Niveauregulierung – eine Kolumne

Von Bernard Loyen.

Niveauregulierung ist ein Fachbegriff aus der Autoindustrie(1). Dieses formschöne Wort lässt sich aber auch sehr gut nutzen, um in diesen unruhigen Zeiten Anregungen für längere – inhaltliche – Diskurse und Diskussionen anzuregen.

Es war der 05.06.1999 am Brandenburger Tor in Berlin, dem Monat, als die gewählten Politiker des wiedervereinten Deutschland, beschlossen erstmalig nach dem 2.Weltkrieg sich aktiv kriegerisch im damaligen Jugoslawien zu betätigen. Eine Gruppe mit dem etwas überambitionierten Namen – Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD in Deutschland – beschloss ein Transparent über das Brandenburger Tor installieren zu lassen. Der Text lautete – Wurde diese Grenze aufgehoben, damit wir zusammen gegen andere Völker in den Krieg ziehen.

Eine durchaus angebrachte sachliche Frage, die zum damaligen Zeitpunkt den anwesenden Organisatoren (u.a. dem Autor dieser Zeilen) und Unterstützern (u.a. Laura von Wimmersberg, Heinrich Fink, Uwe-Jens Heuer und Hans Modrow) mehr Spott und Häme einbrachte, als sachliche Diskussionen. Es kam vor Ort zu Kommentaren, wie – uns hätten sie im 3.Reich vergessen/vergast, oder bezahlte Milosevic Schweine.

Die Zustimmung in der Bevölkerung zur Kriegsintervention lag damals bei erstaunlichen 61%(2). Eine für damalige Verhältnisse unvergleichliche Hetzkampagne gegen die serbische Regierung unter Führung von Slobodan Milošević hatte ihren Zweck erfüllt(3). Sechzehn Jahre später entscheidet der Deutsche Bundestag erneut über eine kriegerische deutsche Beteiligung, diesmal in Syrien.

Laut dem Berliner Sender Radio1 am 04.12.2015, sei inzwischen (nach den Anschlägen in Paris) eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung für einen solchen Einsatz. Der Sender beruft sich auf den ARD Deutschland Trend vom Vortag, laut dem 58 Prozent der Deutschen sich für einen solchen militärischen Beistand aussprechen, 37 Prozent seien dagegen(4). Inwieweit diese Zahlen der Realität entsprechen, sei dahin gestellt. Gegenüber dem Jahre 1999 bestehen jedoch heutzutage Möglichkeiten der inhaltlichen, qualitativen Informationssuche, die es damals leider noch nicht gab.

Der einzige Gedanke heute, kann nur der gleiche sein wie im Jahre 1999. Nie wieder Krieg, keine deutsche Soldaten wo auch immer. Die Chancen heutzutage einer breiten Bevölkerungsschicht zumindest alternative Gegen-Informationen zukommen zu lassen, sie aus ihrer mentalen Lethargie zu erwecken, wach zu rütteln sind einfacher denn je. Die Augen zu öffnen, zu animieren, zu aktivieren sind nötiger denn je. Wie das jeder für sich angeht, durchführt fängt zuerst mit dem eigenen Entschluss an informieren, aufklären zu wollen. Welche Wege dabei gewählt werden, ob schriftlich, weiterleitend, oder musikalisch – alles erfüllt seinen Zweck.

Jürgen Todenhöfer postete heute auf seiner facebook Seite ein Lied von Xavier Naidoo. Aus zwei Gründen wurde er dafür sofort aus der vermeintlich etablierten Presse attackiert. Er wagt es, sich mit diesem posting auf die Seite von Naidoo zu stellen und er findet dieses Lied auch noch gut, sogar berührend. Dazu schreibt die Welt in ihrer Vorstellung von Qualitätsjournalismus folgende Sätze – IS-Kenner Todenhöfer hat sich erneut auf vermintes Terrain begeben…..Nun wagt sich Todenhöfer schon wieder in die Schusslinie(5). Ja, Kriegsrhetorik beherrschen sie. Das Lied heißt – Nie mehr Krieg.

Die Süddeutsche Zeitung nennt Naidoos gewählte Form von Kriegsgegnerschaft – eine reduzierte Botschaft. Sie unterstellt ihm in Bezug auf den Text ein schlichtes Weltbild und die Frage sei nur ob Friedensbotschafter Naidoo wirklich an der Komplexität dieser Welt interessiert ist.

.…..Geraune über mächtige Profiteure im Hintergrund, Behauptungen über angebliche Tabus (Kriegskritik-Verbot), Provokation durch einen drastischen Vergleich und eine einfache Botschaft (Hey, wer kann schon FÜR Krieg sein?): Das ist klassischer Naidoo-Code, der ein schlichtes Weltbild und einfache Lösungen anbietet, weil er unangenehme Komplexität einfach ausblendet [6)

Man kann, muss das schlicht boshaft nennen. Wer in diesen Zeiten belächelt, ja ausgelacht wird, weil er Sätze formuliert, wie Nie wieder Krieg, wenn wir das nicht sagen dürfen, dann läuft doch etwas schief und inhaltlich reduziert wird auf die Zeile Muslime tragen den neuen Judenstern, alles Terroristen, wir haben sie nicht mehr gern” = lt SZ hanebüchenen Unsinn[6) hat nur eine Vorgabe – Friedensunterstützer / Kriegsgegener zu diskreditieren.

Mit den heutigen Möglichkeiten kann es nur ein Ziel geben. Die momentan noch existierende Kriegswilligkeit der deutschen Bevölkerung auf 0% zu bringen. Xavier Naidoo hat seinen Anteil dabei mehr als erfüllt.

(1) http://www.mobile.de/auto-lexikon/niveauregulierung/
(2) http://www.berliner-zeitung.de/archiv/umfrage–balkan-krieg-nur-zweitwichtigstes-thema—mehrheit-fuer-bonner-kosovo-politik-arbeitslosigkeit-ist-groesste-sorge-der-deutschen,10810590,9636608.html
(3) https://www.nadir.org/nadir/periodika/einsatz/46/h4.htm
(4) https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend-455.html
(5) http://www.welt.de/vermischtes/article149597515/Muslime-tragen-den-neuen-Judenstern.html
(6) http://www.sueddeutsche.de/…/friedenssong-xavier-naidoo-erk…


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