Pentagon-Eingeständnis: Russland schränkt US-Lufthoheit ein

Als Reaktion auf den verdeckten Krieg der westlichen und arabischen Golf-Staaten zum Regimewechsel in Syrien hat Russland dort sein gefürchtetes S-400 Luftabwehrsystem eingeführt, mit globalen Folgen durch Einschränkung der bisherigen Lufthoheit der US Air Force.

von Rainer Rupp

Das Pentagon hat eingeräumt, dass die neuen russischen Luftverteidigungssysteme die Bewegungsfreiheit der US-Luftwaffe bei US-Auslandsoperationen stark eingeengt haben. Der vom Wall Street Journal (WSJ) in Teilen veröffentlichte Bericht wird als große Überraschung präsentiert. Tatsächlich aber hatten die US-Piloten und ihre NATO-Verbündeten bereits zu Zeiten des Kalten Kriegs größten Respekt vor den Vorläufersystemen der modernen russischen Systeme S-300 und S-400 gezeigt. Der zitierte Pentagon-Report bringt also im Grunde genommen nichts Neues. Neu ist lediglich, dass Russland diese Raketen-Systeme in den Krisenherd Syrien eingeführt hat, um so die US-Luftwaffe (erfolgreich!) einzugrenzen, ohne dass dabei ein Schuss fallen musste.

Es ist der Verlust der absoluten Dominanz im Luftraum, der das US-Kriegsministerium besonders hart trifft. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass das Pentagon, wenn es “über Bande” den Medien solche Berichte zuspielt, in der Regel hinter mehr Geld her ist. Militärs oder die dahinterstehende Industrie lamentieren gern in derartigen Berichten über irgendwelche Lücken in der Militärtechnologie oder auch nur die angebliche Überlegenheit potentieller Gegner.

Erfahrungsgemäß geschieht das in der Absicht, vom US-Kongress im nächsten Haushalt mehr Geld für die Rüstung locker zu machen. Durch alarmierende Berichte über die Gefahren für die “nationale Sicherheit” gelingt es in der Regel, auch beim patriotischen Wahlvolk die Zustimmung für höhere Militärausgaben zu gewinnen. Und das Pentagon braucht ohnehin chronisch mehr und dringend sehr viel mehr Geld, wenn es die Struktur der Streitkräfte den neuen “Erfordernissen” gegen Russland und China anpassen will.

Neue Strukturen für den Krieg gegen den Terror

Seit 2001, also dem Beginn des ewigen US-Krieges gegen den wie auch immer entstandenen, geschaffenen, definierten “Terror”, hat das Pentagon die Struktur der US-Kriegsmaschinerie nachhaltig umgebaut, weg von der damaligen Fähigkeit, gleichzeitig zwei große Landkriege und einen kleinen auf unterschiedlichen Kontinenten führen zu können, stattdessen hin zum Aufbau einer Armee von Kommando-Soldaten. Diese besteht heute aus unzähligen, höchst mobilen, kleineren Einsatz-Gruppen, die weitgehend auf sich allein gestellt sind und rund um den Globus – mit oder ohne Zustimmung der betroffenen Länder – gegen die “Feinde” der USA operieren, sei es auf reinen Aufklärungs- und Erkundungs-Missionen oder mit gezielten Entführungs- oder Tötungsaufträgen.

In der Zwischenzeit ist es dem wiedererstarkenden und von der neoliberalen Weltordnung unabhängigen Russland und dem zur Supermacht aufsteigenden China zumindest teilweise gelungen, die globalen Machtansprüche Washingtons in die Schranken zu weisen. Daher bemüht sich in den letzten Jahren eine einflussreiche Fraktion im Pentagon, die Weichen für die Streitkräftestruktur wieder umzustellen, zurück auf die Vorbereitung für große Landkriege gegen starke Gegner.

Regime Change gescheitert, durch Russenwahn gelähmt

Diese Auf- und Umrüstungsbemühungen fanden in den letzten zwei Jahren bei den Politikern in Washington jedoch nicht immer das notwendige Gehör, denn seit der Wahl Donald Trumps sind die Parteien total zerstritten, sogar wegen solch verrückt anmutender Vorwürfe, dass Trump ein russischer Agent sei oder von Putin erpresst würde oder dass “der Kreml” die US-Wahlen zugunsten Trumps entscheidend manipulieren könnte und gar manipuliert habe.

Laut Wall Street Journal habe der Kreml in den letzten zwei Jahren diese totale Besessenheit Washingtons mit den angeblichen russischen “Destabilisierungs- und Desinformationskampagnen” dazu genutzt, “die Luftüberlegenheit in Regionen zu etablieren, in denen US-Flugzeuge einst ungestraft” hätten operieren könnten. Angefangen vom Norden Syriens, entlang der Grenzen Osteuropas bis zum Polarkreis und weiter im Fernen Osten habe Russland einen Luftabwehrring errichtet, der “den Aktionsradius des US-Militärs gefährde” und Washington dazu zwinge, “seinen Platz als unbestrittene Luftwaffe der Welt zu überdenken”.

Russlands weitreichendes Flugabwehrsystem S-400, dessen Radar auch Stealth-(Tarnkappen-) Flugzeuge erfasst, sei “ein irritierender und potentiell tödlicher Abwehrschild, welcher das Kalkül der USA und ihrer Verbündeten in potenziellen Brennpunkten verändert” habe, angefangen mit dem Einsatz in Syrien. Tatsächlich habe der Kreml mit diesem Abwehrschild “in Form einer Reihe wirksamer und weitreichender Luftabwehrsysteme” rund um Russland einen “neuen Eisernen Vorhang errichtet”.

Obwohl das Pentagon die russischen Flugabwehrsysteme noch nicht in einer Schlacht testen konnte, habe es jetzt in seinem Bericht selbst die Notwendigkeit eingestanden, dass Flugrouten geändert werden müssen und Flugzeugen der US-Luftwaffe nicht mehr überall eingesetzt werden könnten. So hätten die S-400-Batterien in Syrien “die Anpassungen des Flugbetriebs der US-geführten Anti-Assad-Koalition erzwungen”. Laut Einschätzung im WSJ-Artikel ist das die bedeutungsvollste Enthüllung des Pentagon-Berichts.

Ende 2017 hatte das Weiße Haus seine nationale Sicherheitsstrategie überarbeitet, um den so genannten “neuen Herausforderungen” Russlands und Chinas Rechnung zu tragen. Dort heißt es unter anderem, dass Russland “militärische Fähigkeiten ausgebaut” habe, “die in Krisenzeiten Amerika den Zugang verweigern und unsere Fähigkeit, frei und unbehindert zu agieren, bestreiten”. “Sie verweigern uns, unsere geopolitischen Vorteile zu nutzen.”

Eine ähnliche Formulierung lässt sich in einem Kongressbericht finden, der von einer überparteilichen Kommission erstellt wurde, um die Verteidigungsstrategie des Weißen Hauses zu bewerten. Wie im WSJ-Artikel zitiert wird, stellte die Kommission fest, dass Russland “nach regionaler Hegemonie strebt und nach Mitteln sucht, um seine Macht weltweit zu projizieren”, und dies habe bereits “eine Verminderung der militärischen Vorteile der USA” bewirkt “und zu einer Bedrohung lebenswichtiger US-Interessen” geführt.

Asymmetrische Verteidigung Russlands

Obwohl die russischen Militärausgaben und -fähigkeiten sich mit denen der Vereinigten Staaten oder auch Chinas nicht messen könnten, (der Verteidigungshaushalt Russlands beträgt etwa ein Zehntel dessen vom Pentagon), habe der Kreml durch den geschickten strategischen Einsatz seiner Verteidigungssysteme gegen die US-Streitkräfte erreicht, dass washington aufgeschreckt sei, so das US-Finanzblatt weiter. Zugleich befürchte Washington, “dass die tödliche Reichweite der S-400” durch den Verkauf der System an andere Länder, wie das bereits an China und Indien der Fall ist und an Saudi-Arabien und die Türkei womöglich bald bevorsteht.

Allerdings räumt das WSJ ein, dass der Krieg in Syrien der Grund war, weshalb die S-400-Systeme überhaupt außerhalb der Grenzen Russlands stationiert worden waren. Erst im Jahr 2015 habe der bekämpfte Assad alliierte russische Streitkräfte in das Land eingeladen. Daher könnten Washington und die Verbündeten der USA die Schuld für diese Entwicklung nur bei sich selbst suchen. Zumal einige US-Vertreter – allerdings nur in seltenen Augenblicken – selbst eingestanden hätten, dass russische Truppen erst als Reaktion auf den verdeckten Regimewechsel-Krieg nach Syrien gekommen sind, der von dem Bündnis des Westens mit den Golf-Staaten geführt wurde und fast dazu führte, dass Al-Qaida- und ISIS-Truppen Damaskus einnehmen.

Für die bisher gewohnte globale Dominanz der USA sind Folgen dieser von Washington selbstverschuldeten Reaktion Russlands auf die Aggression in Syrien schwerwiegend, vor allem wenn jetzt auch noch die Türkei und Saudi Arabien die S-400-Systeme beschaffen wollen, was Washington unbedingt verhindern will.  Das Wall Street Journal fast das folgendermaßen zusammen:

Mit jeder neuen russischen Auslieferung von S-400-Raketen findet das System weitere Verbreitung. Neue S-400-Barrieren entstehen, Barrieren, die die jahrzehntelange, uneingeschränkte Luftüberlegenheit der USA im Nahen Osten, in der Arktis und in Teilen Asiens bedrohen. [Man beachte die Wortwahl. Wenn sich die Russen in ihrem eigenen Land verteidigen, bedrohen sie die USA!, Anm. d. A.] Zugleich verteilt Russland durch den Verkauf der S-400 an andere Länder die Kosten der Eindämmung der (global operierenden) US-Streitkräfte auf viele Schultern.

Ergänzend dazu zitiert WSJ Sergei Karaganow, den außenpolitischer Berater von Putin mit den Worten:

Russland will keine militärische Überlegenheit, aber es hat die Überlegenheit des Westens oder der USA beendet. Jetzt kann der Westen nicht mehr wahllos Gewalt anwenden.

Und das ist offensichtlich die wahre Gefahr, die von Russland ausgeht.

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Dieser Artikel erschien am 27.01.2019 bei RT-Deutsch.

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