Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident: Aus der Perspektive von Grund- und Menschenrechten „eine Katastrophe“

Frank-Walter Steinmeier gilt als der beliebteste Politiker in Deutschland. Jetzt wurde der Außenminister von der Union als Bundespräsidentschaftskandidat aufgestellt – viele zeigen sich erleichtert. Die Kanzlerin lobte den SPD-Politiker: Steinmeier sei ein “Signal der Stabilität”. Doch es gibt auch Kritiker, die meinen: Aus der Perspektive von Grund- und Menschenrechten wäre Steinmeier “eine Katastrophe” als neues deutsches Staatsoberhaupt.

Von Sonja Ozimek.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte die Ernennung Frank-Walter Steinmeiers als Bundespräsidentschaftskandidaten.

„Gerade in Zeiten weltweiter Unruhe und Instabilität“ sei Steinmeier ein „Signal der Stabilität“, meint Merkel. Die Kanzlerin lobt den SPD-Politiker und Außenminister als „Mann der politischen Mitte“, der in Wirtschaft und Gesellschaft sowie im In- und Ausland geachtet werde. „Ich kenne ihn als einen verlässlichen und immer auch auf Ausgleich und Lösungen ausgerichteten Politiker“, so die Kanzlerin.

Dass Steinmeier als Bundespräsidentschaftskandidat aufgestellt wurde, kann gleichzeitig als eine Weichenstellung für eine Neuauflage der schwarz-roten Koalition betrachtet werden.

Der SPD-Mann wird von vielen gelobt. Umfragen zufolge, ist Steinmeier der beliebteste Politiker in Deutschland. Aber es gibt auch Kritiker: Medienberichten zufolge ist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble einer von ihnen. Steinmeier als Bundespräsident, sei eine „Niederlage“ für die Union, soll Schäuble gesagt haben.

Steinmeier „aus Perspektive von Grund- und Menschenrechten eine Katastrophe“

In einem Kommentar auf der Webseite „Netzpolitik“ heißt es: Aus der Perspektive von Grund- und Menschenrechten, wäre Frank-Walter Steinmeier „eine Katastrophe“ als neues deutsches Staatsoberhaupt.

Der Grund: Steinmeier hatte den Datenaustausch zwischen BND und NSA im Jahr 2002 als damaliger Kanzleramtsminister abgesegnet. Als er aber später im NSA-Untersuchungsausschuss zum Thema aussagen musste, konnte er sich an „nichts mehr erinnern“.

In 2004, soll der Minister die „Operation Eikonal“ gebilligt haben. Dabei wurde der amerikanischen National Security Agency (NSA) Zugang zum Internetknoten DE-CIX gewährt. Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR belegten den Skandal. Damals wurden massenhaft Grundrechte verletzt.

In dem „SZ“-Bericht heißt es:

NSA und BND arbeiteten in der „Operation Eikonal“ jahrelang zusammen, um Internetdaten und Telefonverkehr in Frankfurt abzufangen. Dass dabei Daten von Bundesbürgern rechtswidrig in die USA gelangten, nahm die Bundesregierung in Kauf. Abgesegnet hat die Sache ein Mann, der auch heute Minister ist“.

Der Minister, von dem im Bericht der Süddeutschen Zeitung die Rede ist, ist Frank-Walter Steinmeier.

Murat Kurnaz viereinhalb Jahre unschuldig in Haft

Zudem wird Steinmeier vorgeworfen, er habe im Umgang mit mutmaßlichen Terrorverdächtigen auch Folter in Kauf genommen.

Im Jahr 2002 soll der damalige Kanzleramtsminister die Auslieferung von Murat Kurnaz aus Guantanamo nach Deutschland verhindert haben. In dem Abschlussbericht des CIA-Untersuchungsausschusses des Europaparlamentes heißt es, dass die deutsche Bundesregierung 2002 ein Angebot der Vereinigten Staaten, Kurnaz freizulassen, ausgeschlagen hatte.

Und das, obwohl, die Geheimdienste beider Staaten von Kurnaz’ Unschuld überzeugt waren. „Wir konnten nichts nachweisen“, sagte damals Uwe Picard, Staatsanwalt aus Bremen, zur Überprüfung von Murat Kurnaz’ angeblichen Verbindungen zum Terrorismus, berichtete Amnesty International.

Zudem wurde in einem freigegebenen vertraulichen Dokument des Militärischen Geheimdienstes CITF („Command Information Task Force“) festgestellt: „CITF hat keine (…) Hinweise, wonach der Häftling eine Verbindung mit Al Qaida hätte oder irgendeine spezifische Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellen würde.“

Im Juni 2004 traf der Oberste Gerichtshofs der USA die Entscheidung, dass das Gefangenenlager in Guantanamo unter die Gerichtsbarkeit der US-Bundesgerichte fällt.

Im Januar 2005 veröffentlichte die Bundesrichterin Joyce Hens Green eine Entscheidung bezüglich eines Sammelverfahrens über die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung von Kurnaz und 50 weiteren Guantanamo-Häftlingen. Sie kam zu dem Schluss, dass die Inhaftierungen die Genfer Konvention und die US-Verfassung verletzten, berichtete „AI“ damals.

Demnach stellte sie im Fall von Murat Kurnaz darüber hinaus fest, es gäbe keine Beweise, dass Kurnaz „selber ein Selbstmordattentat plante, den bewaffneten Kampf gegen die Vereinigten Staaten aufnehmen wollte oder sonst wie beabsichtigte, amerikanische Interessen anzugreifen.“

Bei der Entscheidung eines Militärtribunals (das „Combat Status Review Tribunal“), ihn als „feindlichen Kämpfer“ einzustufen, wären zudem entlastende Beweismittel nicht berücksichtigt worden.

Trotzdem verblieb Kurnaz ohne Anklage bis 2006 im umstrittenen US-Straflager Guantanamo auf Kuba.

Laut Amnesty berichtete Kurnaz nach seiner Freilassung von Folter und grausamer Behandlung, die er nach seiner Festnahme in Afghanistan und während seiner Haft in Guantanamo erlitt. Unter anderem sei er in Afghanistan mit Elektroschocks gefoltert und sein Kopf in einen Eimer mit kaltem Wasser getaucht worden. In Guantanamo sei er nach einem Verhör, in dem er sexuell gedemütigt worden war, geschlagen und anschließend isoliert worden.

„Großer Makel“ auf Steinmeiers politischer Biografie

Bernhard Docke, Rechtsanwalt von Murat Kurnaz, sagt gegenüber „Netzpolitik“, dass auf Steinmeiers politischer Biographie ein „großen Makel“ läge. Dieser gehöre beseitigt, bevor er das höchste Amt im Staate antreten könne. Der Außenminister solle sich mit Murat Kurnaz persönlich auseinandersetzen, fordert der Anwalt. Dem zu unrecht gefangenen sei nicht nur die politische Unterstützung Steinmeiers versagt worden, der Politiker hätte auch gelogen.

Steinmeier war auch in die umstrittene Gefangenschaft von Mohammed Zammar verwickelt. Bei Menschenrechtsgruppen hatte ein Bericht in 2005 Empörung ausgelöst. In dem hieß es, dass deutsche Ermittler den Terrorverdächtigen Zammar in einem syrischen CIA-Gefängnis verhört hatten – wo er unter unwürdigen Bedingungen gefangen gehalten worden sei. Dies geschah offenbar im Wissen des Bundeskanzleramtes, und damit auch im Wissen Frank-Walter Steinmeiers.

Die Rechtsanwältin Gül Pinar, die Zammars Familie in Deutschland vertreten hatte, warf der Bundesregierung damals „eindeutige“ Lügen vor, berichtete „Der Spiegel“. Die deutschen Behörden hätten Zammars Familie erzählt, sie wüssten nicht, wo er sei, und hätten keinen Zugang zu ihm – diese Angaben entsprachen jedoch nicht der Wahrheit.

Steinmeiers Hartz 4 und der Drohnen-Krieg

Frank-Walter Steinmeier gilt auch als Hartz 4-Architekt und setzte sich 2013 für das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverleger ein. Im selben Jahr geriet er wegen Plagiatsvorwürfen bei seiner Doktorarbeit ins Zwielicht. Die Vorwürfe wurden von der Universität Gießen zurückgewiesen – Steinmeier durfte seinen Doktortitel behalten.

Deutschlands neuer Bundespräsidentschaftskandidat verteidigt auch den Aufenthalt von US-Truppen auf deutschem Staatsgebiet. Dies zu untersagen, wäre kein angemessener Umgang unter Partnern, so Steinmeier. Außerdem wäre dies aus Sicherheitssicht „unverantwortlich“.

Zu den Snowden-Enthüllungen rund um das Ausmaß der NSA-Überwachung und die Rolle US-amerikanischer Einrichtungen im geheimen Drohnen-Krieg, meinte Steinmeier Mitte 2016: Was solle Berlin mehr erhalten als die Versicherung von US-Präsident Barack Obama, dass vom US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz keine Drohnenangriffe „gesteuert“ würden. Man habe ja auch keine tragfähigen Anhaltspunkte, diese Zusage von ganz oben anzuzweifeln.

Und das obwohl der frühere US-Drohnenpilot Brandon Bryant in einem Gremium angab, dass Ramstein als zentrale Relaisstation für Tötungsmissionen aus der Luft diene. (Siehe: Whistleblower klagen an: Obamas Drohnenkriege „Rekrutierungsprogramme für Terroristen“.)

Zum Abhörskandal sagte Steinmeier: „Wir haben uns bemüht, gemeinsam mit den Amerikanern Konfliktherde in der Welt zu entschärfen“. Diesen Ansatz dürfe man „nicht vermengen mit dem Ärger darüber, dass ich möglicherweise selbst abgehört wurde“. Und: Die USA habe versichert, dass sie „Direktzugriffe auf Telefone deutscher Politiker nicht mehr im Sinn habe. Sehr viel weiter werden unsere Aufklärungsmöglichkeiten wohl nicht mehr gehen.“

Dieser Beitrag erschien in der EPOCH TIMES am 15.11.2016.

Dank an die Autorin für das Recht zur Zweitverwertung.

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