Das Kriegsszenario des ZDF-Moderators Claus Kleber
Von Wolfgang Bittner.
Wie dreist und unverantwortlich antirussische Propaganda betrieben wird, wurde am 4. April 2019 wieder einmal im ZDF-heute-journal demonstriert,(1) als Moderator Claus Kleber, Kuratoriumsmitglied der Atlantik-Brücke, aus Anlass des 70. Jahrestages der NATO-Gründung die Sendung mit den Worten begann: „Guten Abend, zu Wasser und zu Luft sind heute Nacht amerikanische, deutsche und andere europäische Verbündete unterwegs nach Estland, um die russischen Verbände zurückzuschlagen, die sich dort wie vor einigen Jahren auf der Krim festgesetzt haben.“
Einen Moment lang mag Millionen Zuschauern das Herz stillgestanden haben, ist das doch die Meldung, vor der viele Menschen seit Jahren schon Angst haben. Aber es war „nur“ ein verspäteter April-Scherz, abstoßend und typisch für die bodenlose Arroganz dieser Art Nachrichtenübermittler, die offenbar jeglichen moralischen Maßstab für Ihre journalistische Arbeit verloren haben. Kleber korrigierte: „Keine Sorge. Das ist nicht so. Das ist nur eine Vision. Aber eine realistische. So etwa müsste nämlich im Ernstfall die Antwort der NATO aussehen auf einen Angriff auf das Territorium eines ihrer Mitgliedsstaaten. Und sei er so klein wie Estland. Wenn das in Frage gestellt scheint, würde die Abschreckung brüchig, die seit 70 Jahren den Frieden in Europa sichert. Das Problem ist heute, dass der Bestand des Bündnisses zu seinem 70. Geburtstag brüchiger erscheint als jemals in seiner Geschichte. Einer bisher beispiellos erfolgreichen Geschichte.“
Der Moderator interviewte dann den NATO-Korrespondenten des ZDF Stefan Leifert, der von den NATO-Feierlichkeiten life aus Washington berichtete und während der Rede des Generalsekretärs Stoltenberg über das „Bündnis der kollektiven Selbstverteidigung“ Tränen in den Augen einzelner Teilnehmer gesehen haben wollte.(2) Leifert verwies auf Stimmen, nach denen Deutschland es sich „mit seiner Zurückhaltung“ bei den „Verteidigungsausgaben“ zu bequem gemacht habe, und er ging auf die wiederholten Forderungen Donald Trumps nach einer drastischen Erhöhung des deutschen Militäretats ein.
In die „Berichterstattung“ Klebers wurde beiläufig ein Gefecht eingespielt, mit dem eine russische Invasion auf der Krim suggeriert werden sollte, wo bekanntlich etwa 20.000 Soldaten legal auf dem Flottenstützpunkt Russlands in Sewastopol stationiert waren, wo aber während der Sezession kein einziger Schuss gefallen ist.
Der unabhängige Journalist Tobias Riegel kommentierte in den NachDenkSeiten: „Dass die betreffenden Redakteure die Tragweite der eigenen Handlung mutmaßlich nicht begriffen und sie möglicherweise als eine gerechtfertigte Verteidigung von „Werten“ empfunden haben, wirft ein niederschmetterndes Bild auf den Zustand und die historische Verantwortlichkeit einer wichtigen deutschen Nachrichtenredaktion. Pressekodex? Presserat? Programmauftrag? Haben diese Instanzen noch Bedeutung für das ZDF?“(3)
Zu den wenigen Medien, die zu der skandalösen ZDF-Sendung Stellung nahmen, gehörte der von den sogenannten Qualitätsmedien als „Propagandakanal Putins“ denunzierte Sender RT Deutsch, wo das Geschehen durchaus treffend analysiert wurde: „Der folgende Filmbeitrag und das Korrespondentengespräch mit dem NATO-Korrespondenten des ZDF, Stefan Leifert, verdeutlichte dann, wozu das martialisch vorgetragene Horrorszenario in Klebers Moderation diente: der moralischen Einordnung der angeblich zu niedrigen deutschen Rüstungsausgaben. Diese stellten, so geht die verquere transatlantische Logik, die NATO, ihre Abschreckung gegen Russland und damit den Frieden in Europa in Frage.“(4)
Der Vorsitzende des Ausschusses für Informationspolitik beim Föderationsrat im russischen Parlament, Alexej Puschkow, schrieb auf seinem Twitter-Account: „Russland ist nicht in Estland einmarschiert. Und es wird nicht einmarschieren. Und da Russland keine aggressiven Pläne hat, müssen sie erfunden werden. Das ist gerade der Sinn der Informationsprovokation des ZDF.“(5) Der Pressesprecher der russischen Botschaft in den USA, Nikolai Lachonin, fragte zu Recht, ob Kleber ein Idiot sei.(6)
Aber Kleber ließ es mit einem einmaligen Kriegsszenario nicht bewenden. Am 5. April 2019 legte er nach: „Guten Abend, wir müssen über Krieg reden. Es ist nämlich Krieg, man merkt es nur nicht. Moderne Kriege brauchen im Idealfall keine Panzer und Bomben mehr. Sie schaffen es, die Gesellschaft, die öffentliche Diskussion und die Entscheidungsprozesse einer anderen Macht so zu unterwandern, dass die gefügig wird. Es gibt von der Brexit-Entscheidung über Wahlen in Europa bis zur US-Präsidentschaft deutliche Hinweise darauf, dass russische Operative dort mitgemischt haben…“(7) – die üblichen unbewiesenen Unterstellungen.
Nach der Satzung des ZDF soll in den Angeboten der Anstalt „ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit, vermittelt werden“. Dabei hat die Anstalt „die kulturelle Vielfalt Deutschlands“ angemessen darzustellen und „die Würde des Menschen zu achten und zu schützen“. Sie soll „dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinung anderer und auch vor Kultur und Umwelt zu stärken…“(8) Der ständige Verstoß Klebers gegen diese Grundsätze wie auch gegen Anstand und wahrheitsgemäße Berichterstattung sollte endlich Konsequenzen haben, auch wenn sich dadurch in der Informationspolitik des ZDF nichts Wesentliches ändern würde.
Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag das Sachbuch „Die Eroberung Europas durch die USA – eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“ Soeben erschienen ist im zeitgeist Verlag der Roman „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“.
Quellennachweise:
(1) Claus Kleber, ZDF-heute-journal, 4.4.2019, https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/heute-journal-vom-4-april-2019-100.html.
(2) Zu den NATO-Feierlichkeiten siehe Wolfgang Bittner, Die Interventions- und Sanktionspolitik der USA und der von ihr dominierten NATO und ihre Selbstfeier, NachDenkSeiten, 5.4.2019, https://www.nachdenkseiten.de/?p=50686.
(3) Vgl. Tobias Riegel, Das ZDF beginnt den Dritten Weltkrieg – als „Scherz“, um für die NATO zu trommeln, NachDenkSeiten, https://www.nachdenkseiten.de/?p=50764.
(4) Andreas Richter, Wenn ein Kalter Krieger heißläuft – Claus Kleber redet von Krieg mit Russland, RT Deutsch, 6.4.2019, https://deutsch.rt.com/meinung/86853-claus-kleber-wenn-ein-kalter-krieger-heisslaeuft/.
(5) Sputnik Deutschland, Russland reagiert auf ZDF-Anmoderation über „Einmarsch“ in Estland, 7.4.2019, https://de.sputniknews.com/politik/20190407324615651-zdf-russland-invasion-estland/.
(6) A.a.O.
(7) Claus Kleber, ZDF-heute-journal, 5.4.2019, https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/heute-journal-vom-5-april-2019-100.html.
(8) Satzung der gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts „ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN“ vom 2. April 1962 in der Fassung vom 11. Dezember 2015, https://www.zdf.de/assets/zdf-satzung-100~original.
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