Zur Stärkung der Friedensbewegung – Karl-Heinz Peils ‚Flugschrift‘ zu den Kontroversen der letzten Jahre

Der Friedensaktivist Karl-Heinz Peil hat ein wichtiges Material zu den immer wieder aufflammenden Kontroversen in alternativen Spektren zum Thema „Ist der antifaschistische Konsens in der Friedensbewegung gefährdet?“ als >Flugschrift zu Querfrontdebatten, Diffamierungen und Medienkompetenz< ausgearbeitet. Das Material ist für alle an alternativen Bewegungen Interessierte und in ihnen Aktive relevant. Es ist darauf orientiert, als „praktischer Leitfaden für weitere Diskussionen zu dienen“. Ein sachlicher Diskurs ist in der gegenwärtigen internationalen und nationalen Lage dringend notwendig, denn die Kräfte, die gegen die Kriegsgefahr und weitere Zukunftsgefährdungen stehen, sind und bleiben schon angesichts des Nato-Kurses und des Kurses der USA, sowie der Bundes’verteidigungs‘ministerin existenziell wichtig:

K.-H. Peil verweist darauf, dass wir „in Zeiten wachsender Spannungen, Konflikte, Kriege und immer gefährlicher werdender Bedrohungen für den Weltfrieden“ leben.

Zentral für die Bedrohungen ist die Tastsache, dass die Nato und hinter ihr stehende Kräfte derzeit die weltweite Militarisierung und Gefahren immer größerer Kriege unter anderem durch Aufrüstungspläne um einen insgesamt dreistelligen Milliardenbetrag bis 2024 steigern, dass sie durch massive und häufige Völkerrechtsbrüche etwa durch Drohneneinsätze in Form außergerichtlicher Tötungen nach dem Recht des Stärkeren, sowie durch die zunehmende Fernsteuerung, Automatisierung und Digitalisierung des Krieges die Grenzen zwischen Krieg und Frieden zunehmend verwischen. Besonders unverantwortlich ist hier die Planung der Nato, neue und leichter einsatzfähige Wasserstoffbomben des Typs B 61 – 12 für weit über 1.000 Mrd. $ innerhalb der drei Jahrzehnte ab 2018 zu stationieren, auch in Deutschland.

Um ihr brandgefährliches Vorgehen in der Öffentlichkeit durchsetzen zu können, brauchen die Militaristen einen Sieg in dem, was sie Informationskrieg nennen:

Militaristen, Nato-affinine Atlantiker und ihre Unterstützer stört es, dass die Friedensbewegung einen weiter bestehenden deutlichen Einfluss auf die Öffentlichkeit im Prozess der Meinungsbildung hat. Auf der Essener Konferenz der Nato-Einrichtung JAPCC Ende November 2015 zum Thema ‘Strategische Kommunikation‘  bedauerten die Militärs, es gäbe Einheiten (‘entities‘), die der Nato gegenüber feindlich eingestellt seien (‘hostile to Nato‘), und die es verstehen, dass die Meinung der Bevölkerung verletzlich sei. Sie untergaben die Unterstützung (undermine support) für Handlungen der Militärs (http://www.japcc.org/wp-content/uploads/JAPCC_Conf_Flyer_2015_web.pdf – Übersetzung: B.T.).

Führende Nato-‚Fachleute‘ berieten dort u. a. mit führenden Politikern und Medien-Vertretern über >>Strategische Kommunikation<<  als Antwort auf den Einfluss der Friedensbewegung.

Versuche von Inhabern politischer und ökonomischer Macht gegen soziale Bewegungen hat es seit je her gegeben: Medienkampagnen, verdeckte V-Leute, Agents Provocateurs, deren Treiben darauf gerichtet ist, Kräfte des Friedens zu diskreditieren und sie durch gezielte Fehl-Propaganda zu schwächen.

Es gibt seit mehreren Jahren vermehrt Veröffentlichungen gegen verschiedene Kräfte in der Friedensbewegung und in ihrem Umfeld wie die über ein Zusammenwirken linker und rechter Kräfte. Das spitzt sich im immer wieder wiederholten Vorwurf zu, es gäbe eine sogenannte Querfront als vermeintliches Bündnis von Friedensaktivisten mit rechten Kräften, exemplarisch seien hier diese Quellen erwähnt: BR.de und Berliner-Zeitung.de.

Dieser Kampagne ist nun der Friedensaktivist Karl-Heiz Peil mit seiner digitalen Aufklärungsschrift entgegengetreten.

K.-H. Peil bezieht seine Analyse auf >Grundprinzipien< des Antifaschismus nach Ulrich Schneider (VVN/BdA):

Er setzt sich ein „ – für die Erhaltung und die Erweiterung demokratischer Rechte und Freiheiten,

– für die Ausweitung der politischen und gesellschaftlichen Mitwirkungsmöglichkeiten,

– insbesondere bei zwischenstaatlichen Konflikten für friedliche Konfliktlösungen, die abgehen von militärischer Dominanz und Durchsetzung imperialer Interessen,

– für den Auf- und Ausbau einer solidarischen Gesellschaft, die keine rassistischen oder sozialen Ausgrenzungen zulässt und soziale Sicherungssysteme entwickelt, die allen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.“

Eine Friedensbewegung, die sich so verortet, ist keine rein linke Bewegung, wie auch K.-H. Peil betont, sie hat allerdings die Verantwortung, sich konsequent von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wie sie von Nazis und Neonazis verfolgt wird, abzugrenzen. Der Begriff Querfront entstand in der Zeit des Aufstiegs der NSdAP, in der es punktuell zu gemeinsamen Aktionen von Nazis und Kommunisten kam, etwa beim Berliner Verkehrsarbeiterstreik 1932. K.-H. Peil weist nach, inwiefern dieser eindeutig historisch belegte Begriff keine Entsprechung im Tun aktiver Friedensbewegung unserer Tage aufweist.

K.-H. Peil weist darauf hin, dass hiesige Nazis Deutschland als US-Kolonie ansehen, und drückt hier aus, dass die Friedensbewegung in der Formulierung ihrer Forderungen auch die Verantwortung hat, ihre Kritik am US-Imperialismus nicht offen für Berührungsversuche der Nazis zu formulieren. Wenn die Friedensbewegung gegen den Militarismus im eigenen Land auftritt, dann wird sie auch der Verantwortung gegenüber dem europäischen Frieden gerecht. Inzwischen gibt es vermehrt Versuche deutscher Militaristen, sogar den Griff auf eine Deutsche Bombe anzustreben, siehe Panorama-Sendung vom 3.2.2017.

K.-H. Peil zitiert im Zusammenhang der Proteste gegen den deutschen Militarismus und den US-Imperialismus Björn Schmidt (DKP): „Das aggressive Weltmachtstreben der BRD hingegen ist viel schwerer zu durchschauen. Daraus ergibt sich, dass diverse Kräfte aktiv zum Thema Frieden werden, die zunächst mit einer Anti-USA-Stoßrichtung auf die Straße gehen. Das sollten wir nicht per se als ‚rechts‘ titulieren bzw. als Spaltungsgrund sehen.“ Nazis sind wie die Friedensbewegung gegen Waffenexport (an Ausländer), Bundeswehreinsätze im Ausland und eben gegen Verletzungen deutscher Souveränität durch internationale Organisationen wie die EU, die UNO und eben auch die Nato.

Auch beim Thema ‚Antisemitismus‘ ist Vorsicht und Selbstbewusstsein geboten:

K.-H. Peil schreibt: „Erschreckend ist an der zunehmenden Häufung von diffamierend eingesetzten Antisemitismus-Vorwürfen, dass damit auch das ohnehin schwach entwickelte antifaschistische Geschichtsbewusstsein in Deutschland noch mehr auf einen plakativen Begriff reduziert wird. Übersehen wird damit auch, dass im rechtspopulistischen Lager der Antisemitismus zumindest eine erheblich geringere Relevanz hat als die Islamophobie.“

‚Antideutsche‘ Kräfte und andere Gegner der Friedensbewegung benutzen im Zusammenhang mit den Querfront-Vorwürfen auch gerne einen ahistorischen und unpräzise-pauschalen Antisemitismus-Vorwurf: Friedensbewegte, die die menschenrechtsverletzende Politik der Regierung Israels kritisieren, werden oft schon deshalb als Antisemiten denunziert. Die Gleichsetzung der Regierung Israels mit dem Judentum ist dabei der Trick der Gegner der Friedensbewegung, die mit links-alternativ tönenden Einwürfen zu spalten versuchen.

Im Zusammenhang mit dem ursprünglich von Henryk M. Broder ausgehenden Vorwurf gegen den Montagsmahnwachen-Mitinitiator Ken Jebsen, er sei ein Holocaust-Leugner und damit ein Antisemit, wird immer wieder weiterverbreitet. Dieser Vorwurf ergibt sich aus einer defizitären Recherche, die zu einer genauso voreiligen, wie massiven Herabwürdigung der Person führt (ein Vorgang, der der Vision der Friedensbewegung vom anderen Umgang der Menschen mit den Menschen fremd ist):

Zu diesem Vorwurf H. M. Broders und anderer findet man im Netz diese richtigstellende Antwort Ken Jebsens: „Edward Bernays, einer der Väter der Public-Relations-Disziplin, hatte in seinen Büchern Techniken beschrieben, mit denen man Stimmungen erzeugen und Menschen manipulieren kann. Seine Bücher wurden leider auch von den falschen Leuten gelesen, unter anderem von Goebbels, der mithilfe dieser Techniken das größte Verbrechen aller Zeiten, den Holocaust, organisiert hat.“ (http://www.netzpiloten.de/interview-mit-ken-jebsen-%e2%80%9ewie-wurden-sie-es-denn-nennen%e2%80%9c/)

Es ist erstaunlich, wie hartnäckig sich u. a. der Antisemitismus-Vorwurf im Kesseltreiben gegen Ken Jebsen hielt und hält, mit dem alle, die über diese fehlerhaften Vorwürfe hinweggehen, in die Sippenhaft genommen und gleich mit als rechte Kräfte diskreditiert werden.

K.-H. Peil analysiert im weiteren Textverlauf die ähnlich problematische Kritik u. a. gegen sogenannte Verschwörungstheoretiker, zu denen auch schon „die Zweifler an der hanebüchenen Bush-Version über die Attentate vom 11. September 2001“ gezählt werden, wie K.-H. Peil im Kapitel >Querfront-Aktivitäten von „links“< darlegt. Die Kritik an Aktionen von Friedenskräften wie dem Friedenswinter und Demonstrationen wie Stopp Ramstein und der Berliner Demonstration ‚Die Waffen nieder!‘ vom 8.10.2016 betrachtet K.-H. Peil im Kapitel >Akteure und Formen der Kontroverse<ebenso, wie Diskussionen in der Linkspartei etc. .

Hier dokumentiert er z. B. in schädigender Absicht verbreitete Manipulationen gegen die Friedensbewegung wie z. B. der sogenannten >Ruhrbarone< oder der sogenannten >Querfrontseiten< .

K.-H. Peil fügt dann eine recht gut kommentierte Materialsammlung zu den angesprochenen Themen an.

Das Fazit von K.-H. Peils Arbeit spitzt sich in den Sätzen zu: „Nur eine Kultur solidarischer Kritik verhindert Ausgrenzungen und Spaltungen. … Vorhandene Medienkompetenz muss genutzt werden für neue Aktionsorientierungen.“

Die Friedensbewegung kann sich dem selbstbewusst stellen, wie man an der eingangs erwähnten Nato (JAPCC-) Konferenz 2015 sieht, auf der ihr eine große Wirkung zugeschrieben wird. Auch wenn wir uns derzeit in einer Mobilisierungsdelle befinden, gilt: Solche Beiträge wie der von K-H Peil können helfen, dass sich die Kräfte des Friedens auf ihre gemeinsame Vision, auf die Schnittmenge gemeinsamer Anliegen und Forderungen verständigen und – ausgehend vom Antifaschismus und dem humanistischen Grundkonsens selbstbewusst ihre nächsten Aktionen beraten, vorbereiten und durchführen. Die solidarische Diskurskultur ist dabei die einzige Form der Verständigung, denn: Wenn die Friedenskultur in der Friedensbewegung abhandenkommt, verliert sie ihre Kampagnenfähigkeit, die in unserer Zeit immer drängenderer nötig ist.

Die Friedenbewegung hat die Aufgabe, zu zeigen, dass nur der Weg des Friedens zum Frieden führt. Da in Zeiten des Internets die Mediennutzung immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist der „Aufbau von Medienkompetenz …sowohl eine individuelle wie eine gemeinschaftliche Aufgabe in der Friedensbewegung“.

Dem ist hier nur das noch hinzuzufügen: Danke, Karl-Heinz für den gelungenen Versuch zu einer sachlichen Diskussionskultur beizutragen, die die Friedensbewegung seit Jahrzehnten auszeichnet. Wir haben die Verantwortung, sie wie unseren Augapfel zu bewahren.

Zugriff auf den Text >Ist der antifaschistische Konsens in der Friedensbewegung gefährdet? <:

à Dieses eBook steht wahlweise zur Verfügung als PDF-Datei [im Umfang von 69 Seiten] sowie im
à epub-Format für Tolino-Lesegeräte und ePub-Reader auf  einem PC oder Smartphone.

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Bildnachweis: Das Titelfoto zeigt einen Schweigemarsch der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zum 20. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus in Düsseldorf, 8. Mai 1965
Foto: Toni Tripp
Quelle: Arbeiterfotografie Nr. 95 – 2011

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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