indem sie über eine Billion Euro geschaffen, die Zinsen bis auf Null gesenkt und taumelnde Staaten, Großbanken und Konzerne zusätzlich durch Anleihen- und Aktienkäufe über Wasser gehalten hat.

All diese Notmaßnahmen wurden der breiten Öffentlichkeit als vorübergehend und zur Ankurbelung der Wirtschaft notwendig verkauft. Tatsächlich aber dienten sie dazu, das im Grunde zusammengebrochene System im Interesse derer, die von ihm profitieren, am Leben zu erhalten.

Die Durchsetzung dieser Maßnahmen aber brachte ein neues Problem mit sich: Die Profiteure nutzten die immensen Summen billigen Geldes nämlich nicht, um das System zu stabilisieren, sondern setzten sie zur erneuten Spekulation ein und schufen so immer größere Blasen an den Finanzmärkten, die mittlerweile zu platzen und das System endgültig zu zerstören drohen. 

Um dieser Gefahr vorzubeugen, hat die EZB im vergangenen Jahr eine „Straffung“ ihrer Geldpolitik angekündigt, die sie nur durch eine Verringerung des Geldflusses und eine Erhöhung des Leitzinses herbeiführen kann. Dass sie nun beschlossen hat, diesen bei Null zu belassen und sogar neue Langfristdarlehen auszugeben, zeigt, dass sie diese Pläne über Bord geworfen hat. Warum?

Aus einem simplen Grund: Das gesamte Eurosystem ist inzwischen – ähnlich einem Drogensüchtigen – von den Geldinjektionen der EZB abhängig und kann ohne diese nicht mehr existieren. Damit aber rückt die Eurozone immer näher an den Rand des Abgrundes, denn wir erleben zurzeit die ersten Vorboten einer Rezession, also einer kräftigen Abschwächung des Wirtschaftswachstums. 

Sobald diese Rezession sich voll entfaltet, bleibt der EZB aber nur ein Mittel: Sie muss gegensteuern und die Zinsen senken. Da der Leitzins jedoch bereits bei Null liegt, wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als ihn unter Null zu drücken, also Negativzinsen einzuführen.

Diese Negativzinsen, bei denen der Schuldner weniger zurückzahlen muss als er sich leiht, werden dazu führen, dass noch mehr geliehenes Geld als bisher in die Finanzmärkte fließt und die Blasen noch weiter an Umfang zunehmen. Das kann nur bewirken, dass sie irgendwann von alleine platzen oder dass die Gläubiger beim nächsten Versuch der EZB, die Geldpolitik zu straffen, ihr verliehenes Geld massenweise zurückfordern und ihre Schuldner damit zu Hundertausenden in Zahlungsschwierigkeiten bringen werden. 

Zusätzlich werden Negativzinsen eine Verschärfung des Feldzuges der Banken gegen das Bargeld nach sich ziehen, da die Menschen ihre Bankkonten reihenweise räumen werden. Außerdem werden Negativzinsen die Altersarmut weiter ansteigen lassen, da erspartes Geld ja keine Erträge mehr bringen, sondern nach und nach dahinschmelzen wird.

Die wichtigste Folge aber wird die zusätzliche Verstärkung des zurzeit gefährlichsten globalen Trends sein: Da die Flut billigen Geldes einzig und allein vermögenden Investoren zugute kommt, wird sie den Abstand zwischen Arm und Reich noch weiter als bisher vergrößern. 

Die Rückkehr der EZB zur lockeren Geldpolitik der vergangenen Jahre legt also die Grundlage dafür, dass wir in der vor uns liegenden Rezession nicht nur mit tiefgreifenden wirtschaftlichen und finanziellen, sondern auch mit erheblichen sozialen und politischen Verwerfungen rechnen müssen. 

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