Tagesdosis 1.2.2018 – BRDDR: die Endsorgung des Sozialstaats

Ein Kommentar von Bernhard Loyen.

Der Jahresbeginn 2018 präsentiert sich trist und grau. Symptomatisch für eine Stimmungslage in unserem Land, die immer öfters geprägt ist von mangelndem Sonnenschein in der Seele.

Die dunklen Schatten resultieren aus einer schwierigen Gegenwart und der großen Unsicherheit über die Zukunft. Ratlosigkeit wird zu einer festen Konstante. Viele Menschen können die Gründe klar benennen, aber finden schlicht keinerlei Lösungsansätze. Trister Alltag mit grauen Gedanken. Resignation. Zorn. Wut.

Die Sorgen und Nöte in diesem Land sind hausgemacht. Sie sind Ergebnis eines Prozesses von politischen Entscheidungen, die kontinuierlich seit der sog. Deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 gnadenlos durchgezogen wurden. Die größte Hürde dieses menschenverachtenden Systems war die Existenz der DDR. Zünglein an der Waage zweier politischer Systemblöcke. Irgendwann überflüssig, dann vorsätzlich zerstört und ausgenommen. Das dabei auch Millionen Biografien pulverisiert wurden, war diesem System bewußt und egal. Das individuelle Schicksal hat im Kapitalismus keinerlei Wert, ausser als potentielle Kaufkraft. Ist der Mensch dazu nicht mehr in der Lage wird er bestraft, durch gesellschaftliche Missachtung und Ächtung.

Inzwischen gibt es genügend Literatur die belegt, die DDR war nicht pleite.[1] Sie störte. Sie war schlicht unmittelbarer Konkurrent, das Gegenmodell eines gierigen und gnadenlosen Nachbarn, der aber gar nicht zur Familie gehören wollte. Die Mär von den Brüdern und Schwestern wurde medial zelebriert. Die Mauer in den Köpfen, zumindest bei älteren Jahrgängen Ost, wie West ist immer noch existent und betoniert. Ein aktueller Zeit-Artikel wird überschrieben mit: Das macht Frust, die Politikerin Petra Köpping aus Sachsen reist jetzt in den Westen, um dort von den Seelennöten des Ostens zu erzählen. Ist das eine neue Form der Ost-Emanzipation – oder nur das alte Jammern?[2] Aufschlussreich.

Es war nicht alles aus Gold, was glänzte ab 1989. Lernprozesse. Woher und woraus resultieren so viel Wut und Resignation im Osten Deutschlands? Biografische Erfahrungswerte? Jahrgangsbedingte Vergleichsmöglichkeiten? Ist die aktuelle gesellschaftliche Wut ein rein ostdeutsches Phänomen, oder wird es medial so dargestellt?

Das Volk wählt seine Volksvertreter. Es ist die allbekannte Taktik der Kapitalinteressen, jede Organisation die politisch auf sich aufmerksam macht zu beobachten, zu unterwandern, umzudrehen, siehe SPD & Grüne und am Ende unglaubwürdig zu machen, siehe die Linke. Dann gibt es noch die fleißigen Helfershelfer, die Systemlinge , siehe CDU & FDP und schon sind wir in der Gegenwart. Ein aktuell sehr lesenswerter Beitrag von Volker Bräutigam auf Rubikon trägt die Überschrift: Die Farce-Demokratie. Zwei treffende Zitate, aus einer exquisiten Bestandsaufnahme:

Der Kapitalismus erlaubt keine Demokratie. Sie widerspricht seinem Wesen diametral und endet letztlich, wo Kapitalinteressen walten, also zum Beispiel vor jedem Fabriktor, vor jedem Bankeingang – und allemal vor dem Berliner Reichstag. Sowie, 70 Prozent der Bevölkerung sind gegen die Rente mit 67 und gegen die Hartz-Gesetze. Aber 80 Prozent unseres demokratisch gewählten Parlaments stimmten dafür. Drei Viertel der Deutschen sind gegen unsere Kriegsbeteiligung in Afghanistan und andernorts in der Welt. Aber unsere demokratisch gewählten Volksvertreter stimmten mit gleicher Mehrheit für den Krieg.[3]

Nun gibt es seit geraumer Zeit eine vermeintliche Alternative – die AFD. Die Stimme des enttäuschten Ostdeutschen? Das Sprachrohr des kleinen, abgewickelten frustrierten Bürgers? Warum gibt es die AFD? Wem dient sie? Woraus resultiert dieses Wutverständnis einer durch und durch westdeutsch besetzten Führungsriege?

Ist ihnen schon mal aufgefallen, dass annähernd alle aktuell kritischen Stimmen konservativer, bis nationalgetränkter Natur mit alt bundesrepublikanisch geprägter Biografie behaftet sind? Thilo Sarrazin, Bernd Höcke, Alice Weidel, Hendrik M. Broder, Michael Wolffsohn, Jürgen Elsässer, Götz Kubitschek nebst Gattin, Albrecht Glaser.

Am Montag hat Susan Bonath sehr ehrlich ihre persönliche Stimmungslage in der Tagesdosis dargelegt. Wenn man die Forenbeiträge, speziell auf Youtube, sich durchließt, erkennt man im kleinen Rahmen, wie zerissen dieses Land ist. Nach heutigen Parametern: 457 Likes und 480 Dislikes. Es stimmt einen sehr nachdenklich.

Welche Kräfte in diesem Land sind die wahren Stimmungsmacher? Momentan reicht es ja noch nicht mal zum Unterhaltungsorchester, inkl. Chefdirigentin. Der Tourneeplan für die kommenden vier Jahre hat noch keine endgültige Setliste, geschweige denn die notwendigen Erfüllungsgehilfen. Wir sollten gemeinsam aufpassen, dass wir nicht in seelendissonante Zeiten verfallen.

Der Mensch, der nicht Musik hat in ihm selbst,
Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt,
Taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken
Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht,
Sein Trachten düster wie der Erebus,
Trau’ keinem solchen! – Horch auf die Musik!

– William Shakespeare –

Quellen

[1] – https://www.ebook.de/de/product/22648222/vladimiro_giacche_anschluss.html

[2] – http://www.zeit.de/2018/05/petra-koepping-ostdeutschland-tour-westdeutschland#comments

[3] – https://www.rubikon.news/artikel/die-farce-demokratie

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