STANDPUNKTE • Militär oder Dialog – Truppen oder Entwicklung?

Mali zwischen Terrorismus & Drogen-Mafia, ländlichem Aufruhr & sozialer Revolte.

Ein Standpunkt von Georges Hallermayer.

Die Situation in Mali ist trotz massiver internationaler „Hilfszahlungen“ und des Einsatzes von einigen zehntausend Anti-Terror-Kämpfern nach wie vor instabil. Das nordafrikanische Land macht ähnliche Erfahrungen wie andere von Djihadisten terrorisierte Regionen: Der dschihadistische Terror kann nicht alleine mit militärischen Mitteln besiegt werden, Investitionen in Wirtschaft, Sozial- und Bildungswesen sind zumindest ebenso wichtig.

Djihadismus – Anstoß zum Neokolonialismus 2.0

Vor dem Hintergrund geschrumpfter französischer Investitionen und eines massiv gesunkenen Handelsvolumen auf der einen Seite, den beachtlichen Infrastrukturinvestitionen Chinas und seit 2011 größter Handelspartner des Kontinents auf der anderen Seite, stand der französische Imperialismus vor der Herausforderung, eine Tendenzwende zu erzwingen und seine Dominanz (wieder) zur Geltung zu bringen. Der beispiellose Weg der VR China aus Armut, Abhängigkeit und Unterentwicklung gilt in Westafrika als Entwicklungsmodell, noch vor dem „american way of life“ und dem „Black Empowerment“ Südafrikas – in Mali (und Niger) sahen das für Europäer unvorstellbare 80 % der Bevölkerung, in Nigeria sogar 83 %“ – eine geostrategische Herausforderung ersten Ranges.

Die panafrikanische Führungsmacht Libyen und ihr „grüner Weg“ war 2011 kaum zerstört, da gab dem französischen Präsidenten Francois Hollande in Mali ein Militärputsch 2012 in der Hauptstadt Bamako – der gleichzeitige sezessionistische Aufstand der Tuaregs im Norden und die Invasion djihadistischer Gruppen, aus Libyen ins Land strömend – die Chance, der amtierenden Regierung „zuhilfe“ zu kommen: mit der Militärmission „Serval“ – Nr 47 seit 1960, eine Modifizierung der 68er Blaupause, mit der malische Präsident Mobido Keita gestürzt worden war. Wie der Senegalese Demba Moussa Dembele, der Vize-Präsident des renommierten internationalen Netzwerks Frantz Fanon schrieb, führte „der französische Staat unter dem Deckmantel des Antiterror-Kampfes eine Offensive zur Rekolonisierung von Mali“.

Die Vereinten Nationen traten mit der Stabilisierungsmission MINUSMA in den Kampf ein. Um sich ihren eigenen Anteil zu sichern, sprang Deutschland über die Europäische Union mit „Ausbildungsmissionen“ (EUTEM, EUCAP) ein, an denen sich auch die Bundeswehr beteiligt. Ausbildung, das neokoloniale Paradigma des alten kolonialen „zivilisatorischen Missionsgeistes“. 

Zwei Jahre brauchte es, bis die von Präsident Holland ins Auge gefasste Option der Unabhängigkeit Azawads (und damit der Teilung des Landes nach dem Beispiel Sudans) vorläufig zu den Akten gelegt wurde: 2015 wurde in Algier mit aufständischen Tuareg-Gruppen ein Friedensvertrag geschlossen, „aufs lose Prinzip Hoffnung gestützt“, wie selbst die Deutsche Welle titelte. Die Ausarbeitung eines Entwicklungsplans für die Regionen im aufsässigen Norden ließ weitere zwei Jahre auf sich warten, bis 3,35 Mrd. € für die folgenden 10 bis 15 Jahre an Finanzierungszusagen gegeben waren.

Failed state am Finanztropf

Die Militarisierung der Politik Malis hatte gravierende Konsequenzen, nicht nur die Hunderte von Toten, „Kollateralschäden“ der in- und ausländischen Truppen, die – wie in Nigeria dem djihadistischen Gruppen Zulauf verschaffte. Das Militär absorbierte die Finanzen, die fehlen um die wirtschaftliche Entwicklung anzustoßen und der Jugend eine Perspektive zu bieten: Bereits 2013 sprach das anvisierte Budget von 750 Millionen Euro, zur Hälfte mit Krediten finanziert, eine klare Sprache: 31 % fürs Militär, 31 % für den Staatsapparat (die Hälfte davon für die im Folgemonat vorgesehenen Wahlen) und den gleichen Betrag zur Ankurbelung der Privatwirtschaft. Aber nur 1 % war übrig für humanitäre Zwecke (Flüchtlinge, Kriegsopfer) und 8 % für die Bildung.

Und die malischen Militärausgaben sind seit 2014 mit 181,1 Mio. US-$ exponentiell auf das Zweieinhalbfache angestiegen (455,8 Mio.$ 2017). Das Militär beansprucht damit bereits mehr als drei Prozent des Bruttosozialprodukts, übersteigt damit sogar das Trumpsche NATO-Rezept um 50 %. Wirtschaftsminister Boubou Cissé selbst bestätigte in Interview, dass bis zum Jahr 2015 80 % des Staatshaushalts fürs „Funktionieren“ gebraucht wurden, allerdings seien nunmehr 40 % für Investitionen in die Infrastruktur, Häfen und Landwirtschaft bestimmt. 

Dabei ist die öffentliche Verschuldung nach dem Bertelsmann Transformations-Index (BTI) von 26,4 % des BSP 2014 auf fast 40 % 2017 gestiegen. Das jährliche Budgetdefizit von 18 % im Jahr 2018 (um 7,5 Mio.€ auf 573,6 Mio. € gestiegen) wird „durch ausländische Budgethilfen finanziert“, wie ganz offen die „Le Nouveau Reveil“ am 28. Sept. 2018 berichtete. Der französische Premierministers Edouard Philippe, begleitet von Armeeministerin Florence Parly und Außenminister Jean-Yves Le Drian, brachten am 23. Februar mit 35 Mio. € Donation eine Tranche zur Stabilisierung des malischen Haushalts mit. „Budgethilfe“ beisteuert, wäre noch zu  Die im Schlepptau mitgereisten französischen Wirtschaftsbosse werden sich – wie üblich – ihren Teil davon und von den 85 Mio. € französischer Kredite zu sichern wissen (siehe unten).

Sich ausbreitende Unsicherheit

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Der bewaffnete Aufruhr hat sich trotz des Friedensvertrags 2015 immer weiter ausgebreitet, wie auch die Ergebnisse der Studie “Viel Militär, weniger Sicherheit“ von Charlotte Wiedemann aufzeigt. Geschätzte 3.000 Mann starke djihadistische Gruppen stehen ca. 15.000 malische, 3.000 französische, 3.000 europäische und 12.000 UNO-Soldaten gegenüber. Der djihadistische Mordbrand zieht sich mittlerweile vom Norden bis in den Süden Malis durch, wie die US-UK-EU-gesponsorte ACLED Datenbank dokumentiert, und hat auch auf die Nachbarstaaten Niger und Burkina-Faso übergegriffen. Die Intensität der djihadistischen Attacken stieg von 124 im Jahr 2017 um 50 % auf 192 im Jahr 2018, laut UNO sogar auf 237.

Die djihadistische Guerilla greift mittlerweile nicht nur die Truppen der UN-Mission an. Bei einem Anschlag auf die französische Botschaft und das Hauptquartier der malischen Armee im März 2018 starben 16 Personen. Auch der Sitz von EUTM, der vom deutschen Brigadegeneral Peter Miro befehligten, aus 600 Soldaten bestehende EU-Trainingsmission, ist nicht mehr sicher: Am 23. Februar 2019 griff ein Pick-up einen Kontrollposten in Koulikoro (60 km nördlich von Bamako) an.

  • Gibt die Präsenz des ausländischen Militärs, also auch die Bundeswehr, der Bevölkerung wenigstens das Gefühl der Sicherheit? Wurden neben anderem Tausende Vertreter von Jugendorganisationen, Frauenverbänden und lokaler Behörden in allen Provinzen Malis befragt. Als Ergebnis stellte Präsident Ibrahim Boubakar Keita am 31. Januar das „Weißbuch der Zivilgesellschaft für Frieden und Sicherheit in Mali“ vor. Erarbeitet wurde die Studie von dem  international renommierten Stockholmer Friedensinstitut SIPRI und Conascipal, der malischen „Nationalen Koalition für Frieden und gegen den Handel mit Handfeuerwaffen“. In den drei Nordprovinzen Timbouctou, Gao und Kidal sahen sich nur 15 % sicherer, während 85 % dies verneinten. Auch in den Zentralprovinzen Mopti und Segou verneinten dies noch 60 %. Nur in den bislang relativ sicheren Südprovinzen um die Hauptstadt Bamako fühlten sich die Bürger mit den ausländischen Truppen sicherer. 

Welchen Feind bekämpfen?

Die Grenzen zwischen Bündnispartnern, Djihadisten und afrikanischer Mafia sind fließend und mit Dollars geschmiert. In Zentralmali vermischt sich Djihadismus wie Boko Haram in Nigeria mit sozialer Revolte. Zum einen sind die blutigen Streitigkeiten um Land und Bodennutzung zu nennen, wie sie auch im „Wilden Westen“ der USA zwischen Rinderfarmern und Schafzüchtern ausgefochten wurden. Zwischen nomadisierenden Rinderzüchtern (Fulani/Peul) und ansässigen Ackerbauern (Dogon), aber auch innerethnischen Konflikten, sind im letzten Jahr die Hälfte der eintausend gezählten Toten zum Opfer gefallen. Zum zweiten dienen traditionell handwerklich in Mali hergestellte Gewehre nicht nur dörflichen Heimwehren, sondern auch kriminellen Banden und Milizen, die sich mit Überfällen und Entführungen ihre Existenz sichern. Zum dritten sind Drogenschmuggler – perfekt getarnt unter Migranten und Djihadisten professionell organisierte, gut vernetzte Parasiten im Migrantenzug bis Marokko.: Entlang der Migrationsrouten über Mali und Algerien bis Tripolis wird in einer Kette von Drogen-Clans der Tuaregs, zum Teil in djihadistische Kampfverbände integriert – das aus Lateinamerika anlandende Kokain nach Europa geschmuggelt. Nach dem Bericht der UNO im letzten Jahr wurden in Marokko 2016 1,6 t Kokain beschlagnahmt und 803 Schmuggler verhaftet, 2017 waren es bereits 2,8 t Kokain und 1.053 Verhaftete. 

  • Der Generalsekretär der UNO Gutierrez zeigte sich beunruhigt über das zähe Tempo der Umsetzung des Friedensvertrags. Die Installierung der staatlichen „Übergangsverwaltung“ in den nördlichen Regionen Kidal, Menaka,Tombouctou und Taoudenni verläuft zögerlich, wenngleich die Gouverneure ihre Arbeit aufgenommen haben. In 34 % der Lokalitäten, in einem Drittel des Nordens, ist nunmehr die staatliche Verwaltung präsent (wenngleich schwach und gefährdet) 3 % mehr als im Vorjahr. Das heißt, dass im überwiegenden Teil der riesigen Provinzen die traditionellen religiösen Stammesführer, wenn nicht die Djihadisten, die staatliche Autorität ausüben, von staatlicher Souveränität also kaum die Rede sein kann. 

Der Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration der Aufständischen ist über die Testphase nicht hinausgekommen: Nur 1.600 Kämpfer von den 8.000 Registrierten nehmen an dem Wiedereingliederungs-Programm teil. Die Ex-Rebellen der CMA suspendierten ihre Mitarbeit an der „Concertation“ mit der Regierung, damit ihre Kämpfer schneller in die regulären Streitkräfte integriert werden.

Ministerin von der Leyen nahm bei ihrem Besuch im November „Malis Regierung in die Pflicht“. Nicht nur, weil Im Februar “versehentlich“ ein deutscher Konvoi beschossen und im Januar 10 MINUSMA-Soldaten getötet worden waren. Nur Steinchen im großen Mosaik imperialistischer Abhängigkeit sind die Projekte der Kreditanstalt für Wiederaufbau im Umfang von 285 Mio. €. Und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit koordiniert die Fortbildungs-Initiative der deutschen Großindustrie, das „fellowship program 2019 – 1921“ „Afrika kommt“ auch für malische Führungskräfte. Die beiden deutschen Investitionsfonds „AfricaConnect“ für deutsche und europäische Unternehmen und „AfricaGrow“ für afrikanische Start-ups. – versprochen für 2019 – stehen noch auf dem Papier.

His masters voice

Das Jahr 2019 soll die Lösung aller Probleme bringen, sozusagen den gordischen Knoten an mehreren Stellen durchhauen: 

Die mehrmals verschobenen Parlamentswahlen stehen im Juni an, sie mit einem Referendum zu verbinden (wie sie Macron gegen die Gelbwesten-Bewegung ins Auge gefasst hatte), eine ausgeklügelte Taktik der externen Berater. Die Regierung könnte im Referendum die Einrichtung eines 2-Kammer-Systems nach US-Vorbild und die geplante Neuzerschneidung des Staatsgebietes in Wahlkreisen absegnen lassen. Dazu sucht Staatspräsident IBK die Unterstützung der Oppositionsparteien, d.h. der angestammten Eliten  und nicht den Dialog mit der Bevölkerung (auch der muslimischen), wie es im „Weißbuch  der Zivilgesellschaft für Frieden und Sicherheit in Mali“ in einem „neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Regierung und Bevölkerung“ gefordert wird. Ob er und seine ausländischen Helfer damit reussieren?

SADI, die 60.000 Mitglieder starke marxistisch-leninistische Partei der „Solidarite africaine pour la democratie et l’independence » – im Land mit 5 Parlamentsabgeordneten, 15 Bürgermeistern und 267 Stadt- und Gemeinderäten verankert – protestierte und boykottiert bis auf weiteres die Parlamentsarbeit. Dem Boykott hat sich neben anderem die Oppositionsparteienbündnis Codem angeschlossen. Und der Protest wird stärker… Der frühere Premierminister Moussa Mara (2014/15) kritisiert die Territorial-Reform als „den Karren vor die Ochsen zu spannen“.

Die malische Regierung bewegt das hörbare soziale Rumoren (71,4 % der 18 Millionen Einwohner lebt unter der Armutsgrenze): Um einer Protestwelle wie in Frankreich oder im Sudan zuvorzukommen, stellt sie ein „gigantisches Programm der wirtschaftlichen Infrastruktur“ auf. 

Bei allerdings leeren Kassen sollen über 10 Jahre verteilt 22,8 Mio. € in die Infrastruktur investiert werden, die Wirtschaft von Gold (75 % des Exports) und Baumwolle weniger abhängig machen. (13 industrielle Goldminen beschäftigen 11.000 Arbeiter – auf 350 Goldfeldern schürfen 500.000 handwerkelnde Kleinstunternehmer). Diese für das Vorhaben äußerst bescheidene Summe soll offensichtlich als Anschubfinanzierung für private Partnerschaften dienen. Der Internationale Währungsfonds gibt jedenfalls grünes Licht: „die ökonomische Performance Malis…. im ganzen positiv“ – und die Weltbank Kredite für den Notplan über 30 Mio. $ und Sanierung der neu aufgestellten Eisenbahnlinie Dakar-Bamako mit 1 Mrd. $ und weitere 27,8 Mio. $ für die Rehabilitierung des Flusses Niger. In 10 Jahren sollen 8.700 km Straßen und Autobahnen repariert und konstruiert, sechs Brücken (darunter die vierte in Bamako gegen Mautkonzession), drei Binnenhäfen, eine Wirtschaftszone und im Norden eine neue Stadt errichtet werden. 

Man könnte meinen, der malische Präsident kommt gerade von einer Peking-Reise zurück. Doch weit gefehlt, Wirtschaftsminister Cisse wendet sich ausschließlich an Privatunternehmen und kündigt ihnen Steuersenkungen an, und Abdoulaye Pona, der Chef der mächtigen Bergwerks-Kammer (mit dem deutschen BDI vergleichbar) schließt expressis verbis eine chinesische Beteiligung aus. Wieviel die neue US-Agentur, nach Präsident Trump ein mit 60 Mrd. $ gefüllter Topf, an Krediten zuschießt, ist noch nicht öffentlich, ebenso wenig zu welchen Konditionen. Politische Bedingungen dürften überflüssig sein, die externen neoliberalen Berater haben in der letzten Legislaturperiode ganze Arbeit geleistet. 

Wirtschaftsminister Boubou Cisse spricht von 4.740 km neuer Bahnstrecke, davon 3240 km in Mali : Die Hauptverbindung von Dakar (Senegal) bis Bamako, von dort nach Süden zum zweitgrößten Tiefseehafen von Cote d’Ivoire San Pedro (unterstützt von der westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion UEMOA). Die dritte Achse in Richtung Westen soll Bamako mit dem Tiefseehafen von Conacry (Guinea) verbinden, die vierte Nordmali erschließen von Bamako nach Kidal über Mopti, Timbouctou und Gao). 

Es versteht sich, dass die anvisierten Häfen unter der Kontrolle des französischen Medienmoguls Bollore stehen. 14 Mrd. $ soll das ambitionierte Projekt kosten. Der Chef des mächtigen malischen Unternehmerverbandes favorisiert französische Unternehmen, aber geht mit dem Chef des US-Multis Railnet International zum Regierungschef, Premierminister Soumeylou Boubeye Maiga – mit dem malischen international tätigen Ingenieurbüro CIRA SA im Gefolge, das von Railnet International und der malischen Bergbaukammer mit der Durchführbarkeitsstudie beauftragt ist Kommentar überflüssig. 

Quo vadis Mali?

Wo der Schuh wirklich drückt, zeigt das oben zitierte „Weißbuch für Frieden & Sicherheit in Mali“. Nicht der Mangel an Sicherheit wird in allen drei Zonen Malis als Hauptproblem genannt. Die Arbeitslosigkeit ist das größte Problem für die Menschen im Norden, gefolgt von der unsicheren Lage durch bewaffnete Gruppierungen, danach kommt Armut, kein Zugang zu Strom oder Wasser und das  „kriminelle“ Banditentum. Auch im Süden um die Hauptstadt ist die Arbeitslosigkeit das drängendste Problem, gefolgt von Armut, erst an dritter Stelle kommt der Mangel an Sicherheit durch den Konflikt im Norden, danach die Konflikte zwischen den Gemeinschaften (z.B. Rinder züchtende Nomaden und Ackerbauern) und die Unsicherheit, die kriminellen Aktivitäten oder dem Schmuggel (Drogen, Migranten) geschuldet sind. In den beiden Zentralprovinzen Mopti und Segou werden Infrastrukturmängel als Hauptproblem genannt, dann Schulen und Gesundheitseinrichtungen. An dritter Stelle der Zugang zu Wasser und Strom, dann das Auftreten von Krankheiten. Erst an letzter Stelle wird der Konflikt im Norden oder bewaffnete Gruppen aufgeführt.

Den Djihadisten ist mit militärischen Mitteln allein nicht beizukommen, das wird immer offensichtlicher. Und daran wird auch die 10.000 Mann starke G5-Sahel-Truppe nichts ändern. Das hat die nigerianische Regierung, die sich an G5-Sahel nicht beteiligt, erkannt. Was gebraucht wird, sind Investitionen in die sozialökonomische Entwicklung – eine Perspektive für die junge Bevölkerung. Eine Woche vor der Präsidentschaftswahl (sic!) kündigte Finanzminister Bobou Cissé eine „Entwicklungsstrategie für die Nordregionen“ an: über 10 Jahre sollen 3,35 Mrd. € in die öffentliche Verwaltung, öffentliche Dienstleistungen und die Infrastruktur investiert werden,10 % seien schon gesichert. Quod erat demonstrandum…

Die Fortsetzung des (beobachtenden) UN-Mandas MINUSMA ist politisch infrage gestellt. Nicht nur der 191 eigenen Todesopfer wegen. Die G5-Sahel-Truppe soll sie ersetzen, sobald die Finanzierung (50 Mio. € EU, 50 Mio. durch die 5 Sahel-Staaten, 60 Mio. USA, 100 Mio. Saudi-Arabien, VAR 30 Mio.) läuft. Das Hauptquartier in Sévaré (im Zentrum bei Mopti) wurde in Juni durch ein Attentat zerstört und in die Hauptstadt verlegt. 

„Die UN-Mission Minusma und die Dominanz internationaler Akteure bei Entscheidungen über malische Belange wird als Belastung gesehen… Den Dialog mit Djihadisten zu tabuiseren, wird als Diktat der europäischen Partner empfunden und trägt zum Gefühl der Entmündigung bei“ so Charlotte Wiedemann in ihrer Studie.

Erfolgsmeldungen wie die der französischen Militärministerin Florence Parly am 1. März, dass seit 2015 600 Terroristen getötet worden seien , können nicht über das Scheitern der internationalen Besatzungspolitik hinwegtäuschen. 

Ein malischer General a. D. beschrieb für „Le Monde Diplomatique“ ein mögliches Szenario nach einem Abzug ausländischer Truppen so: „Dann würden wir mit den Dschihadisten verhandeln, und wenn sie islamisches Recht einführen wollen, werden wir sehen, was genau das sein soll. Vielleicht ist es ja nicht schlecht. Die Dschihadisten wollen eine saubere Gerichtsbarkeit und haben in manchen Fragen recht.“ Ob und wie verhandelt werden kann und wie groß die Chance auf Erfolg ist, kann niemand vorhersagen. Aber die Bevölkerung erwartet immer dringender eine Lösung. „Man kann nicht alle Dschihadisten töten. Es gibt auch in Mali keine Alternative zu Verhandlungen“, sagte auch die Leiterin des Berliner Zentrums für internationale Friedenseinsätze, Almut Wieland-Karimi. Dass dies zuallererst eine Entscheidung der Malier sei, meine nun immerhin auch das Auswärtige Amt.

Mehrere zehntausend Bürger folgten dem Aufruf der einflussreichen Moslems Mahmoud Dicko (Vorsitzender des Hohen Islamischen Rats Malis (HCIM) und dem Sherif von Nioro-du-Sahel Bouye Haidara nach dem Gemetzel von Milizen, dem über zweihundert Einwohner Osossagous zum Opfer fielen. Die skandierten Rufe und Banner zeugten von der tiefen Unzufriedenheit: „Null Sicherheit, IBK hau ab! „Barkhane et Minusma allez vous en de chez nous“ (Barkhane und Minusma raus, geht nachhaus“) Präsident IBK musste endlich reagieren: die Führung der Armee und des Geheimdienstes auszuwechseln und die beschuldigte Dogon-Miliz zu verbieten, war das Mindeste. Aber das wird nicht reichen…. So auch die Einsicht des früheren Premierministers Moussa Mar, der Krieg in Mali sei „vor allem einer gegen uns selbst“ – und der Schlüsselfaktor zur Lösung, die gerechte Verteilung der Ressourcen zu verhandeln wie es der Rapport „Mali stabilisieren“ vorschlägt? Die nächsten Monate werden’s zeigen…

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Georges Hallermayer, Jg. 1946, studierte in München Verwaltungswissenschaft, danach Geschichte, Germanistik und Sozialwissenschaften fürs Lehramt an Gymnasien und erhielt schließlich Berufsverbot. Er lebt seit 30 Jahren in Frankreich und arbeitete als Dozent und stellvertretender Centrumsleiter bei den Carl-Duisberg-Centren. Er schreibt zu Afrika und Klassenkämpfen in Frankreich. Weitere Informationen unter weltsolidaritaet.blogspot.com.

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Dieser Beitrag erschien zuerst bei International – Die Zeitschrift für internationale Politik

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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