STANDPUNKTE • Der Staatsstreich (Podcast)

Der politisch wie medial forcierte Frontalangriff aufs Grundgesetz darf nicht folgenlos bleiben — holen wir uns unsere Demokratie zurück!

Ein Standpunkt von Jens Wernicke.

Die Zweifel an der Corona-Krise sowie der Notwendigkeit des Lockdowns mehren sich. Trotzdem gibt die Bundesregierung Vollgas und will am heutigen Tag den deutschen Patriot Act beschließen lassen. Alles, aber auch alles soll sich künftig dem Diktat vermeintlicher Gesundheitsfürsorge unterwerfen und dabei auch Grundrechte außer Kraft setzen. Der Angriff auf Deutschlands Heiligen Gral, das Grundgesetz, hat nun jedoch den schockgefrosteten Riesen wachgerüttelt — die Bevölkerung. Gleich zwei wichtige Petitionen sind gestartet und weitere widerständige Aktionen in Planung.

Wie im Rausch taumeln Bundes- und Länderregierungen derzeit von einer drakonischen Maßnahme zur nächsten. Fast im Gleichschritt marschieren sie über Zwangsquarantäne, Kita- und Schulschließungen, Lahmlegung des gesamten kulturellen Lebens, Ausgangseinschränkungen — wie zum Beispiel die bayerische Ausgangssperre — bis zur Möglichkeit, medizinisches Personal zwangsweise zu rekrutieren. „Fake News“ zur Corona-Krise sollen mit Strafgeldern belegt werden, das Narrativ muss unbedingt kontrolliert werden. Wie in Dänemark (1) dürften auch in Deutschland Zwangsimpfungen kurzfristig Gesetz werden.

All dies baut bisher rechtswidrig auf dem Infektionsschutzgesetz auf. Am heutigen Freitag soll der Sack nun endgültig zugemacht, die juristisch fragwürdige Lage beseitigt und sollen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes durchgeführt werden, sodass mit der Ausrufung einer epidemischen Krise zukünftig Notstandsrecht in Kraft tritt. Jens Spahn würde damit gleichsam zum Bundesgesundheitsgeneral aufsteigen, mit weitreichendsten Befugnissen ausgestattet, letztlich gekrönt von einem willfährigen Bundestag.

Das Schöne:

Spahn soll im Krisenfall für alle Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes Ausnahmen festlegen können und Regelungen anderer Gesetze, zum Beispiel Zulassungsvoraussetzungen für Arzneimittel, abändern können — ohne parlamentarische Interventionsmöglichkeit.

Spahn soll also gegebenenfalls per Dekret regieren können. Der Krisenfall kann — wie der Gesetzesentwurf äußerst weitgehend formuliert — bereits dann ausgerufen werden, wenn „die dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen, übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht“ — ist das womöglich auch die jährliche Grippewelle?

Wie bei Ergüssen heutiger Regelungswut schon so oft beobachtet strotzt auch dieser Gesetzentwurf von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen. Es sind sprachliche Hintertürchen, durch die — unter dem Deckmantel der Gesundheitsrelevanz — nun in alle möglichen Lebensbereiche vorgedrungen werden kann.

Wohin das führt zeigt zum Beispiel die jüngste Initiative in Baden-Württemberg. Dort übermitteln die Gesundheitsämter die Daten von corona-positiv Getesteten an die Polizei — und begründen das damit, dass diese sich ja bei Kontakt mit diesen Personen vor Gesundheitsrisiken schützen müsse (2).

Wo soll das enden? Müssen die Infizierten der Polizei dann alsbald auch noch Einblick in ihre Vermögenslage gewähren, damit sie abschätzen kann, ob ein Infizierter über die Mittel verfügt, sich ins Ausland abzusetzen? Oder wird Spahn nun das gesundheitliche Gemeinwohl bemühen, um unser Bargeld abzuschaffen? Der Phantasie, jede rechtliche Frage mit einem gesundheitspolitischen Spin zu versehen, sind keine Grenzen gesetzt.

Interpretationsbedürftige Gesetze sind, wie Ingeborg Maus, eine der bedeutendsten Rechtstheoretikerinnen unserer Zeit, herausgearbeitet hat, brandgefährliche Einfallstore für willkürliches Handeln der Exekutive, aber auch für politisch oder weltanschaulich motivierte Rechtsprechung.

Im Hitler-Faschismus wurde die Justiz allein über den Einschub von Generalklauseln sowie deren Ausfüllung im Sinne der neuen nationalsozialistischen „Werteordnung“ durch die Richter gleichgeschaltet. Die nun „ohne die Krücken des Gesetzes“ im Sinne ihrer „lebendigen Verfassung“ entscheidenden Richter schossen in vorauseilendem Gehorsam dann sogar noch weit über das Ziel hinaus und erwiesen sich als die schärfsten Hunde dieser „neuen Werteordnung“.

Die Corona-Krise ist eine gute Gelegenheit, der Bevölkerung Gesetze, die ihr unter normalen Umständen nur schwer untergejubelt werden könnten, als Gefahrenabwehr schmackhaft zu machen.

Nicht umsonst ist im Zuge der krisenhaften Entwicklung auch in Mecklenburg-Vorpommern die Verschärfung des Polizeirechts nach bayerischer Manier — Verhaftung von „Gefährdern“ ohne richterlichen Haftbefehl wegen „Terrorgefahr“ et cetera — durchgewunken worden.

Langsam erwachen die solchermaßen beglückten Bürgerinnen und Bürger nun jedoch aus ihrer Schockstarre. Wie das sprichwörtliche Kaninchen hypnotisiert in die Augen der Schlange, haben sie die letzten Monate gebannt nach China, nach Italien, auf Herrn Drosten, auf die Kanzlerin gestarrt.

In die schockgefrosteten Ohren sind jetzt jedoch mahnende Stimmen von einer Vielzahl unabhängiger und kritischer Experten gedrungen, die partout nicht in das Horn der Corona-Alarmisten und/oder der „Der Lockdown ist alternativlos-Fraktion“ stoßen wollen. Zudem hat sich ein ganz unangenehm kribbelndes Gefühl breitgemacht, so eine Ahnung von, eine Angst vor, man weiß es nicht genau, so ein Déjà-vu.

Kann es denn wirklich sein, dass da zurückkommt, was man mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahr 1949 zumindest formal für entschwunden wähnte? Totalitarismus, diesmal hinter der Maske eines sich mit besorgter Miene dem Kranken zuwendenden Arztes?

Verwundert sind viele schon seit längerem. Die Grippe hat in der Saison 2017/2018 circa 25.000 Menschen in Deutschland das Leben gekostet, ohne dass es irgendwo Erwähnung gefunden hätte. Keine einzige Kita wurde deswegen geschlossen, kein einziges Fußballspiel abgesagt.

Und nun wegen inzwischen circa 200 corona-positiv-getesteten Verstorbenen — konkrete Todesursache laut Robert Koch-Institut (RKI) egal (3), denn Vorerkrankungen bleiben unberücksichtigt — und völlig unzureichender Datenlage bezüglich der tatsächlichen Virulenz des Erregers nichts als Panik, ein ökonomisch und sozial hochriskanter Lockdown, tiefste Einschnitte in die Bürger- und Freiheitsrechte. Und jetzt auch noch die Außerkraftsetzung des Grundgesetzes!

Die, die unter der Geltungshoheit des Grundgesetzes leben, haben ein ganz besonderes Verhältnis zu ihm. Denn es ist — fast weltweit — einzigartig, da in seinem Zentrum die Würde des Menschen steht.

Artikel 1 Satz 1 des Grundgesetzes lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. In dieser Würde wurzeln die Grundrechte. Andere Verfassungen haben das Gemeinwohl zu ihrem Zentrum erkoren. Mit dem Gemeinwohl-Argument lässt sich vieles rechtfertigen.

Die Menschenwürde ist eine Grenze, die nicht ungestraft überschritten werden darf. Das Grundgesetz ist aus den Trümmern Nachkriegsdeutschlands erwachsen — aus dem festen Wunsch, allen totalitären, die Würde des Menschen mit Füssen tretenden Bestrebungen Einhalt zu gebieten. Es ist die geballte Faust, die die Bürger dem Griff ihrer Volksvertreter nach immer mehr Macht entgegenstrecken:

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“

Nicht umsonst war die Notstandsgesetzgebung im Studenten-bewegten Jahr 1968 nur unter der Bedingung der Einführung des Widerstandsrechts des Artikels 20 Absatz 4 Grundgesetz durchzusetzen: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Ihr heiliges Blechle, das Grundgesetz, werden sich die Deutschen nicht ohne Widerstand nehmen lassen.

Wie heute ruchbar geworden ist, hat die Regierung keine Evaluation der Folgen des Lockdowns durchgeführt und beabsichtigt auch nicht, eine Analyse der durch den Lockdown eingetretenen Schäden zu beauftragen (4). Damit ist überdeutlich, dass die Regierung, der die Wahlbürger ihr Machtmonopol aus Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz vorübergehend und zu treuen Händen übertragen haben, diese Machtposition nicht im Sinne der Bürger ausfüllt.

Die sorglose Eigenmacht, mit der die Regierung nun eine ganze Nation lahmlegt und traumatisiert, ohne dass sie zumindest ihre Schulaufgaben gemacht hätte, eine sichere Datenbasis für die Feststellung einer gesundheitlichen Notlage zu schaffen und zugleich — vor Implementierung des Lockdowns — eine seriöse Folgenabschätzung aufzusetzen, kann ihr noch übel auf die Füße fallen. Juristisch zu ahnden ist sie in jedem Fall.

Da die Empörung groß ist, sind nun fast zeitgleich zwei wichtige Petitionen gestartet:

  • Helene und Dr. Ansgar Klein fordern die sofortige Aufhebung aller in der Corona-Krise verfügten Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten. Hier kann und sollte man zeichnen.
  • Die Berliner Rechtsanwältin Viviane Fischer verlangt die Durchführung einer Baseline-Studie, damit auf der Basis sauberer Corona-Daten die Notwendigkeit eines – weiteren – Lockdowns überprüft werden kann. Hier kann und sollte man zeichnen.

Zudem hat die Daten-Analystin und Rubikon-Autorin Yvonne Egey einen Musterbrief an die Mitglieder des Bundestages verfasst, der für den eigenen Protest verwandt werden kann und soll (6).

Zwei Klägerinnen in München wurde bereits im einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz bestätigt, dass auf sie die Ausgangssperre zunächst aus formalen Gründen keine Anwendung findet (5).

Und in der Süddeutschen Zeitung äußert der Staatsrechtler Florian Meinel schwere verfassungsrechtliche Bedenken, der Gesetzentwurf zerstöre die grundgesetzlich vorgesehene Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern und enthalte für den Gesundheitsminister eine unheilvolle Blankettermächtigung (7).

Im vergleichbar gebeutelten Österreich wandte sich das „Unabhängige Personenkomitee für die Aufhebung der Corona-Zwangsmaßnahmen“ mit einem Protestbrief an die Öffentlichkeit (8) und auch in Berlin ist eine erste Demonstration gegen die Grundrechtseinschränkungen geplant.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die sorglose Eigenmacht, mit der die Regierung unsere Grundrechte mit Füßen tritt, nicht noch als ihr Corona-Gate erweisen wird.

Quellen und Anmerkungen:

(1) https://nordschleswiger.dk/de/daenemark-politik-gesellschaft/coronavirus-behoerden-erhalten-weitreichende-befugnisse
(2) https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/polizei-corona-daten-100.html
(3) https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/faktenfuchs-wie-werden-corona-todesfaelle-gezaehlt,RtnpYVL
(4) https://taz.de/Massnahmen-gegen-Coronavirus/!5674203
(5) http://www.vgh.bayern.de/media/muenchen/presse/pm_2020-03-24.pdf
(6) https://www.rubikon.news/artikel/griff-nach-der-totalen-macht
(7) https://www.sueddeutsche.de/politik/spahn-infektionsschutz-1.4855511?fbclid=IwAR2kYZdAdNBYRM0sSsLjtFSQe4Qr3RH53JEZMckhoC7escxvFCKeoOJUA2I
(8) https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200325_OTS0110/offener-protest-brief-an-politik-und-medien-aufruf-zur-aufhebung-der-corona-zwangsmassnahmen-anhang

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Hinweis zum Rubikon-Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Rainer Mausfeld aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 27.03.2020 bei Rubikon – Magazin für die kritische Masse.

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Bildquelle: Noppasin Wongchum / shutterstock

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