STANDPUNKTE • Zwischen den USA und China gibt es einen „Medienkrieg“ mit gegenseitigen Ausweisungen von Journalisten.

 Wie ist es dazu gekommen und was sagt das über die Pressefreiheit in den USA aus?

Ein Standpunkt von Thomas Röper

Der Streit zwischen China und den USA, der nun zur wechselseitigen Ausweisung von Journalisten geführt hat, begann schon Anfang Februar. Am 4. Februar hatte das „Wall Street Journal“ einen Kommentar unter der Überschrift „China ist der ‚wahre kranke Mann‘ Asiens“ veröffentlicht. Der Artikel enthielt viel Kritik an China, unter anderem wurde den chinesischen Behörden vorgeworfen, viel zu zögerlich auf den Corona-Ausbruch reagiert zu haben.

Aus heutiger Sicht, wo wir gerade beobachten können, wie die westlichen Staaten, inklusive den USA, kopflos, unkoordiniert, inkonsequent und viel zu spät auf die Pandemie reagieren, ist der Artikel fast schon lächerlich. Aber zu dem Zeitpunkt Anfang Februar stand China Kopf, die Quarantäne war gerade eingeführt worden und China fühlte sich durch den Kommentar verunglimpft, sprach sogar von Rassismus und forderte von der Zeitung eine Entschuldigung, die es natürlich nicht gab.

Am 19. Februar passierten dann zwei Dinge fast gleichzeitig und es ist nicht ganz einfach, festzustellen, was die Henne war und was das Ei. Nach meiner Erinnerung waren es die USA, am 19. Februar chinesische Journalisten ausgewiesen und die Arbeit chinesischer Medien in den USA eingeschränkt haben. In anderen Quellen war zu lesen, dass China zuerst als Reaktion auf den Kommentar drei Journalisten des „Wall Street Journal“ des Landes verwiesen habe.

Bei RT-Deutsch konnte man am Donnerstag zum Beispiel lesen:

„Die wechselseitigen Ausweisungen von Journalisten begannen im Februar, als die chinesischen Behörden drei Journalisten des Wall Street Journal fünf Tage Zeit gaben, das Land zu verlassen. Mit der Maßnahme reagierte Peking auf einen Meinungsartikel in dem Blatt, der China als den „wirklich kranken Mann Asiens“ bezeichnete. Die Zeitung weigerte sich, sich für den Artikel zu entschuldigen. Kurz darauf reduzierten die USA dramatisch die Zahl der Journalisten, die für vier chinesische staatliche Medienunternehmen in den USA arbeiten durften. Man reduzierte die Zahl der erlaubten Journalisten von 160 auf 100 sowie die Aufenthaltsdauer.“

Auch die russische Nachrichtenagentur TASS schrieb am Donnerstag dasselbe, wie RT-Deutsch: China habe zuerst US-Journalisten ausgewiesen, danach hätten die USA mit den Beschränkungen gegen chinesische Journalisten reagiert.

Das Problem dabei ist, dass ich mich auch an die Geschichte erinnere und nach meiner Erinnerung war es umgekehrt: Zuerst haben die USA die Arbeit der Chinesen eingeschränkt und danach haben die Chinesen die drei US-Journalisten ausgewiesen. Meine Erinnerung bestätigt ausgerechnet der Spiegel. Er hatte am 19. Februar in zwei Artikeln darüber berichtet. Der erste Artikel erschien um 3.17 Uhr in der Nacht unter der Überschrift „„Propaganda-Apparat“ – USA wollen Chinas Staatsmedien stärker kontrollieren„. In dem Artikel konnte man lesen:

„Die US-Regierung stuft Chinas staatliche Medien künftig als direkte Organe der kommunistischen Führung in Peking ein. Mit dem neuen Rechtsstatus gehen massive Kontrollen einher.“

In dem Artikel wurde aufgezählt, wie die chinesischen Medien von da an in den USA schikaniert werden dürfen. Als ich das damals las, wollte ich darüber schreiben, weil ich es als großen Widerspruch ansehe, wenn sich die USA als Hort der Presse- und Meinungsfreiheit bezeichnen, aber gleichzeitig die Arbeit von Medien, die eine abweichende Meinung haben, einschränken. Aber ich bin damals aus irgendwelchen Gründen nicht dazu gekommen, darüber zu schreiben.

Ebenfalls am 19. Februar, aber erst um 12.35 Uhr, hat der Spiegel einen zweiten Artikel zu dem Thema veröffentlicht. Unter der Überschrift „Wegen Kommentar zum Coronavirus – China weist drei US-Journalisten aus“ konnte man lesen:

„Die chinesische Regierung habe beim „Wall Street Journal“ gegen den Artikel protestiert, eine öffentliche und formelle Entschuldigung sowie eine Untersuchung der Verantwortlichkeiten gefordert. Die Zeitung habe aber nichts getan. Vor diesem Hintergrund habe sich die chinesische Regierung entschieden, die Akkreditierung von drei Korrespondenten zurückzuziehen. (…) Zuvor hatte die US-Regierung bekannt gegeben, ihrerseits chinesische Staatsmedien stärker kontrollieren zu wollen. Journalisten, die unter anderem für die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua in den USA arbeiten, müssen sich dort beim Außenministerium melden.“

Sowohl die Reihenfolge, in der die Artikel an dem Tag erscheinen sind, als auch die Formulierung im Spiegel, die US-Regierung habe „zuvor“ die Maßnahmen gegen die chinesischen Medien bekannt gegeben, bestätigen meine Erinnerung der Chronologie an dem Tag.

Hinzu kommt, dass die USA an jenem Tag nicht gemeldet haben, sie würden als Reaktion auf die chinesische Ausweisung der US-Journalisten ebenfalls Strafmaßnahmen verhängen. Sie haben stattdessen gesagt, sie wollten gegen die „chinesische Propaganda“ vorgehen. Von einer Reaktion auf die chinesische Ausweisung der US-Journalisten war gar nicht die Rede.

In den USA werden missliebige Medien immer stärker unterdrückt. In dem Land, das sich selbst als Hort der Meinungs- und Pressefreiheit feiert, wurden russische Medien als „ausländische Agenten“ eingestuft, was ihre Arbeit massiv behindert. Gleichzeitig geben die USA selbst offen zu, dass sie Milliarden pro Jahr ausgegeben haben, um Propaganda gegen Länder wie Russland und China zu unterstützen und zu finanzieren.

Da wirken die Beteuerungen der USA, sie meinten es mit der Pressefreiheit ernst, wie Hohn. Und auch die am 19. Februar getroffenen Maßnahmen sprechen eine deutliche Sprache. Während China drei Journalisten einer Zeitung ausgewiesen hat, weil die sich für einen Kommentar nicht entschuldigen wollte, haben die USA die Arbeit aller chinesischen Staatsmedien in den USA massiv eingeschränkt und 60 von 160 akkreditierten Journalisten die kurzfristige Ausweisung angekündigt.

Man kann China für die getroffene Maßnahmen mit Recht kritisieren, wegen eines Kommentares in einer Zeitung drei Journalisten auszuweisen, die mit dem Kommentar gar nichts zu tun haben. Aber man muss auch unbestreitbar festhalten, dass die Maßnahme der USA ungleich härter war, als die chinesische Maßnahme.

China hat mit seiner Reaktion auf das Vorgehen der USA fast einen Monat abgewartet. Am 17. März hat China auf die US-Maßnahmen reagiert und ebenfalls vielen US-Journalisten der Zeitungen The New York Times, Washington Post und The Wall Street Journal die Akkreditierungen entzogen. Die USA, die diesen „Medienkrieg“ angefangen haben, stellen sich jedoch als Opfer dar. Der Spiegel zitierte die Reaktion der USA:

„US-Außenminister Mike Pompeo kritisierte nun die Reaktion Chinas. „Ich hoffe, sie werden das überdenken“, sagte er in Washington. Der Vergleich zu den Maßnahmen der USA hinke, beklagte er. In den USA sei die Pressefreiheit in keiner Weise eingeschränkt.“

Und während der Spiegel nichts gegen die Beschränkungen für russische oder chinesische Journalisten in den USA einzuwenden hat, legte er nach Chinas Reaktion am Mittwoch nach. Unter der Überschrift „Peking weist US-Journalisten aus – „Durch diese Aktion verdunkelt sich China““ erschien ein weiterer Artikel zu dem Thema.

Fairerweise muss ich anmerken, dass der Spiegel den Sachverhalt in dem Artikel im Großen und Ganzen wahrheitsgemäß darstellt. Mit einer Ausnahme: Der Spiegel-Leser erfährt heute nichts davon, dass die USA chinesische Journalisten ausweisen. Daran muss der Leser sich selbst erinnern, der Spiegel schreibt nur von stärkerer Regulierung chinesischer Medien. Das klingt harmloser, als „Ausweisung“ und klingt im Spiegel so:

„China will Journalisten großer US-Zeitungen des Landes verweisen. Eine Retourkutsche: Erst vor Kurzem hatte Washington die Arbeit chinesischer Staatsmedien in den USA stärker reguliert. Jetzt protestieren die Korrespondenten.“

Ganz am Ende des Artikels fand sich noch folgender Satz, der den Leser, der nichts von der Ausweisung der chinesischen Journalisten weiß, gegen China einstellen muss:

„Angaben des FCCC zufolge müssen mindestens 13 US-Journalisten China verlassen.“

Der Spiegel berichtet in dem Artikel korrekt, dass China auf die US-Maßnahme reagiert. Aber was der Spiegel seinen Lesern verschwiegen hat, ist, dass die USA 60 Journalisten ausweisen wollen. Anti-Spiegel-Leser können nun selbst darüber nachdenken, ob Chinas Reaktion, 13 US-Journalisten – als Reaktion auf die US-Ausweisung von 60 chinesischen Journalisten – auszuweisen, gerechtfertigt oder zu hart ist.

Spiegel-Leser können darüber nicht nachdenken, denn der Spiegel hat seinen Lesern konsequent in allen Artikeln zu dem Thema verschwiegen, dass die USA überhaupt chinesische Journalisten ausweisen. Und erst recht hat die Spiegel niemals die Zahl genannt. In allen Spiegel-Artikeln zu dem Thema ist nur von „Einschränkungen“ oder „stärkerer Kontrolle“ der „chinesischen Staatsmedien“ die Rede.

Und dass böse, chinesische „Staatsmedien“ kontrolliert werden müssen, finden Menschen, die vom Spiegel indoktriniert worden sind, wahrscheinlich sogar sehr vernünftig.

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Danke an die Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Artikel erschien zuerst am 19.03.2020 auf ANTI-SPIEGEL

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Bildquelle:   DanielW / Shutterstock

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