Ein Kommentar von Bernhard Loyen.
Die Bundeswehr hat weiterhin ein akutes Personalproblem. Seit Jahren versucht sie über eine immer aggressivere Öffentlichkeitsarbeit NachwuchssoldatenInnen für diesen gefährlichen Beruf zu werben. Man präsentiert sich an Schulen und bei Stadtfesten und möchte sich als unbedenklicher Arbeitgeber möglichst freundlich darstellen. Man ging den Weg des modernen Infotainments und produzierte mit finanzstarker Unterstützung der Bundesregierung, in Verbindung einer breit angelegten Printkampagne auf Plakatwänden und in Jugendzeitschriften, im letzten Jahr eine Imagekampagne auf Youtube[1].
Der Protest gegen diese Rekrutierungsmaßnahmen stößt eher unbemerkt auf eine immer breitere Kritik in der Bevölkerung. Das Kinderhilfswerk terres des hommes (tdh) übergab im September diesen Jahres 30.000 Unterschriften an Verteidigungsministerin von der Leyen. Auf ihrer Internetseite informiert tdh über diese Aktion:
Unter 18 nie: Im September 2017 haben wir mehr als 30.000 Unterschriften an Verteidigungsministerin von der Leyen überreicht und unseren Forderungen bei einem Gespräch im Verteidigungsministerium Nachdruck verliehen. (…) Besonders in Jugendmedien und an Schulen versucht die Bundeswehr, Nachwuchs zu werben. Viele Jugendliche lassen sich von guten Gehältern, festem Job, kostenlosem Studium und anderen Vergünstigungen der Bundeswehr locken. Die Risiken wie Trauma, Tod oder Verwundung werden in Schulvorträgen, Werbespots und Materialien der Bundeswehr gar nicht oder nur am Rande erwähnt. Werbeaktionen wie die Bundeswehr-Adventure-Games oder BW-Beachen betonen stattdessen Abenteuer, Spaß, Sport und Teamarbeit, reale Einsatzbilder fehlen oft komplett[2].
Der Erfolg gibt einer Sache Recht. Die erste Videokampagne der Bundeswehr, die Rekruten, war ein vermeintlich großer Erfolg. Im Schnitt knapp je 1 Million Mal wurden die verschiedenen Episoden angeklickt. Nach dem Start der Serie habe es auf der Karrierewebseite der Bundeswehr 40 Prozent mehr Zugriffe gegeben. In der Karrierehotline seien ein Viertel mehr Anrufe eingegangen. “Es ist uns gelungen, die Bundeswehr zum Pausengespräch auf vielen Schulhöfen in Deutschland zu machen”, sagt Dirk Feldhaus (Kommunikationschef der Werbekampagne). Ob es nun zu mehr Bewerbungen für eine Ausbildung bei der Bundeswehr kommt, sei abzuwarten[3].
Abwarten möchte die Bundeswehr, bezüglich einer neuen Werbekampagne jedoch nicht. Im Oktober startet das neue Format mit dem unglaublichen Titel – Mali. Die Kinowerbespots laufen schon an. Auf Youtube ist der entsprechende Channel seit dem 09.10.2017 eingerichtet. Name: Bundeswehr Exclusive[4].
Der Text gibt die neue Marschrichtung vor. Nach der fluffigen Ausbildungsserie, die Rekruten, wird die anvisierte Zielgruppe jetzt auf die knallharte Mission mitgenommen. Der Originaltext lautet: Jetzt wird es ernst! Mach dich bereit uns mit BUNDESWEHR EXCLUSIVE in den Einsatz zu folgen. Ab dem 16. Oktober 2017 warten in unserer neuen Serie “MALI” echte Herausforderungen im Einsatzgebiet auf unsere acht Soldatinnen und Soldaten! Wenn du immer auf dem neuesten Stand sein willst, was bei unseren Kameraden im Camp Castor gerade passiert, abonniere jetzt unseren Messenger Bot: Dir gefällt das Video? Dann lass Bundeswehr Exclusive einen “Daumen nach oben” da und abonniert unseren Kanal!
Yo, schon wieder echt fresh in der Sprache. Das versteht der minderjährige Soldat von morgen. Warum sind doch gleich deutsche Soldaten überhaupt in Mali im Einsatz? Egal! Kam es zu einem Zwischenfall im August 2017, mit zwei getöteten Bundeswehr Soldaten? Egal! Los geht’s im Trailer mit der Nebelgranate. Der Originaltext aus dem Video: Eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie haben sich lange vorbereitet. Auf alles, was sie da draußen erwartet. Bist du bereit, sie zu begleiten? Mali.
So klingt im Bundeswehrjargon des Jahres 2017 der Versuch Minderjährige zu manipulieren. So wird die Tatsache eines bewaffneten Kriegseinsatzes, als Abenteuereinsatz herunter gespielt. Übertriebene Kritik?
Lebensgefährliche Mission. Der UN-Einsatz Minusma in Mali gilt als einer der gefährlichsten Einsätze der Vereinten Nationen. Knapp 50 Staaten sind daran beteiligt. Die Bundeswehr engagiert sich seit 2013. Derzeit sind knapp 900 Bundeswehrsoldaten im Nordosten Malis stationiert. So lautet der Text in der ZDF Mediathek zu einer 5-minütigen Dokumentation, die noch bis August 2018 vorzufinden ist[5]. Die Abschlussfrage der Journalistin an den begleitenden Soldaten: „Was sagen deine Kinder denn dazu, dass der Papa weg ist?“ will ich wissen. „Die finden das nicht gut. Die haben Angst, dass ich vielleicht nicht zurückkomme.“
Wurde den acht Protagonisten der neuen Serie Mali dieses Video gezeigt? Wohl kaum. Hätte es sie interessiert? Man weiß es nicht. Sollten sie sich diese Dokumentation nicht anschauen? Auch hier muss man tief durchatmen. Hintergründe des Mali-Einsatzes erfährt der Zuschauer nicht, zumindest lernt er jedoch zwei Fakten. Dieser Einsatz ist sehr teuer und – eben gefährlich.
Die offizielle Darstellung der Bundesregierung zum Mali-Einsatz finden sie hier[6]. Eine Zusammenfassung der Mali-Problematik finden sie in einem Beitrag von KenFM aus dem Jahre 2013[7]. Diese Seite gibt Jugendlichen & Eltern die Möglichkeit pro und contra zu diskutieren, sollte die Bundeswehr, als Berufsalternative “ins Visier” geraten[8].
Abschließend: Es kann, muss Aufgabe der Erwachsenen sein Jugendliche vor diesem Videoformat zu warnen und entsprechend aufzuklären bzw. begleitend anzuschauen. Sollte die Bundeswehr an einer Schule ihrer Region die Werbetrommel rühren wollen, zeigen Sie Präsenz und intervenieren Sie bei der Schulleitung.
Es gibt für diese erneute Kampagne der Bundeswehr nur ein Wort – Wiederholungstäter.
Quellen
[1] – https://kenfm.de/niveauregulierung-eine-kolumne-21/
[4] – https://www.youtube.com/watch?v=BQgzRkc63Gw
[5] – https://www.zdf.de/politik/dunja-hayali/dunja-hayali-reportage-bundeswehreinsatz-in-mali-100.html
[7] – https://www.youtube.com/watch?v=lSpWthoRhac
[8] – https://www.bevor-du-unterschreibst.de/
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.
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