Quo vadis Golfstrom? – Der etwas andere Aspekt der Klimadiskussion

von Laurent Stein.

Der Klimawandel, ob nun anthropogen verursacht oder nicht, ist zweifelsfrei eine der größten Herausforderungen mit denen sich der Mensch im 21. Jahrhundert konfrontiert sieht.

Im Zentrum der Diskussion steht dabei zumeist die globale Erderwärmung.

Diese macht sich seit Beginn der Industrialisierung mit einer Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur um 0,85 Grad Celsius bemerkbar. Tendenz weiter steigend.

Klimaforscher warnen davor, dass bei gleichbleibenden oder gar ansteigenden Emissionstendenzen ein Anstieg der mittleren Oberflächentemperatur von mehr als 5 Grad bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nicht auszuschließen ist. Doch ganz egal wie hoch der Temperaturanstieg am Ende tatsächlich ausfallen wird: Paradoxerweise könnte gerade dieser Anstieg für eine dramatische Abkühlung auf der Nordhalbkugel sorgen.

Wie könnte das passieren?

Fans des Katastrophenfilms „The Day After Tomorrow“ wird das nachfolgend beschriebene Szenario bereits geläufig sein. In dem Plot ließ Regisseur Roland Emmerich innerhalb von wenigen Tagen die nächste Eiszeit herein brechen, was auf den Kontinenten der Nordhalbkugel für klirrende Kälte sorgte und ironischerweise Fluchtbewegungen von den Vereinigten Staaten nach Mexiko in Gang setzte. Ursache: Das Versiegen des Golfstroms.

Reine Fiktion? Um nachvollziehen zu können wie und ob das Versiegen einer Meeresströmung derart weitreichende Folgen mit sich ziehen kann, ist es notwendig sich näher mit dem Wirkungsmechanismus des Golfstroms auseinander zu setzen.

Wie der Name schon vermuten lässt, hat der Golfstrom seinen Ursprung im Golf von Mexiko, von wo er warmes, tropisches Wasser in Richtung Nordamerika und Europa transportiert. Er ist Teil eines „globalen Förderbandes“, welches durch den Austausch von Wassermassen vier der fünf Ozeane miteinander verbindet. Diese Verknüpfung von Meeresströmungen wird in der Fachsprache auch als „thermohaline Zirkulation“ bezeichnet. Thermohalin, weil sie sowohl durch Temperaturunterschiede (thermo) als auch durch unterschiedliche Salzkonzentrationen (halin) im Wasser bedingt ist. Temperatur und Salzgehalt haben wiederum einen Einfluss auf die Dichte des Wassers. Warmes Wasser hat eine geringere Dichte als kaltes Wasser und steigt dementsprechend auf. Weiterhin verdichtet sich Wasser mit zunehmendem Salzgehalt.

Nachdem sich der Golfstrom im Golf von Mexiko auf etwa 30 Grad erwärmt hat, fließt er von dort aus zunächst entlang der nordamerikanischen Küste, um im Anschluss durch die Erdrotation und Westwinde in Richtung Europa abgelenkt zu werden.

Die hierher transportierten Wassermassen geben unterdessen eine Menge Wärme an die Atmosphäre ab und sorgen damit für ein angenehmes, mildes Klima. Das ist auch der Grund, warum der Golfstrom oftmals als Wärmepumpe bezeichnet wird. Denn würde man seine transportierte Wärmeenergie substituieren wollen, benötigte man für dieses Unterfangen etwa eine Millionen Kernkraftwerke.

Je weiter nördlich nun das Wasser auf seinem Weg voran kommt, desto kälter und salziger wird es. Irgendwo zwischen Island, Grönland und der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen ist es dann so schwer, dass es als gigantischer unterseeischer Wasserfall absinkt und als kaltes Tiefenwasser zurück in die Tropen fließt.

Halten wir fest: Die Intensität und Stabilität des Golfstromsystems sind in großem Maße abhängig von der Wasserdichte und diese wiederum von der Temperatur und dem Salzgehalt.

Wenn sich nun infolge der Erderwärmung immer mehr leichtes, arktisches Schmelzwasser in den Nordatlantik ergießt, könnte dies dazu führen, dass das vom Golfstrom transportierte Wasser nicht mehr schwer genug zum Absinken ist und das System zum erliegen kommt.

Vergleichbare Perioden mit beschleunigten Eisvorstößen und deren Abfluss ins Meer gab es bereits während der letzten Eiszeit. Auch damals führte das Abschmelzen von Eisbergen zu einer erhöhten Süßwasserzufuhr in den Atlantik, was in einer Veränderung der thermohalinen Zirklulationsmuster, steigenden Meeresspiegeln und einer sich verändernden Großwetterlage resultierte. Diese Phänomene während des letzten Glazials wurden 1988 von dem deutschen Meeresgeologen Hartmut Heinrich nachgewiesen und ihm zu Ehren als „Heinrich-Events“ benannt.

Der hierzulande trotz seiner bedeutsamen Entdeckung eher unbekannte Wissenschaftler, warnt in einem Interview vor den Folgen des Klimawandels. Seiner Ansicht nach birgt die aktuelle, anthropogen verursachte Klimaerwärmung das Potenzial ein Heinrich-Event oder Ähnliches auszulösen. Hinweise darauf lassen sich sowohl in Grönland, als auch in der westlichen Antarktis finden, wo massive Eisausstöße an großen Gletschern zu beobachten sind. In diesem Kontext weist Heinrich auch darauf hin, dass ein Anstieg der Meeresspiegel weit über die Prognosen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Chance) hinaus, mit all den hiermit verbundenen Folgeerscheinungen, alles andere als unwahrscheinlich ist.

Eine nennenswerte Studie zu diesem Thema, die jüngst viel Aufsehen erregte, ist die Studie des Ozeanographen Wei Liu von der Yale Universität in San Diego. Auch er geht davon aus, dass die rezenten Klimaveränderungen die Stabilität der großen Umwälzströmung im Atlantik stärker beeinträchtigen könnten als bislang angenommen. Lius Berechnungen zufolge, würde bei einem gleichbleibenden oder ansteigenden Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase, der Golfstrom innerhalb der kommenden hundert Jahre deutlich schwächer werden, um schlussendlich nach weiteren 200 Jahren komplett zusammenzubrechen.

Selbstverständlich handelt es sich hierbei nur um eine (möglicherweise fehlerhafte) Simulation und es wäre falsch die aufgezeigten Zukunftsszenarien als unumgänglich zu proklamieren. Noch ist mit dem Golfstrom alles in Ordnung und bis dato zeigt sich nur eine kleine Minderheit unter den Forschern besorgt über die Möglichkeit künftiger Instabilitäten.

Aktuelle wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen allerdings alle in ein und dieselbe Richtung. Mit den Auswirkungen des Klimawandels ist nicht zu spaßen. Darüber zu debattieren, ob die Veränderungen vom Menschen verursacht oder Teil eines natürlichen Zyklus sind, lenkt vor allem davon ab, dass angesichts des Tempos mit dem die Veränderungen auf uns zukommen, echtes Handeln an die Stelle von großen Worten treten muss. Die in jüngster Vergangenheit praktizierte Politik der Klimaabkommen gleicht zum heutigen Zeitpunkt eher Neujahrsvorsätzen, bei denen man weiß dass sie sowieso nicht eingehalten werden, als dass man sie als zukunftsweisende ökologische Säule betrachten könnte. So ist beispielsweise seit der Klimarahmenkonvention von Rio 1992 der weltweite CO2-Ausstoß mit einem Plus von nahezu 60 Prozent regelrecht explodiert.

Auf Worte werden also Taten folgen müssen, wenn man dafür sorgen will, dass Katastrophenszenarien à la „The Day After Tomorrow“ weiterhin nur auf den Kinoleinwänden von statten gehen.

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