STANDPUNKTE • Iran – 40 Jahre verfehlte Hoffnung (Podcast)

Die Islamische Republik Iran besteht seit 40 Jahren. Die von einer breiten Allianz getragene Revolution hat eines der repressivsten Regime gestürzt, die Hoffnungen vieler Revolutionäre auf Demokratie, Achtung der Menschenrechte und gerechte Verteilung der Ressourcen des Landes wurden aber betrogen. Eine Analyse, wie es zum Sturz des Schah kam und was daraus wurde.

Von Homayoun Alizadeh.

Am 11. Februar 2019 feierte die Islamische Republik Iran ihr vierzigjähriges Bestehen. Die Generation, welche die Revolution von 1979 gegen den Shah getragen hatte, fragt sich heute noch, wie es dazu kam, dass nach dem Sturz der Pahlewi-Dynastie ein theokratischer Staat im Iran etabliert wurde, welcher die Hoffnung von vielen Menschen auf Demokratie und Achtung der Menschenrechterechte zu Grabe getragen hat. Viele IranerInnen hatten gehofft, eine neue Welt basierend auf parlamentarischer Demokratie, Menschenrechtsprinzipien sowie sozi-ökonomischen und politischen Fortschritten aufzubauen. Heute fragen sich viele Menschen, auch die junge Generation im Iran, wie es dazu kam, dass diese Revolution von 1979 ihre anfänglichen Ziele zur Verwirklichung der Freiheit, Gleichheit und des gesellschaftspolitischen Pluralismus verfehlte und gänzlich in eine entgegengesetzte Richtung verlief, wo der Islam als oberstes Prinzip sowohl im öffentlichen als auch privaten Leben jedes Einzelnen gilt. Auch viele  Menschen stellen sich die Frage, wie es überhaupt zu dieser Revolution kam und was die Hintergründe für diesen Aufstand gegen den Schah, welcher in Augen vieler als Garant der Stabilität nicht nur im Iran aber auch in der ganzen Region galt, waren.

Die Hintergründe der Revolution

Die Ursachen der Revolution von 1979 sind mannigfaltig und mehrdimensional, zumal in den Jahren von 1330/1951 bis 1332/1953, und 1342/1963 bis 1357/1978 jene politischen und sozi-ökonomischen Rahmenbedingungen geschaffen wurden, die maßgeblich zum Sturz des Schah geführt haben, welcher zur damaligen Zeit die sechstgrößte Armee der Welt mit dem größten Arsenal moderner Waffen in ganz Asien besessen hatte. Man muss die Hintergründe der Revolution von 1979 aus den innen- und außenpolitischen Perspektiven betrachten.

Militär-Putsch von 1953

Der erste wichtige innenpolitische Faktor als Ursache der Revolution geht auf die politischen Ereignisse von 1953 zurück, in welchen der Schah mit Hilfe der Geheimdienste der USA und Großbritanniens (Operation Ajax) den gewählten Premierminister Dr. Mohammad Mossadegh (1882-1967) und seine Regierung im August 1953 stürzte. Der Putsch führte schnell zu einer intensiven Verwicklung der USA in die iranische Politik, die in der iranischen Öffentlichkeit als äußerst negativ angesehen wurde. Teile der Armee, Grundbesitzer, konservative Politiker und der Großteil des religiösen Establishments halfen direkt oder indirekt beim Putsch mit und stellten die gesellschaftspolitische Grundlage für das Schah-Regime dar, wurden jedoch wenig später ebenfalls politisch ausgeschaltet, sodass der Schah über keine reelle soziale Basis oder politische Legitimität verfügte und zunehmend auf repressive Instrumente und die Unterstützung fremder Mächte – insbesondere der USA – vertrauen musste.

Premierminister Mossadegh galt als ein Hoffnungsträger und Kämpfer der Nation, welche die Verstaatlichung der iranischen Ölindustrie gegen die Interessen von Großbritannien durchsetzen wollte und wegen seiner demokratischen Gesinnung über Generationen hinweg heute noch eine große Beliebtheit genießt. Mit dem Putsch von 19. August 1953 (28 Mordad 1332) begann eine neue Ära für Schah Reza Pahlewi, welcher mit eiserner Hand das Land bis 16. Jänner 1979 führte. Der Schah duldete keine Opposition und jeder Widerstand wurde durch die berüchtigte SAVAK-Organisation unterdrückt. Nach dem Putsch wurde die damalige Partei von Dr. Mossadegh, die National Front, sowie die Tudeh-Partei (ein Pendant der damaligen KPdSU) sowie andere oppositionelle Organisationen verboten. Ihre Mitglieder wurden entweder hingerichtet oder bekamen langjährige Haftstrafen.  

Die Landreform – „Die Weiße Revolution“

Innenpolitisch betrachtet, wollte der Schah den Iran nach westlichen Vorstellungen modernisieren und in den folgenden 20 Jahren auf den Stand der Entwicklung der fortschrittlichsten Länder der Welt heben. Zu diesem Zweck bezeichnete er sein Vorhaben als die „Weiße Revolution“, in welcher die Landreform, die Privatisierung der Industrie, das Frauenwahlrecht und eine Bildungsoffensive die zentralen Modernisierungsbestrebungen waren. Aus heutiger Sicht hat die „Weiße Revolution“ aber auch die sozio-ökonomischen und vor allem kulturellen Widersprüche in der iranischen Gesellschaft verschärft und somit einen Nährboden für den schiitischen Klerus geschaffen, welcher die Modernisierungsbestrebungen des Schah als Verwestlichung des Iran und einen Angriff auf den Islam betrachtete. 

Die Landreform brachte nicht die Ergebnisse, die der Schah sich gewünscht hatte. Die Bauern bekamen die Felder nicht geschenkt, sondern mussten dafür teure Kredite aufnehmen und selbst für Bewässerung, Zugvieh und Geräte sorgen. Die Bauern konnten daher keine ausreichenden Erträge aus der Landwirtschaft erwirtschaften. Dies führte dazu, dass die Mehrzahl der Bauern ihre Ländereien an die ehemaligen Feudalherren, die jetzt als Aktionäre der Banken tätig waren, verkaufen mussten und in die Städte wie Isfahan, Schiraz, Maschad und Teheran wanderten und sich an den dortigen Stadträndern niederließen. Da zur damaligen Zeit mit Ausnahme einiger Montagefabriken im Iran keine Schwerindustrie existierte, konnten sie nicht als Arbeitskraft, wie dies in Europa stattgefunden hatte (Zeitalter der Industrialisierung), in einen ordentlichen Arbeitsprozess integriert werden und somit bildete diese Gruppe als Slumbewohner der Großstädte die Hauptunterstützer der Revolution von 1979. 

Mit den Modernisierungsmaßnahmen des Schahs wurden keine gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen geschaffen, um den Demokratisierungsprozess im Iran voranzutreiben. Im Gegensatz, es wurde der Sicherheitsapparat wie etwa die SAVAK gestärkt, um die Opposition zu unterdrücken und zahlreiche Regimekritiker wurden zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Nach Berichten von Amnesty International standen Folter und Hinrichtungen an der Tagesordnung. 

Khomeini als Gegner

Ein weiterer innenpolitischer Faktor der iranischen Revolution war der Umstand, dass nach dem Tode von Ayatollah Boroujerdi im Jahr 1961, welcher als der prominenteste Schiitenführer nicht nur im Iran sondern auch in der ganzen Region galt und sich stets gegen eine Einmischung des schiitischen Klerus in die Politik aussprach, Ayatollah Rohollah Khomeini sich durch seine ablehnende Stellungnahme gegen die „Weiße Revolution“ einen Namen machen konnte. Khomeini hat zum Beispiel die Eidablegung der Vorsteher der Landes- und Provinzverbände auf die Bibel und die Tora als eine gegen den Islam gerichtete Handlung interpretiert und auf‘s Schärfste verurteilt. Die Verabschiedung eines Gesetzes (Kapitulationsgesetz), wonach amerikanische Staatsbürger bei Straftaten nicht vor einem iranischen, sondern vor einem amerikanischen Gericht verurteilt werden müssen, wurde von Khomeini als Verwestlichung des Irans bezeichnet und er hat sich öffentlich gegen das Gesetz gestellt. Auch die Stärkung der Frauenrechte und die Alphabetisierungskampagne auf dem Lande, welche als Bestandteil der „Weißen Revolution“ galten, wurden von Khomeini als ein Angriff auf den Islam interpretiert. Khomeini hat das Referendum über das Reformprogramm des Schahs als ein gegen Gott gerichtetes Vorhaben gebrandmarkt und alle Gläubige dazu aufgerufen, nicht an der Abstimmung teilzunehmen. Khomeini hat in seiner Rede Anfang Juni 1963 das Schah-Regime scharf kritisiert und die wachsende Korruption, die Gewalttätigkeit von Polizei, Militär und dem berüchtigten Geheimdienst SAVAK angeprangert. Nach dieser Rede wurde Khomeini vom SAVAK verhaftet, was dazu führte, dass mehr als 10.000 Demonstranten am 5. Juni 1963 durch die Straßen Teherans marschierten, um dagegen  zu protestieren. Die Armee wurde zur Hilfe gerufen und in Teheran wurde der Ausnahmezustand verhängt. Khomeini wurde freigelassen, wurde aber im November 1964 wieder verhaftet und in die Türkei und später nach Najaf (Irak), ein heiliger Ort der Schiiten, in‘s Exil geschickt. Viele Anhänger des heutigen Regimes bezeichnen die Ereignisse von 1963 als die Geburtsstunde der Islamischen Revolution von 1979. Im Irak stand Khomeini mit der iranischen Opposition in Verbindung und konnte sein Buch „Der Islamische Staat“ (1969) veröffentlichen, in welchem er seine Doktrin über die „Welayat-e-faghih“ („Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten“) formulierte. In diesem Zusammenhang ist auf die Tatsache hinzuweisen, dass zur damaligen Zeit über 70.000 Dörfer im Iran existierten und in jedem Dorf stellte ein schiitischer Führer (Mullah) eine Art religiöse Autorität dar und wurde zugleich als ein verlängerter Arm von Khomeini angesehen, welche die landesweiten Proteste gegen das Schah-Regime mitgetragen haben. Diese religiösen Kader haben maßgeblich zur Errichtung der Islamischen Republik Iran beigetragen. 

Zwei Vordenker der Revolution

Durch die Veröffentlichung einiger Werke von Intellektuellen wie etwa Djallale Al-e-Ahmad, welcher die Verwestlichung (Gharbzadegi) als eine Plage bezeichnete, die die iranische Gesellschaft vergiftete, und Ali Schariati, welcher mit seinen Predigten in einer Moschee in Norden von Teheran Tausende Jugendliche begeisterte und die Verknüpfung sozialistischer und schiitischer Konzepte in den 1970er Jahren propagierte, war eine Brücke zwischen linken und islamischen Gruppierungen entstanden, Dadurch wurden weitere innenpolitische Fakten geschaffen, die maßgeblich zur Revolution führten.

Und nicht zuletzt wurden die vom Schah inszenierten Feierlichkeiten zum 2500jährigen Bestehen der persischen Monarchie (1971), in welchen er sich selbst zum “König der Könige” ausrief, von vielen Kritikern als die wohl protzigste und verschwenderischste Party aller Zeiten bezeichnet. Auch die Einführung eines neuen Kalenders, der als Anfangspunkt der Zeitrechnung nicht die Hejrat des Propheten Mohammeds, sondern die Krönung des Königs Kyros I. hatte, war für Khomeini ein Affront.

Außenpolitische Hintergründe

Außenpolitisch betrachtet, gab es mehrere Gründe, die zum Sturz des Schah geführt haben. Präsident Jimmy Carter hat durch seine Menschenrechtspolitik, welche in den Siebziger Jahren als eines seiner wichtigsten außenpolitischen Programme galt, Druck auf den Schah ausgeübt, politische Reformen im Iran durchzuführen. Der Schah hatte aber Bedenken gegen die von Carter geforderte politische Öffnung, zumal seit den Ereignissen von Juni 1963/1342 zwei bewaffnete marxistisch-leninistische Gruppierungen, Volks-Mudjaheddin und Fedayne-Khalgh existierten, die den Schah stürzen wollten. 

Nicht nur die Existenz dieser Guerillaorganisationen hat der Carter-Administration Kopfzerbrechen bereitet sondern auch die Tatsache, dass sich der Chef der iranischen Streitkräfte als Spion für die UdSSR herausstellte, und nicht zuletzt der Umstand, dass der Schah an einer unheilbaren Krebskrankheit litt und ihm nur mehr wenig Zeit blieb, seiner Rolle als Gendarm der Region langfristig gerecht zu werden. 

Bei der Konferenz von Guadeloupe (4.-7. Januar 1979), welche auf Einladung des damaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing erfolgte, wurde unter anderem mit Präsident Carter, dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt sowie dem britischen Premierminister James Callaghan über die Krise im Iran, eine der bedeutendsten sicherheitspolitischen Fragen der damaligen Zeit, diskutiert. Die entscheidende Frage war, ob der Westen den Schah weiterhin unterstützten sollte oder ob man das Gespräch mit seinem politischen Gegner Ayatollah Khomeini suchen sollte. Auf der Konferenz wurden keine offiziellen Beschlüsse betreffend den Iran gefasst. Der französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing wurde allerdings beauftragt, den Kontakt zu Khomeini herzustellen und die Frage eines möglichen Regierungswechsels zu erörtern.

Es ist davon auszugehen, dass der Westen nicht mehr an die Verläßlichkeit des Schahs als Garant der Stabilität im Iran und der Region geglaubt hat und Ayatollah Khomeini wurde als eine anti-kommunistische Figur im Sinne der Truman‘schen-Doktrin angesehen, welcher durch seine islamisch gesinnte Anhängerschaft in der Lage war, den Expansionsbestrebungen der damaligen UdSSR und somit den marxistisch-leninistisch orientierten Gruppierungen im Iran Einhalt zu gebieten. Die Tatsache, dass hunderttausend Menschen auf die Strasse gingen, um gegen den Schah zu demonstrieren, hat den Westen davon überzeugt, dass dieser nicht mehr in der Lage war, das Land weiter zu regieren, zumal seine abwechselnden Ministerpräsidenten außer Stande waren, der Lage Herr zu werden. Auch die Entsendung des damaligen Vier-Sterne-Generals Robert Ernest Huyser in den Iran hatte den Zweck, die hochrangige militärische Führung mit Ayatollah Khomeini zusammen zu bringen, um eine Transmission der Macht auf die neue Regierung zu ermöglichen. Die Tatsache, dass General Huyser während seines Aufenthalts im Iran fast alle Führer der iranischen Streitkräfte traf, jedoch kein Gespräch mit dem Schah hatte, untermauert die These, dass der Westen den Schah fallen gelassen hat und dass General Huyser eine intakte Armee der neuen Staatsführung übergeben und das Militär von den politischen Geschehnissen fern halten sollte. General Huyser führte auch Gespräche mit Oppositionellen, darunter Mehdi Bazargan, welcher später erster Ministerpräsident von Khomeini wurde.

Dem Schah wurde seitens der amerikanischen und britischen Botschafter nahegelegt, Iran zu verlassen, in der Hoffnung, dass sich die Lage beruhigen würde. Als sein letzter politischer Akt hat der Schah Dr. Shahpour Bakhtiar als Ministerpräsidenten ernannt und wartete, bis dieser vom Parlament bestätigt wurde, bevor er zum Flughafen fuhr. Dann verließ der Schah den Iran am 16. Jänner 1979. Er starb mit 60 Jahren in Ägypten am 27. Juli 1980 in Folge seines Krebsleidens. 

Iranische Studenten im Ausland

Als Antwort auf den Putsch gegen Dr. Mossadegh von 1953, den Tod von drei Studenten und vielen Verletzten, welche am 7. Dezember 1953 auf der Universität von Teheran gegen den Staatsbesuch des damaligen Vizepräsidenten der USA, Richard Nixon, protestierten, und die fortdauernde politische Unterdrückung im Iran, haben die im Ausland studierenden IranerInnen im April 1960 in Heidelberg die „Confederation of Iranian Students, National Union (CISNU) gegründet. Diese politische Bewegung, welche sich aus den verschiedenen politischen Richtungen zusammensetzte und über klare organisatorischen Strukturen verfügte, umfasste die bedeutsamsten Gruppierungen der iranischen Opposition gegen den Schah in Europa und den USA. Die Hauptaufgabe der CISNU war es, einerseits die öffentliche Meinung in Europa und den USA gegen die Menschenrechtsverletzungen des Schah-Regimes zu mobilisieren und andererseits Druck auf die iranischen Behörden zur Verbesserung der Lage der politischen Häftlinge auszuüben.

Die CISNU organisierte gemeinsam mit den jeweiligen einheimischen Organisationen große Demonstrationen in Europa und den Vereinigten Staaten gegen Besuche des Schah oder seiner Familienmitglieder. Eines der dramatischsten Ereignisse dieser Art fand am 2. Juni 1967 während des Besuchs der Schah in West-Berlin statt. Bei der gewaltsamen Konfrontation zwischen den Demonstranten und der Polizei wurde der deutsche Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten aus kurzer Distanz erschossen.   Dieses tragische Ereignis trug wesentlich dazu bei, dass sich nicht nur die westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre sondern auch die iranischen Studenten im Ausland radikalisierten. 

Im Juni 1976 besetzten Aktivisten der CISNU das persische Konsulat in Genf und konnten Unterlagen sicherstellen, aus denen hervorging, dass die SAVAK nicht nur Informationen über persische Studenten gesammelt hat sondern auch über ausländische Bürger, darunter auch Mitglieder des britischen Parlaments. Auch die Artikel des Kolumnisten Jack Anderson in der Washington Post haben den Schah diskreditiert und dazu beigetragen, dass eine Untersuchung des US-Kongresses über die SAVAK-Aktivitäten initiiert wurde. 

Bei dem letzten Empfang des Schah durch den US-Präsidenten, Jimmy Carter, im Weißen Haus, welcher am 15. November 1977 stattfand, kam es zu einer Großdemonstration, bei welcher die Polizei Tränengas gegen die Studenten einsetzte. Als einige Tränengaskörper während der Empfangszeremonie über den Rasen des Weißen Hauses flogen, mussten die hochrangigen Gäste, darunter der Schah, Farah Diba, Jimmy Carter und seine Gattin die Tränen aus ihren Augen wischen. Diese Bilder, welche im Iran und im gesamten Nahen Osten weit verbreitet wurden, hat vielen Iranern/innen das Gefühl vermittelt, dass der Schah nicht so mächtig ist, wie es den Anschein hatte. 

Initialzündung der Revolution

Mit Beginn des Monats Ordibehesht 1356 (April 1977) hat die iranische Schriftstellervereinigung, welche aus Schriftstellern, Dichtern, Übersetzern und anderen Intellektuellen bestand, einen offenen Brief an den Schah geschickt, in welchem die Freilassung aller politischen Gefangenen, Abhaltung von freien Wahlen und die Realisierung der Meinungs- und Pressefreiheit gefordert wurde. Im gleichen Sinne haben am 22 Khordad 1356 (22. Mai 1977) Dr. Shahpour Bakhtiar, Karim Sanjabi und Dariush Forouhar einen offenen Brief an den Schah geschrieben, um ihn zu sofortigen politischen Reformen zu bewegen. Im Goethe Institut in Teheran wurden Sitzungen und Dichterlesungen veranstaltet, an denen Intellektuelle und oppositionelle Persönlichkeiten  teilnahmen und über die Zukunft des Landes diskutierten. Diese Zeit kann als die Initialzündung der Revolution von 1979 angesehen werden.

Die Veröffentlichung eines Artikels über Rohollah Khomeini in der offiziellen staatlichen Zeitung Ettela-at im Jänner 1978, in welchem dieser unter anderem als kommunistischer Verschwörer geschmäht wurde, die am 9. Jänner von Studenten in Ghom organisierte Sympathiekundgebung für Khomeini, welche von den Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst wurde, wobei vier Demonstranten ums Leben kamen, und die darauffolgenden im 40tägigen Rhythmus ablaufenden Gedenkkundgebungen, welche landesweit für die in Ghom gestorbenen Demonstranten stattfanden, waren die weiteren Ereignisse, welche als Beginn der Islamischen Revolution bezeichnet werden können. Der Brandanschlag im Rex Kino in Abadan, bei dem über 400 Menschen um‘s Leben kamen, und der Schwaze Freitag (8. September 1978 – 17. Schahrivar 1357), an dem zahlreiche tote Demonstranten und Polizisten zu beklagen waren, haben zu weiteren landesweiten Protesten und schließlich zu einem Generalstreik, der auch die Ölindustrie erfasste, geführt. Am 5. November 1978 stand Teheran in Flammen. Verwaltungsgebäude ausländischer Firmen, Kinos, Läden, in denen Alkoholika verkauft wurden, Busse, Autos und vor allem Bankgebäude waren von oppositionellen Gruppen in Brand gesteckt worden.

Die Periode der Machtkonsolidierung

Die Zeit zwischen Februar 1979 und September 1981 kann als die Periode der Konsolidierung der Macht der neuen Staatsführung im Iran bezeichnet werden. Am 1. Februar 1979 kehrte Khomeini nach seinem 14-jährigen Exil in den Iran zurück. Am 11. Februar 1979 haben die führenden Militärs auf Ersuchen von General Hossein Fardoust, welcher ein Schulfreund des Schah war und über zehn Jahre als Stellvertretender SAVAK-Direktor fungierte, eine Erklärung unterschrieben, wonach die Armee versicherte, sich vis-a-vis der neuen Staatsführung neutral zu verhalten. Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass General Fardoust im Auftrag des Westens gehandelt hat, um einen internen militärischen Konflikt zu vermeiden und damit eine reibungslose Machtübernahme durch den Revolutionsführer Khomeini zu ermöglichen. Nach der Verkündung dieser Erklärung musste Premierminister Bakhtiar aufgeben und untertauchen. Zwei Tage später wurden die hochrangigen Militärs von den Khomeini- Anhängern verhaftet und durch den neuernannten Scharfrichter Khalkhali ohne Gerichtsverfahren hingerichtet. Amnesty International verzeichnete vom Beginn der Revolution im Februar 1979 bis Ende 1981 3.800 Hinrichtungen, bis Ende Dezember 1983 wurden 5.447 Hinrichtungen gezählt.

Ende Februar 1979 wurde die Islamisch-Republikanische Partei (IRP) gegründet, die Khomeinis Staatsdoktrin des „Velayat-e Faqih“ gegen die Entwürfe anderer Oppositionsgruppen durchsetzen sollte und damit seinen längst ersehnten Wunsch, dass nämlich „die rechtlich-politische Grundlage des islamischen Staates nicht auf der Volkssouveränität als verfassungsgebender Gewalt beruht, sondern auf Gott“, in die Wirklichkeit umgesetzt. Nach dem Referendum vom 30. März 1979 wurde am 1. April 1979 von Khomeini die „Islamische Republik Iran“ ausgerufen, deren Verfassung in einem weiteren Referendum am 3. Dezember 1979 angenommen wurde. Khomeini wurde in der Verfassung als Revolutionsführer, oberster Rechtsgelehrter und Stellvertreter des 12. Imam auf Lebenszeit festgeschrieben.

Am 4. November 1979 kam es zur Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran durch radikale Studenten und zum Beginn der mehr als einjährigen Geiselnahme von Teheran, zu der Khomeini zuvor indirekt aufgerufen hatte. Dieses Ereignis ist als der Beginn der totalen Machtübernahme durch die Khomeini-Anhänger und Besetzung von Schlüsselpositionen innerhalb der staatlichen Gewalt zu bezeichnen. Die Gründung bzw. Ausweitung der Befugnisse der aus der iranischen Hezbollah hervorgegangenen paramilitärischen Verbände wie der Revolutionsgarde (Pasdaran) und der Basij waren weitere Schritte, um den Machtanspruch von Khomeini und seiner Anhängerschaft auf lange Sicht zu sichern. Auf Anordnung von Khomeini wurden am 4. Juni 1980 alle Universitäten geschlossen und somit wurde mit einer islamischen Kulturrevolution begonnen. Mehdi Bazargan trat aus Protest gegen die Besetzung der amerikanischen Botschaft von seinem Amt als Ministerpräsident zurück. 

Mit der Absetzung von Banisadr (22. Juni 1981) und der damit zusammenhängenden Großdemonstration von Mujaheddine Khalq im Juni 1981, erreichte die Säuberungswelle ihren Höhepunkt. Zu spät haben die politischen Organisationen wie etwa die Tudeh Partei, die Nationale Front, die Organisation der Volks Fedayin-Khalq und die Volks Mujaheddin-Khalq, die anfänglich Khomeini unterstützt hatten, erkannt, dass für sie im neuen Staat kein Platz war. Es war die Kurzsichtigkeit der linksgerichteten Organisationen und Intellektuellen gewesen, welche daran glaubten, dass die „Mullahs“ nicht im Stande wären, einen Staat zu führen und früher oder später die Säkularen in die Lage kommen werden, die Staatsgewalt zu übernehmen. Bis Ende 1982 haben über 1,5 Millionen IranerInnen das Land verlassen und sich in Europa, den USA, Australien und Kanada niedergelassen. Heute sind es über 8 Millionen IranerInnen, welche sich im Ausland befinden.

40 Jahre nach der Revolution

Die Jahre von 1980 bis 1988 waren gekennzeichnet durch massive Zerstörungen der infrastrukturellen Einrichtungen in Folge des Iran-Irak Krieges, dem hunderttausende Menschen auf beiden Seiten zum Opfer fielen. Millionen Menschen wurden obdachlos und Provinzen des westlichen Iran weitgehend verwüstet.  

Die Zeit von 1988 bis 1997 war dem Wiederraufbau des Landes nach dem achtjährigen Krieg gewidmet.  Khomeini starb am 3. Juni 1989 und Ali Khamenei wurde zu seinem Nachfolger als Revolutionsführer ernannt. Vor dem Tod von Khomeini wurden auf seine Weisung über 4.000 politische Gefangene innerhalb von drei Monaten (Juli-September 1988) hingerichtet (Koshtar-e 67), was von Menschenrechtsorganisationen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit klassifiziert wird. Hashemi Rafsanjani (1934-2017), welcher als der Architekt der Islamischen Republik Iran galt und Khomeini sehr nahe stand, wurde zweimal als Staatspräsident gewählt (1989-1997), er leitete eine Phase der wirtschaftlichen Konsolidierung nach dem Krieg ein. Während seiner Präsidentschaft wurde im Iran systematisch eine Reihe von politischen und Intellektuellen Persönlichkeiten ermordet. Die sogenannten „Kettenmorde“ (Ghatl-haye Zanjire-ee) wurden unter Führung des damaligen Geheimdienstminister, Ali Fallahian, durchgeführt. Insgesamt wurden 80 Schriftsteller (Mohammad Mokhtari Jafar Pouyandeh), Übersetzer, Dichter und politische Aktivisten (Dariush und Parwaneh Forouhar) ermordet. Auch im Ausland wurden oppositionelle Persönlichkeiten, wie etwa der Kurdenführer Dr. Abdoll-Rahman Ghassemlou, in Wien ermordet (Juli 1989).

Mit der Wahl von Mohammad Khatami (1997-2005) hofften seine 20 Millionen Wähler, dass er das System reformieren könnte. Khatami stieß aber mit seinen Reformbestrebungen auf großen Widerstand der religiös Konservativen und enttäuschte daher manche seiner Wähler.

Bei der Präsidentschaftswahl im August 2009 wurde entgegen aller Erwartungen nicht Mirhossein Musawi, sondern der von Khamenei unterstützte Kandidat, Mahmoud Ahmadinejad (2005-2013), wiedergewählt, was dazu führte, dass Millionen Menschen auf die Straßen gingen, um gegen die Wahlmanipulation zu protestierten. Diese Bewegung, welche sich „Grüne Bewegung“ nannte, wurde durch das Einschreiten der Revolutionswächter sowie anderer Sicherheitskräfte brutal niedergeschlagen. Die Ära von Ahmadinejad ist durch seine polarisierende Haltung gegenüber dem Westen, vor allem dem Staat Israel, wirtschaftliche Stagnation, hohe Arbeitslosigkeit sowie Korruption gekennzeichnet. 

Mit der Wahl von Hassan Rohani als siebenter Präsident der Islamischen Republik haben viele Iraner/innen auf eine wirtschaftliche Entwicklung und politische Öffnung gehofft, die wiederum bis heute nicht in Erfüllung ging. Das von Rohani eingeleitete und im Jahr 2015 abgeschlossene Atomabkommen mit den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates sowie Deutschland hat für das Land keine konkreten wirtschaftlichen  und politischen Ergebnisse gebracht. Innenpolitisch erzeugte der Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen im Mai 2018 große Verunsicherung. Es war auch eine herbe Niederlage für Präsident Rohani, der von den Hardlinern für den Atomvertrag stets heftig kritisiert wurde.

Das heutige Regime im Iran ist mit enormen sozio-ökonomischen und politischen Problemen konfrontiert. Das sind eindeutige Anzeichen dafür, dass die gegenwärtige Regime im Iran kaum in der Lage ist, die notwendigen Lösungen vorzunehmen. Hinzu kommt noch der Umstand, dass durch weitverbreitete Korruption und Machtmissbrauch das Regime in den Augen vieler seiner Anhänger die religiöse und gesellschaftspolitische Legitimität verloren hat und somit kein Ansehen mehr in der Bevölkerung genießt.

Nach 40 Jahren getäuschter Hoffnungen auf einen demokratischen Iran, glauben trotzdem viele IranerInnen nach wie vor daran, dass der Kampf für Demokratie und Verwirklichung der Menschenrechte weitergehen muss. 

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Homayoun Alizadeh war als österreichischer Beamter des Bundesministeriums für Inneres im Flüchtlingsbereich und von 1995 bis 2014 als leitender Funktionär des Büros des UNO-Hochkommissärs für Menschenrechte in Afrika, Asien und Genf tätig. Er ist auch Redaktionsmitglied von INTERNATIONAL.

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Quellen

1 Vgl.: Roger Louis: Britain and the Overthrow of the Mosaddeq Government. In: Mark J. Gasiorowski, Malcom Byrne (Hrsg.): Mohammad Mosaddeq and the 1953 Coup in Iran. Syracuse University Press, 1. Aufl., Syracuse & New York 2004, ISBN 0-8156-3018-2, S. 126–177; und Maziar Behrooz: The 1953 Coup in Iran and the Legacy of the Tudeh. In: Mark J. Gasiorowski, Malcom Byrne (Hrsg.): Mohammad Mosaddeq and the 1953 Coup in Iran. Syracuse University Press, 1. Aufl., Syracuse & New York 2004, ISBN 0-8156-3018-2, S. 102–125.

2 Vgl.: Homa Katouzian: Mosaddeq’s Government in Iranian History – Arbitrary Rule, Democracy, and the 1953 Coup. In: Mark J. Gasiorowski, Malcom Byrne (Hrsg.): Mohammad Mosaddeq and the 1953 Coup in Iran. Syracuse University Press, 1. Aufl., Syracuse & New York 2004, ISBN 0-8156-3018-2, S. 1–26.

3 Nachdem noch vor der Amtsübernahme Mossadeghs die iranische Ölindustrie per Gesetz verstaatlicht worden war, fiel Premierminister Mossadegh die Aufgabe zu, die weiteren Verhandlungen mit der mehrheitlich im britischen Besitz befindlichen Anglo-Iranian Oil Company (AIOC) zu führen. Grundlage dieser Verhandlungen bildete der zwischen der AIOC und dem iranischen Staat geschlossene Konzessions- und Gewinnabführungsvertrag. Nach einem Abkommen vom 29. April 1933, das eine Laufzeit von 60 Jahren hatte, belief sich der persische Anteil am Gewinn auf 20 bis maximal 25 %. Iran wollte diesen Verteilungsschlüssel zu seinen Gunsten ändern und bestand auf einem Anteil von 50 %. Die Diskussion um die Revision des Gewinnverteilungsschlüssels wurde dadurch ausgelöst, dass US-amerikanische Ölgesellschaften ihren Partnern in Saudi-Arabien eine Gewinnbeteiligung von 50 % an den Öleinnahmen zugestanden hatten. Auch der Irak und Kuwait erhielten einen höheren Anteil an den Öleinnahmen als Iran. Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Mohammad_Mossadegh.

4 Im Jahr 1977 hat der Schah in einem Interview mit einem ausländischen Journalisten zugegeben, dass in den iranischen Gefängnissen Folter angewandt wird.

5 Khomeini hat erstmal seine Schrift „Kašf al-asrār Hezarsaleh“ (Enthüllung der tausendjährigen Geheimnisse) als Antwort auf die Schrift von Hakamizadeh, in welcher er den schiitischen Gelehrten 13 Fragen stellte, im Jahr 1943, nach der Abdankung Reza Schahs, veröffentlicht.

6 Aufruf vom 28. Oktober 1964 gegen das Kapitulationsgesetz. Siehe: Ulrich Tilgner: Umbruch in Iran, S. 100.

7 Siehe: Abbas Milani: Eminent Persians. Syracuse University Press, 2009, S. 51.

8 Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Mohammad_Reza_Pahlavi.

9 Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Konferenz_von_Guadeloupe

10 Vgl.: Encyclopaedia Iranica: Confederation of Iranian Students, National Union; http://www.iranicaonline.org/articles/confederation-of-iranian-students.

11 Nahzat-e azadi-e Iran (Iran liberation movement), Jame-ehe Socialist-ha-ye nezat-e melli-e Iran (Socialist league of the Iranian national movement), Jeb-heye melli (National Front), Tudeh Party (UdSSR oriented), Sazeman-e Enghelabi (Revolutionary Organisation/China oriented), Sazeman-e Marxist Leninist-e tufan (Storm Marxist-Leninist Organisation).

12 Die CISNU hatte weltweit über hunderttausend Mitglieder (1978) und finanzierte sich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder.

13 Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Benno_Ohnesorg.

14 Das tragische Ereignis von 2. Juni 1967 löste unter anderem die Schaffung der “außerparlamentarischen Opposition” in der Bundesrepublik Deutschland aus.

15 The Times, 23. Juli 1976, S. 1, 7.

16 The Washington Post, 29. Oktober 1976, S. 15, und 4. November 1976, S. 11.

17 Vgl.: http://chinaconfidential.blogspot.com/2011/11/now-it-can-be-told-carter-allowed-and.html; sowie https://www.google.de/search?q=meeting+shah+Jimmy+carter+in+white+house&tbm=isch&source=hp&sa=X&ved=2ahUKEwiS3IbtvN_hAhXps4sKHaMGDssQsAR6BAgIEAE&biw=2319&bih=1280

18 Vgl.: Hans-Georg Müller in: Die islamische Republik Iran. 1987, S. 98.

19 Vgl.: Charles Kurzmann: The Unthinkable Revolution in Iran. Harvard University Press, 2004, S. 37.

20 Amnesty International, Jahresbericht 1983, S. 404.

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Dieser Beitrag erschien zuerst bei International – Die Zeitschrift für internationale Politik

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