Tagesdosis 11.10.2017 – Die Wahl in Österreich für Dummies (Podcast)

Ein Kommentar von Stephan Bartunek.

Österreich wählt am kommenden Sonntag und nachdem diese Wahl wohl spätestens am Montag auch in der Berichterstattung in Deutschland präsent sein wird, hier ein Leitfaden um unsere politische Landschaft, leicht verkürzt, etwas durchschauen und verstehen zu können.

Den Wahlsieg, den Kampf um die Köpfe und Herzen der Wähler, wird wohl die ÖVP gewinnen- pardon, die neue ÖVP wie sie doch jetzt heißt. Die Parteifarbe wurde auch kurzerhand gewechselt, man trägt jetzt nicht mehr schwarz sondern gibt sich türkis. Durchgesetzt hat das Sebastian Kurz, der auch den Beinamen Basti Fantasti trägt. Der junge Mann ist mit noch jüngeren Jahren in die Partei eingetreten und ist hier die Karriereleiter hochgerutscht.  Natürlich, wie in Österreich üblich, mit viel Vitamin B, so hat Sebastian Kurz doch die Tochter unserer ehemaligen Finanzministerin zur Lebensgefährtin.

Aufgefallen ist er schon im Wiener Wahlkampf 2010 als er mit dem „Geilomobil“, einen schwarzen Hummer, flankiert von leicht bekleideten Damen, durch die Straßen in Wien kurvte. „Schwarz macht geil“ war damals der von Sebastian Kurz erdachte Slogan. Die Wahl endete für die ÖVP mit einem katastrophalen Ergebnis und vielleicht auch deshalb jetzt die Farbe türkis. Der Geilheit zuliebe.

Ausgerichtet ist die ÖVP bei uns ähnlich wie die CDU/CSU in Deutschland – nur mit geschlossener rechter Flanke. Gibt man sich zwar gerne als „liberal“ so ist man trotzdem stramm rechts, von christlich sozial oder konservativ ist hier nichts mehr zu spüren.

Als linke oder liberale Position könnte man vielleicht noch die zelebrierte Islam-Kritik von Sebastian Kurz verstehen, aber nachdem hier explizit gegen eine Religion vorgegangen wird ist es dann wohl doch eher der klassische Rassismus mit dem Wahlkampf betrieben wird.

Erfolgreich ist mit diesem Rezept auch die FPÖ: Generell macht diese Partei bei dem laufenden Wahlkampf alles richtig und überrascht mit einer Professionalität die sich auch in den Wahlkampfvideos zeigt. Da hat man es sogar geschafft, eine humorvolle Note einzubringen, was gerade bei einer Partei, die so von deutschnationalen und stockkonservativen Burschenschaften dominiert wird, wirklich sehr überrascht. Ihre Hauptthemen, nämlich Kritik an der Migration und dem Islam konnte die Partei aber nicht so vehement durchsetzen, die wurden nämlich schon von der neuen Volkspartei unter der Leitung von Sebastian Kurz übernommen.

Ob man die FPÖ direkt mit der AfD vergleichen kann ist eine schwierige Frage. In dem Bezug muss man der FPÖ zugute halten, dass sie sich noch nicht so stark der Marktradikalität verschrieben haben wie die AfD.

Von den Arbeitern als Klientel aber hat sich die FPÖ eigentlich auch schon verabschiedet. Man spricht sich zum Beispiel vehement gegen eine Erbschaftssteuer aus und schafft es sogar, den arbeitenden Menschen zu verklären, dass diese doch auch sie betreffen würde.

Über die realen Eigentumsverhältnisse in Österreich wird halt einfach geschwiegen. Die reichsten fünf Prozente der Haushalte halten bei uns mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens, die ärmste Hälfte der Bevölkerung besitzt gerade einmal zweieinhalb Prozent des Gesamtvermögens.

Aber wozu sich darüber empören wenn es doch Flüchtlinge und den Islam gibt?

Jetzt kann man sich doch denken, wo bleibt denn bei Euch die Linke liebe Österreicher?

Nun ja, die gibt es bei uns nicht. Wir haben zwar eine KPÖ+ ,eine kommunistische Partei, die in Deutschland, im Gegensatz zur rechtsextremen NPD verboten ist. Aber diese ist nicht wirklich relevant. Und die größere Partei, bei der man einigermaßen zum Teil noch linke Inhalte vermuten könnte ist die SPÖ, das Pendant zur SPD in Deutschland.

Aber diese hat auch ein ähnliches Problem wie die SPD in Deutschland, man wird aufgerieben zwischen Konzernmächten, damit verstrickten Massenmedien und neoliberalen Ansätzen die in der SPÖ Fuß gefasst haben. War das größte Dilemma bei der SPD in Deutschland aber noch der farblose und mutlose Spitzenkandidat Martin Schulz, so ist es bei uns in Österreich für die SPÖ ein vollkommen verpatzter Wahlkampf.

Knapp zusammengefasst ist folgendes passiert, nämlich, dass man sich einen Berater aus dem Ausland hat kommen lassen, der sich unter anderem auch auf Dirty Campaining spezialisiert hatte. Der hatte einen genialen Plan ausgedacht, nämlich, dass man über soziale Medien doch ordentlich den Spitzenkandidaten der ÖVP anschütten könnte um das dann aber gleich so aussehen zu lassen, als würde die FPÖ dahinter stecken. Womit man aber in den Hinterzimmer der Partei nicht gerechnet hatte war, dass aus den eigenen Reihen ein Mensch überlaufen wird um dann die Boulevardmedien mit sämtlichen Material und Informationen aus dieser Kampagne Stück für Stück zu versorgen.

Genau das ist vor ein paar Wochen passiert, die Wahlschlacht war somit verloren, inhaltlich konnte die SPÖ keine Themen mehr setzen und hängt immer noch in der totalen Rechtfertigung.

Wie es Prognosen zeigen, sofern man denen noch glauben schenken will, wird die SPÖ auf dem dritten Platz landen. Vor einem Jahr führte sie noch in den Umfragen.

Neben den gerade beschrieben Großparteien gibt es in Österreich noch zwei andere Parlamentsparteien die gerade um ihre weitere Legislaturperiode zittern.

Zuerst hätten wir hier, wie es sie auch in Deutschland gibt „die Grünen“. Bei uns noch weniger von Transatlantikern durchsetzt, aber von den ursprünglichen Themen der Grünen auch sehr weit entfernt. Kein Antimilitarismus mehr, kein Pazifismus mehr. Ein Ausscheiden aus dem Parlament wäre für viele anständige Grüne aus der Basis zwar bitter, aber für die Parteispitzen doch mehr als verdient.

Die NEOS, eine neoliberale Splittergruppe der ÖVP, in Deutschland wohl mit der FDP zu vergleichen, könnte vermutlich auch nicht mehr im Nationalrat sitzen, wenn es für sie schlecht und den Rest von Österreich gut läuft.

Aussichtsreich für einen Einzug in das Parlament sieht es noch für die neu gegründete Liste „Peter Pilz“ aus. Peter Pilz ist ein Urgestein der Grünen, der sich aber aus seiner Partei verabschiedet hatte um seine Vorstellung von Populismus ungeniert ausleben zu können. Nämlich die Verteidigung der Heimat auszurufen und die Feinde auch klar zu benennen. Einerseits die Rechten, die Europa zerstören wollen um dann aber auch ungeniert auch gleich deren Themen zu besetzen um den größten der Feinde ausmachen zu können, nämlich fremde Kulturen und insbesondere den politischen Islam.

Auch hier gibt sich etwas progressiv, was eigentlich zutiefst reaktionär ist, denn nicht die Religions- oder Ideologiekritik allgemein, sondern die Kulturkritik speziell führt den Diskurs. Diversität und Schutz von Minderheiten ist nicht mehr en vogue und es ist der politischen Rechten eben perfekt gelungen tief in die allgemeine Themensetzung einzudringen.

Wirklich erfrischend in diesem deprimierten Morast ist die Bewegung von dem österreichischen Kabarettisten Roland Düringer, die es auch als einzige Partei per Unterstützungserklärungen aus der Bevölkerung auf den Stimmzettel geschafft hat.

Alleine über soziale Medien und persönliche Netzwerke ist es gelungen eine breite Mobilisierung zu schaffen und so auch Themen, wie eine Neugestaltung der festgefahrenen Verhältnisse der repräsentativen Demokratie anhand von Bürgerparlamenten, zu setzen. Roland Düringers Projekt richtet sich explizit an Nicht- und Protestwähler. Ob es die Bewegung, die unter dem Namen

„G!LT“ bekannt ist aber tatsächlich in den Nationalrat schafft steht in den Sternen. Von den Massenmedien wird dieses Projekt konsequent ignoriert und wenn berichtet wird, dann nur in negativen Zusammenhängen. So haben sich Journalisten dazu hinreißen lassen, ungeprüft, über Twitter einen Skandal zu übernehmen der behauptete, dass der Spitzenkandidat der Liste „Roland Düringer“ die antisemitischen Fälschungen „Die Protokolle der Weisen von Zion“ auf seiner Homepage per PDF verbreite. Das war sogar richtig, aber in typischer Art und Weise der Lückenpresse wurde eben konsequent verschwiegen, dass Günter Lassi auch ein kritische Schrift zu den Protokollen veröffentlicht hatte, die diese eben als das benennen was sie sind: eine antisemitische Fälschung. Dass er auch antifaschistische Schriften von Wilhelm Reich auf seiner Seite präsentierte, hatte wohl auch keinen journalistischen Wert. Die Meinung steht nun mal über den Fakten und es gilt wohl, dass Kritik an den herrschenden politischen Verhältnissen nicht aus der Bevölkerung kommen darf.

Sollte die Bewegung von Roland Düringer aber tatsächlich in das Parlament einziehen, so wäre das eine Sensation wie man es in Spanien mit den Podemos, in Italien mit Peppe Grillo oder in der isländischen Hauptstadt Reykjavik mit Jon Gnarr hatte.

So finster die Zeiten auch scheinen, so sehr sich Rekationäre, Rassisten, Marktfanatiker und Kulturkämpfer auch gestärkt fühlen, so sehr sich die Politik von Wirtschaft und deren Appendix den Massenmedien auch vorantreiben lassen, so wächst auch aus den Bevölkerungen ein wichtiger und längst notwendiger Widerstand dem sich auch Künstler und Intellektuelle anschließen.

Für Österreich und auch den Rest der Welt gilt, es kann trotzdem nur besser werden – auch wenn es noch ein bisserl dauern wird.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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