STANDPUNKTE • Wikideologie (Podcast)

Von Stephan Bartunek.

Als links Denkender und internetaffiner Mensch, schmerzt es mich diese Zeilen zu verfassen. 
Aber heißt „links“ nicht in erster Linie, sich der Aufklärung verpflichtet zu fühlen indem man die Machtfrage stellt? 
Und ist es dann nicht eher etwas „rechts“ gedacht, wenn man diese Fragen nicht zulassen möchte, indem man mit, welchen Methoden auch immer, sich gegen Aufklärung und Kritik und damit verbundener Veränderung stellt?

Zuerst mal, möchte ich festhalten, dass ich einen breiten Freundes- und Bekanntenkreis habe und da eben nicht nur „Linke“ darunter sind.

Mich stört das nicht, im Gegenteil, das empfinde ich als gelebte Vielfalt, als Diversität und gerade in Debatten und Gesprächen mit politisch Andersdenkenden kann man doch seine eigenen Positionen überdenken, nachjustieren oder schärfen und so auch auf einen Konsens hin arbeiten. Sei es nur am Küchen- oder Wohnzimmertisch. 
Gerade diese Freiheit des Wortes, des Geistes, ist für mich eine, wenn nicht die wichtigste Stütze der liberalen Demokratie.
Keiner aus meinem Freundes- oder Bekanntenkreis sieht das anders, egal ob sie sich selbst als „rechts“ oder „links“ wahrnehmen.

Für mich sind das Anzeichen, dass es um mich als Demokraten nicht allzu schlecht bestellt ist. 
Auch, wenn es in den Untiefen des Netzes, anonyme Hysteriker gibt, die das anders sehen. Und, dass ich hier explizit von Hysterikern und nicht auch von Hysterikerinnen schreibe, ist gewollt und begründet.
Seit einiger Zeit beschleicht mich ein sehr unangenehmes Gefühl, wenn ich an unsere liberale Demokratie, an unsere freie und offene Gesellschaft denke. 
Nicht nur, aber gerade auch, durch unsere Arbeit, die man auf YouTube unter „Geschichten aus Wikihausen“ auf dem Kanal der „Gruppe42“ findet, verstärkt sich dieses mulmige Etwas in meiner Magengrube und lässt mich Gedanken fassen, die ich so vor einiger Zeit noch nicht hatte. 
Vermutlich wissen Sie es, vor drei Wochen gab es am Hamburger Landesgericht ein richtungsweisendes Gerichtsurteil. Es stand in Zusammenhang mit „Geschichten aus Wikihausen“.

Die investigativen Journalisten Markus Fiedler und Dirk Pohlmann hatten bei dem Rechercheprojekt tief in die Wikipedia hinein gesucht und so allerhand gefunden. Eine besondere Entdeckung war ein „Autor“ der Online Enzyklopädie, der unter dem Namen „Feliks“ dort auftritt. Dieser „Feliks“ führte auf seinem Profil eine stolze Liste mit all den Politikern die er auf der Wikipedia bearbeitete. Hauptsächlich waren sie alle aus der deutschen Bundestagspartei „DIE LINKE“. 
„Feliks“ machte auch kein großes Geheimnis daraus, dass er Vergnügen daran hatte, die Einträge nicht neutral zu halten und auch negativ zu färben. Die Freude an der Diffamierung lebte er auch an anderen Personen aus. Rolf Verleger und Nirit Sommerfeld, beide Menschen mit jüdischem Glauben, wurden von ihm mit Antisemitismus in Verbindung gebracht, weil sie, nach Geschmack eines gestandenen Bellizisten wie „Feliks“ es ist, zu kritisch mit der rechten bis rechtsextremen israelischen Regierung waren.

Der Deutsche lässt es sich, trotz mahnender Vergangenheit, nach wie vor nicht nehmen, festzustellen wer jetzt ein guter oder eben unguter Jude ist. 
„Feliks“ meint zwar, mit einer etwas komischen Konvertierung zum Judentum, eine gewisse Ernsthaftigkeit seinen Diffamierungen gegenüber linken Jüdinnen und Juden zu geben – für mich und auch viele anderer, bleibt er trotz persönlicher Drohungen gegen mich und mein Kind, nur eine Witzfigur. Vorhaut hin oder her – die macht da keinen Unterschied.

Dieser „Feliks“ wurde also von Markus Fiedler und Dirk Pohlmann in monatelanger Recherche aus dem Morast der Wikipedia heraus gegraben und nachdem der weniger ehrenwerte Mann, sich im Laufe seiner Jahre und in Folge seines Charakters viele Feinde gemacht hatte, kam irgendwann ein Hinweis auf die wahre Identität dieses „Autors“ der Online Enzyklopädie Wikipedia. 
Bei „Gruppe42“ wurde das dann präsentiert. Es folgte eine einstweilige Verfügung gegen unsere investigativen Journalisten, die „Feliks“, über eine mehr als teure Anwaltskanzlei in Hamburg über das Hamburger Landesgericht, erwirkte. 
Alles an dieser einstweiligen Verfügung wirkte schal und konstruiert, der Streitwert war bei knapp über 250 000 Euro angesetzt – eine Summe, die normalerweise in ganz anderen Ligen festgehalten wird.

Nichts davon machte uns Mut, im Gegenteil, wir gingen mit hängenden Köpfen vor die Richterin und Richter – nur um bald darauf zu merken, dass das Gericht in Hamburg keine Ahnung hatte, was an der Wikipedia möglich ist, was die Wikipedia eigentlich ist und welche Menschen sich auf diesem, eigentlich wunderbaren, Projekt hemmungslos und geschützt durch Anonymität und starre autoritäreund hierarchische Systeme austoben können. 
Markus Fiedler und Dirk Pohlmann waren, gemäß ihrer bisherigen Arbeit, bestens vorbereitet für den Gerichtstermin und so waren einige Aha-Momente im Gerichtssaal zu erleben. Die eidesstattlichen Erklärungen von Nirit Sommerfeld, Rolf Verleger und ehemaligen Parteikollegen und Kolleginnen von Feliks bewiesen auch, dass es unser Kontrahent mit der Wahrheit nicht allzu genau nimmt und bekräftigten auch die faktenbasierte und genaue Arbeit von unserem Rechercheteam.

Nach der Verhandlung war ein leichter Optimismus zu spüren und eine Woche später wurde es dann auch vom Gericht festgehalten, die einstweilige Verfügung wurde in den meisten und wichtigsten Punkten gekippt. 
Nicht aus rechtlichen, sondern aus persönlichen, auch ethischen Gründen verzichte ich aber trotzdem auf die Namensnennung von „Feliks“. 
Das Internet vergisst aber nie. 

Jetzt könnte man meinen, wir haben mit unserer Arbeit einen wichtigen Anteil für eine bessere Wikipedia geleistet, denn immerhin steht die Homepage seit einiger Zeit immer wieder im Fokus besorgter Kritik. Aufklärung sollte in der Sache doch eigentlich erwünscht sein.
Immerhin war die Wikipedia damit gestartet, freies Wissen für alle Menschen zugänglich zu machen. Leider zeigt sich aber, bei genauer Analyse, dass innerhalb der Wikipedia, angetrieben von Teilen der „Autoren“, innerhalb der Community als „Politbüro“ verrufen, vor allem in Bereichen der Geopolitik, militärisch-industrieller Komplex, des „War on Terror“ und US-amerikanischer Kriege, eine Art von Zensur herrscht, die sich mit Methoden des digitalen Mobbings, der klassischen Verleumdung und dem Leugnen von Fakten äußert.

Und überall da, war auch „Feliks“ mit dabei und oft an vorderster Front. 
Ein wahrer Demokrat eben, der seinen moralischen Kompass auch offenbarte, als er den Wikipedia Artikel des bekannten Rechtsanwalt Heiko Klatt negativ umschrieb. 
Was hatte Heiko Klatt falsches gemacht? Er vertritt den Journalisten Ken Jebsen gegen „Feliks“. 
Es zeigen sich so halt die Freunde des Rechtsstaates. 
Und in dem Zusammenhang ließen auch andere Menschen ihre persönliche Wahrnehmung von Demokratie und Rechtsstaat erkennen und genau einer aus der Mischpoke, so benannte dieser eine übrigens mein Milieu, ich zitiere nur zurück, ist genau dafür verantwortlich, dass ich in den letzten Tagen mit großer Sorge auf die Wikipedia, das Internet und auch unsere liberale Demokratie blicke.

Ich verzichte auf Namen, aber es handelt sich um einen Menschen, der direkt in der Wikimedia Deutschland aktiv ist. Wikimedia ist der Trägerverein der Wikipedia. 
Für diesen Mann, natürlich, was sonst, ist die Arbeit die wir mit „Gruppe42“ gemacht haben ein „Elend“. Natürlich ist das was „Feliks“ auf der Wikipedia gemacht hat auch ein kleines bisschen nicht in Ordnung, aber so wirklich gefährlich sind nur Menschen wie ich es bin.

Diese Wikipedia-Herrschaft lässt seinen demokratischen, freiheitsliebenden Geist auch erkennen, indem er „rechts“ nicht mehr als politischen Begriff wertet, sondern als eine Art der Beleidigung verwendet. 
Ich will ihm dieses Recht auf seine Meinung auch nicht aberkennen, er kann gerne am Fußballtisch im Jugendclub ein paar pubertierende Punks damit beeindrucken, aber wenn ich daran denke, dass so ein Mensch bei einem wunderbaren Projekt wie es die Wikipedia ist, eine Position der Verantwortung trägt, dann sträuben sich mir die Nackenhaare und dieser Kloß im Magen wiegt schwerer.

Wie soll die Wikipedia dem eigenen Anspruch der Neutralität gerecht werden, wenn offizielle Vertreter politische Begriffe als Kampfbegriffe führen und sie zur Herabsetzung politisch Andersdenkender benutzen?

Der folgende Dialog, den ich mit dem Herren auf Twitter führte, kann Ihnen als Leser und Leserin mein flaues Gefühl wohl etwas näher begründen. Den mitteljungen Herren nennen wir einfach „Wikimedia Vertreter“, das ist aber seinem gezeigten Intellekt fast zu lobend. Ich bin aber auch in Fällen solch zur Schau gestellter Dummheit immer noch bemüht, die Wogen zu glätten.

Wikimedia Vertreter:
 Also verglichen mit der ganzen Ganser-Mischpoke, die für ihren Verschwörungstheoretischen Unsinn zig mal versuchte, Wikipedia umzuschreiben und sich jetzt in der Form versucht zu rächen, ist das was Feliks gemacht hat schon fast harmlos. Auch nich OK, aber im Vergleich Kikifax.

Bartunek777:
 Also alles eine Racheaktion? 
Und ist das jetzt nicht auch eine zünftige Verschwörungstheorie?



Wikimedia Vertreter:
 Nö – keine Theorie. Reinste Praxis, auch mal wieder hier vorgeführt.



Bartunek777:
 Ja klar. Sorry, ich hab ein Problem damit, wenn Teile der Wikipedia von politischen Extremisten missbraucht wird.
 Ich bin selber links, aber auch Demokrat – von daher diffamiere ich politisch Andersdenkenden nicht. 
Das scheinst Du nicht so zu halten oder?

Wikimedia Vertreter:
 Hach ja – linke Verschwörungstheoretiker die sich für Demokraten halten bleiben dennoch linke Verschwörungstheoretiker, die sich für Demokraten halten. Echte Demokkraten würden sehen, daß gerade Wikipedia das demokratischste Projekt unserer Zeit ist und würden sehen, […][…] daß Demokratie und die eigene Meinung nicht zwingend identisch sind. Darum seid all ihr POV-Kriger unser Elend.

Egal ob von rechts, links, religiös motiviert oder wo auch immer her.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich kenne solche Debatten zu genüge und ich bin nach wie vor nicht Müde sie zu führen. 
Aber es erschreckt mich doch immer wieder, wenn diese Kleingeistigkeit von Menschen voran getrieben wird, die über eine große Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Demokratie inne haben.

Ich, als Betreiber eines YouTube Kanals mit gerade mal 19.000 Abonnenten, bemühe mich sachlicher und vor allem freundlicher in Debatten zu treten. Offizielle Vertreter einer Homepage, die zu den am zehnt meisten besuchten in Deutschland zählt, im Weltrang sogar an fünfter Stelle, steht, werfen aber mit Kampfbegriffen und Herabsetzungen um sich, die an totalitäre Staaten und ihre Systeme erinnern.

Mir gefällt das nicht und ich möchte jeden Leser und jede Leserin, vor allem die, zu animieren, sich gegen diese Betonköpfe zu stellen. 
Ein Anfang wäre schon damit gemacht, wenn man die Wikipedia wieder zu dem macht was sie sein wollte uns sein sollte. 
Ein Projekt wo von allen Menschen gemeinsam, für alle Menschen gemeinsam Wissen gesammelt, aufbereitet und zur freien Verfügung gestellt wird.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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