Neue Nuklear-Potentiale der USA in aller Abgeschiedenheit getestet

von Bernhard Trautvetter.

US-Vizepräsident Pence sagte laut Contra-Magazin am 19.4.2017, Nordkorea solle die jüngsten US-Angriffe, zum einen den gegen Syrien und zum andern den in Afghanistan, mit der schlagkräftigsten nicht-nuklearen Bombe, von den Militärs so genannten “Mutter aller Bomben”, als Warnung betrachten.

Am 18.4.2017 sagte Pence laut globalsecurity.org, alle Optionen lägen gegen Nordkorea auf dem Tisch; die Ära der Obama nachgesagten “strategischen Geduld” sei vorbei. Die Konzentration der westlichen Öffentlichkeit auf Syrien, Nordafrika und die Ukraine könnte von einer viel virulenteren globalen Friedensgefährdung ablenken, die sich in Ostasien aufbaut:

Nordkorea hatte aus dem Schicksal von Hussein und Gaddafi gelernt, dass ein Staat, der von G. W. Bush zur so genannten ‘Achse des Bösen’ zählt, in der gegenwärtigen globalen Machtkonstellation am ehesten gegen einen US-Übergriff gefeit ist, wenn er sich atomar ausrüstet. Das steigert einerseits die Atomkriegsgefahr, andererseits weist es eine bestechende Logik auf, vor der alle Kräfte des Friedens warnen. Genauso haben sie vor der Nuklearpolitik der USA zu warnen.

Am 13. April 2017 schrieb die Internet-Website globalsecurity.org, dass das neue Nuklear-Potential der US-Luftwaffe Testflüge mit dem neu entwickelten Wasserstoff-Lenkbomben-System B 61-Modell 12 erfolgreich bestanden hat. Es geht um das Programm, das die Lebensdauer der bisherigen Nuklear-Potentiale ausdehnt.

Die nicht-nukleare Test-Technologie wurde von einem F-16 ausgelöst. Der Test betraf die nuklearen Funktionen der Technologie sowie die Fähigkeiten des F-16-Militär-Jets, die Bombe für den ‚Einsatz‘ genannten Massenmord auszuklinken.

Diesem Test sind 2015 drei erfolgreiche Testflüge vorausgegangen. Nun folgt in den nächsten drei Jahren eine Serie ähnlicher Ereignisse, um den “Service” der nuklearen B 61-12 zu beurteilen.

Es geht um die effektive Demonstration der Fähigkeiten des „Ende zu Ende“-Systems in einem realistischen Flug-Szenario mit exakter Zeitstruktur, so Brigade-General M. Lutton von der Nationalen Nuklearen Sicherheit Administration (NNSA). Der erfolgreiche Test, so Lutton, erbringt wichtige Daten, um sicherzustellen, dass das ‚Basis-Design‘ der B 61-12 die Anforderungen der Militärs erfüllt. Dabei geht es um die Entschiedenheit der nationalen Sicherheit und der der Partner der USA und ihrer Alliierten.

Es ging um ‚Hardware‘ der Los Alamos National Laboratory (LANL), die von der Nuclear Security Enterprise (NSE) verarbeitet wurde und die von Boeing in Kooperation mit dem Air Force Nuclear Weapons Center (NWC) gestaltet (Englischer Original-Begriff: „designed“) worden ist.

Es geht bei diesen Nuklear-Potentialen offiziell darum, die Arsenale der bisherigen B 61-Bomben zu ersetzen und die nuklearen Fähigkeiten zu konsolidieren. Die Komplettierung der ersten Produktion wird von den US- und Nato-Militärs für März 2020 projektiert.

Ab dann ist mit einer Stationierung der neuen Atompotentiale auch in Büchel zu rechnen. Bis dann wird die Luftwaffe bemüht sein, ihre ‚nukleare Teilhabe‘ mit großem Aufwand an Ressourcen auf Stand zu bringen.

Quelle: http://www.globalsecurity.org/wmd/library/news/usa/2017/usa-170413-nnsa01.htm?_

Der Koalitionsvertrag der schwarzgelben Koalition CDU/CSU-FDP hatte demgegenüber in der Zeit des Außenministers Westerwelle noch die nukleare Null-Option für Deutschland als Forderung und schwammiges Ziel beinhaltet:

“Wir unterstützen mit Nachdruck die von US-Präsident Obama unterbreiteten Vorschläge für weitgehende neue Abrüstungsinitiativen – einschließlich des Zieles einer nuklearwaffenfreien Welt. Abrüstung und Rüstungskontrolle verstehen wir nicht als einen Verlust an Sicherheit, sondern als zentralen Baustein einer globalen Sicherheitsarchitektur der Zukunft. Wir wollen die Chance nutzen, den globalen Trend neuer Aufrüstungsspiralen umzukehren und wieder in eine Phase substantieller Fortschritte auf den Gebieten der Abrüstung und der Rüstungskontrolle eintreten.

Wir sind davon überzeugt, dass auch Zwischenschritte bei der Erreichung des Zieles einer nuklearwaffenfreien Welt wesentliche Zugewinne an Sicherheit bedeuten können. Es gilt zu verhindern, dass neue Nuklearmächte entstehen, neue nukleare Rüstungswettläufe ausgelöst werden, konventionelle Aufrüstung als Ersatz für die Aufgabe nuklearer Potentiale gesehen wird oder die Technologie zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen sowie spaltbares Material in die Hände von Terroristen geraten. Wir sehen mit Sorge die Erosion der internationalen Vertragsarchitektur im Bereich der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Wir sind davon überzeugt, dass Nachfolgeabkommen zu auslaufenden Verträgen ausgehandelt werden müssen und die bislang ausgebliebene Ratifizierung des Atomteststoppvertrages oder des angepassten KSE-Vertrages nachzuholen ist.” (Der bis 1990 formulierte KSE-Vertrag sollte das militärische Gleichgewicht zwischen der Nato und dem früheren Warschauer Pakt gewährleisten, was die Nato mit ihrer Ost-Erweiterung erst untergraben und dann gegenstandslos gemacht hat)

Der Koalitionsvertrag der SPD mit der CDU/CSU für die aktuell zuende gehende Legislaturperiode bestärkte allerdings im Gegensatz zum vorherigen Koalitionsvertrag auch die nukleare Seite der Nato-Politik unverhohlen – so heißt es auf Seite 169 zum NATO-Gipfel in Chicago vom Mai 2012: “Gemeinsam mit unseren NATO-Partnern setzen wir konsequent die Beschlüsse von Chicago zur strategischen Neuausrichtung der Allianz um.”

Das bezieht sich auch auf Absatz 54 der Nato-Deklaration von Chicago: “wir halten den ‘angemessenen Mix’ nuklearer, konventioneller und Raketen-‘Verteidigungs’-Fähigkeiten für die Abschreckung” aufrecht. [Zitat aus dem Originaltext: “maintaining an appropriate mix of nuclear, conventional and missile defence capabilities for deterrence.”]

Die Frankfurter Rundschau berichtete dazu am 05.09.2012 : Die Gipfel-Vereinbarung “verpflichtet die Nato-Mitglieder zur Modernisierung von Bomben und Trägersystemen”. Zitat aus dem Text: „Während sie danach streben, die Bedingungen für weitere Reduktionen der nicht-strategischen nuklearen Waffen zu schaffen und die Optionen dafür erwägen, werden die betroffenen Verbündeten sicherstellen, dass alle Komponenten der nuklearen Abschreckung der Nato so lange sicher, zuverlässig und effektiv bleiben, wie die Nato eine nukleare Allianz bleibt.“

Die Frankfurter Rundschau kritisierte passend, dass sich hinter der sogenannten ‘Modernisierung’ die Neuentwicklung von fernsteuerbaren Präzisionssystemen steht, die die bisherigen “Abwurfbomben” ablösen.

In der Tat wird die B 61-Modell 12-Wasserstoffbombe als einsatzfreudiger als ihre Vorgänger bezeichnet, da sie miniaturisiert und mit selbststeuernden Zielfindungs-Techniken ausgestattet ist, während ihre Vorgänger reine ‘plumpe’ Fallbomben waren.

Siehe: “America’s new, more ‘usable’, nuclear bomb in Europe”

Die Schwelle zum Atomkrieg wird so durch die USA und die Nato und damit auch durch die Bundesregierung und die die Nato-Politik tragenden politischen Kräfte, die alle die ‘Modernisierung’ genannte Weiterentwicklung des Nuklear-Potentials vertreten, weiter gesenkt.

Das wäre die Negation der Zivilisation. Deshalb verwendet dieser Bericht auch nicht das Wort ‘Waffe’, das nach Lage der Dinge ein verharmlosendes ist.

Links aus der Friedensbewegung zum Thema:
http://www.buechel-atomwaffenfrei.de/
www.atomwaffenfrei.de
https://ippnw.de/

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Textes.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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