von Susan Bonath.
Erst aufrüsten, dann effektiv abschieben, erst Privatisierungen und Sozialabbau, dann billige Arbeitskräfte in die Firmen: Die neoliberale Denkfabrik McKinsey ist als Vordenker stets dabei
Schneller abschieben
Rüstung, Waffenexporte, NATO-Kriege, Bundeswehr im Inneren, Sozialabbau: Während das Imperium nach innen und außen mit den Säbeln rasselt, kümmert sich eine bekannte neoliberale Denkfabrik um die Beseitigung der Auswirkungen: McKinsey ist wieder einmal gefragt. Wie der Spiegel [1] am Wochenende berichtete, beauftragte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den in 52 Staaten agierenden Beraterkonzern damit, eine Studie mit Tipps zu schnelleren Abschiebeverfahren zu erstellen. McKinsey soll dafür 1,86 Millionen Euro kassieren. Bereits von Oktober 2015 bis März 2016 flossen zudem vom Staat 9,2 Millionen Euro an die Firma, und zwar für Beratertätigkeiten zur Asylpolitik. Das geht aus einem Rahmenvertrag hervor, der dem Spiegel vorliegt
Demnach besiegelte das BAMF mit McKinsey Deutschland im Oktober 2015 einen entsprechenden Rahmenvertrag, und zwar »wegen Eilbedürftigkeit« ohne Ausschreibung. Dies war genau einen Monat, nachdem Frank-Jürgen Weise das Amt des BAMF-Präsidenten übernommen hatte. Weise leitet als einer der Vorstandschefs seit 2004 zudem die Bundesagentur für Arbeit (BA). Dort hatte er sich 2005 als schneller Umsetzer der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (Hartz IV) hervorgetan.
Hartz IV mit McKinsey
Auch an der Vorbereitung und der Umsetzung der Agenda 2010 hatte McKinsey – neben der Bertelsmann-Stiftung – maßgeblich mitgewirkt. Eingeführt in den Jahren 2003 bis 2005, trieb sie vor allem mit Hartz IV den Abbau von Arbeitnehmerrechten massiv voran [2] (Seite 15). Der Niedriglohnsektor in Deutschland erlebte seinen größten Boom seit dem Ende des 2. Weltkrieges.
Diesmal soll der Beraterkonzern laut Spiegel »Probleme bei Abschiebungen identifizieren« und »Vorschläge zur Verbesserung« der Praxis unterbreiten. Die Bundesländer Berlin, Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein wollten sich an der Studie beteiligen, hieß es. Ein Abgeschobener würde, so zitierte der Spiegel aus dem Vertrag, 4.000 Euro pro Jahr an Leistungen zum Lebensunterhalt einsparen. Mit anderen Worten: Menschen, die eine Privatfirma als ökonomisch »minderwertig« deklariert, sollen raus aus dem Land.
Wohlverhalten nach McKinsey
Bereits McKinseys gesamte Agenda 2010 stempelte, aller Mechanisierung und Automatisierung zum Trotz, nicht mehr im ökonomischen Prozess gebrauchte Arbeitskräfte als »Schmarotzer« ab. Das Prinzip »Fördern und Fordern« besagt, dass Betroffene jede »zumutbare« Arbeit annehmen müssen. Andernfalls wird ihnen die Grundsicherung – laut Bundesverfassungsgericht das physische und soziokulturelle Existenzminimum – gekürzt oder ganz gestrichen. Die Bundesregierung will mit diesen Sanktionen »Anreize schaffen«, Ein-Euro-Jobs, Leih- und Niedriglohnarbeit anzunehmen – zur Freude des Billigsektors.
Dieses Prinzip »Mindestsicherung gegen Wohlverhalten« diente als Vorlage für das »Integrationsgesetz«, das am 6. August in Kraft getreten ist. Damit müssen sich auch Flüchtlinge derart unterordnen: Asylsuchende, die einen Kurs, eine Arbeit oder einen der 100.000 neu geschaffenen Ein-Euro-Jobs – für sie gibt es nur 80 Cent pro Stunde – ablehnen, müssen nun nicht nur mit Sanktionen rechnen, sondern auch mit sofortiger Abschiebung. So zwingt man sie geradezu in den Billigsektor. Ohnehin erhalten Flüchtlinge geringere Leistungen als Hartz-IV-Bezieher. Ein Alleinstehender etwa erhält nur 354 statt 404 Euro.
Enteignung mit McKinsey
Ein offenes Geheimnis ist, dass McKinsey der deutschen Politik auch in anderen Bereichen als gut bezahlter Ghostwriter und Manager dient. Spätestens Anfang der 90er Jahre soll dem Konzern der Sprung in den Politapparat gelungen sein. Während der Ära Helmut Kohl (CDU) beriet er die Bundestreuhandanstalt bei der Verschleuderung von DDR-Betrieben und -Vermögen [3]. Außerdem forcierte er damals die Verstaatlichung von 170 Milliarden Euro (336 Milliarden D-Mark) Schulden. Der Autor und Journalist Otto Köhler bezeichnete das Wirken der Treuhand als »große Enteignung« [4].
Jahre später, 2009, wurde bekannt, dass auch die Idee eines 100 Milliarden Euro schweren Wirtschaftsrettungsschirmes von McKinsey stammte. Den Fonds ins Spiel gebracht hatte zu Beginn der Finanzkrise zuerst der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgens (CDU). Eine Woche später tauchte das Ansinnen in einem Zehn-Punkte-Programm des CDU-Vorstandes auf. Schließlich wurde es Teil des Konjunkturpakets II zur Unterstützung der Wirtschaft.
Billiger Arbeitskräftenachschub mit McKinsey
Auch Ursula von der Leyen (CDU) pflegt regen Kontakt zur Denkfabrik. Während ihrer Zeit als Bundesarbeitsministerin (2010) ließ sie sich von McKinsey etliche Studien beibringen, unter anderem zum angeblichen »Fachkräftemangel« in der deutschen Wirtschaft [5].
Unter anderem mit dem »Fachkräftemangel« rechtfertigte die Bundesregierung auch ihre jüngste Verschärfung des Hartz-IV-Systems, die seit dem 1. August in Kraft ist. Nur ein Beispiel hierzu: Betroffene, die einen Job ablehnen oder denen vorgeworfen wird, eine Kündigung selbst verschuldet zu haben, erwartet danach nicht nur eine dreimonatige Sanktion, sondern eine bis zu vierjährige Kürzung ihrer Bezüge um bis zu 30 Prozent. Die Bundesregierung nennt es »Ersatzansprüche wegen sozialwidrigen Verhaltens«.
Im Jahr 2014, von der Leyen war inzwischen Bundesverteidigungsministerin, holte sie sich ihre Top-Beraterin von McKinsey, Katrin Suder, direkt in ihr Haus an den »Futtertopf«: Die CDU-Politikerin machte die 42jährige Ex-Managerin zu ihrer Staatssekretärin.
Kriegspolitik mit McKinsey
Die Kontakte von der Leyens zu Suders frühere Firma wurden nach deren Abwerbung offenbar noch intensiver. Kaum hatte Suder ihren Job im Ministerium angetreten, beauftragte die Behörde die Denkfabrik erneut: Sie sollte 15 Rüstungsprojekte überprüfen und deren Effizienz verbessern. Es ging um Logistik, den Fuhrpark, Waffensysteme, Instandsetzungen. Auch Pläne für externe Beteiligungsgesellschaften der Bundeswehr sollen dabei gewesen sein – ein ähnlicher Millionenauftrag wie die jetzigen Praxistipps für Abschiebungen.
Und während die Waffenexporte boomen – unter anderem Rheinmetall und Airbus fuhren im ersten Quartal Traumumsätze ein – und immer mehr Menschen vor Krieg und ökonomischen Katastrophen fliehen, mischt McKinsey weiter mit im Rüstungsgeschäft. Erst im März dieses Jahres verkündete die Bundesverteidigungsministerin, erneut für 200 Millionen Euro eine externe Beraterarmee anzuheuern [6]. Fraglich bleibt, was die bundestagsinternen Wissenschaftlichen Beiräte dann noch zu tun haben. Fakt ist: Der Steuerzahler finanziert beides: Ein riesiges Heer von in- und externen Beratern, denen Großkonzerne Banken und Rüstungsgiganten näher stehen als die normalen Bürger.
Quellen:
[3].http://www.nachdenkseiten.de/?p=3697
[4].http://www.heise.de/tp/artikel/38/38007/1.html
Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.
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