Mord an der Wahrheit

Die Mainstream-Medien führen einen Krieg gegen die Meinungsfreiheit.

Hinweis zum Rubikon-Beitrag: Der nachfolgende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beitrat unter anderem Daniele Ganser und Rainer Mausfeld aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

von Shane Quinn.

Anfang 2017 gab die New York Times den folgenden neuen Leitsatz bekannt: „Die Wahrheit ist heute wichtiger als je zuvor.“ Damit hat sie sich ein scheinbar edles, doch möglicherweise strittiges Motto auf die Fahnen geschrieben, wenn man die jüngste Vergangenheit der Zeitung näher betrachtet. Zwei Experten für Völkerrecht, Howard Friel und Richard Falk, haben nach der Irak-Invasion von 2003 ein Buch mit dem Titel „The Record of the Paper: How the New York Times Misreports US Foreign Policy“ veröffentlicht, zu dem bisher kaum Rezensionen erschienen.

Friel und Falk haben sich aufgrund der Bedeutung dieser Zeitung auf die Times konzentriert. Die Autoren heben hervor, dass die Begriffe „Völkerrecht“ und „UN-Charta“ in 70 Times-Leitartikeln zum Irak – im Zeitraum vom 11. September 2001 bis zum 20. März 2003 – kein einziges Mal vorkommen. Die „Wahrheit“ schien nicht besonders „wichtig“ zu sein, denn die Times sah der Zerstörung des Irak stillschweigend zu.

Das auf die amerikanische Öffentlichkeit gerichtete Trommelfeuer der Propaganda war so stark, dass 69 Prozent der Bevölkerung glaubten, Saddam Hussein sei in die Anschläge vom 11. September „persönlich verwickelt“ gewesen. Das ist ein erheblicher Manipulationserfolg. Die Umfrageergebnisse müssen dem irakischen Diktator, einem vergessenen ehemaligen Verbündeten der USA, völlig neu gewesen sein.

Warum Hussein es auf sich nehmen sollte, einen Überraschungsangriff ausgerechnet gegen die USA zu veranlassen, sei dahin gestellt. Vielleicht, falls er einen Todeswunsch gehabt hat, doch spätere Ereignisse zeigten, dass er kein selbstmörderischer Typ war.

Muster der Mainstream-Berichterstattung

Es war nicht allein die Times, die der amerikanischen Bevölkerung den Irakkrieg verkaufte; auch Fernsehsender von Fox News bis CBS und CNN waren überwiegend Kriegsbefürworter. Fox News, im Besitz von Rupert Murdoch – der den illegalen Konflikt nachdrücklich unterstützte –, platzierte dauerhaft eine US-Flagge in der Ecke seiner Fernsehbilder. Fox-Mitarbeiter wurden verpflichtet, die Invasion als „Operation Iraqi Freedom“ – „Operation für die Freiheit des Irak“ – zu bezeichnen, bei der später hunderttausende Iraker getötet wurden.

Dieses Muster zieht sich auch durch die Berichterstattung zu anderen unrechtmäßigen Interventionen, sichtbar etwa im liberalen Guardian, der die Zerstörung Lybiens im Jahr 2011 befürwortete, mit Leitartikeln, die beschworen „Je schneller Muammar al-Gaddafi fällt, desto besser.“ Der Guardian ermunterte die NATO, „das militärische Gleichgewicht weiter zu Ungunsten Gaddafis zu kippen“, während er später im selben Jahr resümierte, dass „bisher alles recht gut gelaufen ist“ – zu diesem Zeitpunkt waren bereits Tausende getötet worden.

Im Jahr 2015 versicherte Ian Birrell, damals stellvertretender Chefredakteur des Independent, seiner Leserschaft noch immer: „Ich würde sagen, dass Großbritannien und Frankreich Recht damit hatten, sich [in Libyen] einzumischen. Die Fehlschläge kamen später.“ Offenbar war es kein Problem für zwei alte Imperialmächte, „sich einzumischen“, um einen souveränen Staat zu zerstören, und die Eindringlinge danach der Verantwortung zu entbinden, da „die Fehlschläge“ ja erst „später“ kamen.

Herabwürdigung des Journalismus

Es geschieht in der Tat selten, dass man einen prominenten Journalisten die Ausgewogenheit der westlichen Mainstream-Berichterstattung in Frage stellen hört. Dieselben Stimmen melden sich jedoch zu Wort, wenn alternative Nachrichtenquellen einen anderen Standpunkt vertreten, der nicht ihrem Geschmack entspricht.

Nick Cohen warf dem Sender Russia Today – kurz RTim Guardian vor, ein „Propagandakanal“ zu sein, und behauptete, Russland würde „den Journalismus herabwürdigen.“ Im darauf folgenden Satz beschreibt Cohen BBC und New York Times als „seriöse Nachrichtenorganisationen.“

Cohen unterstützte den Irakkrieg mit Nachdruck; er schrieb damals, „die Linke verrät die irakische Bevölkerung, indem sie gegen den Krieg ist“, und „eine amerikanische Invasion bietet die Möglichkeit der Erlösung.“ Ihm warf man nicht vor, durch die Unterstützung dieser Verletzung des Völkerrechts „den Journalismus herab[zu]würdigen“, auch dann nicht, als er später andere Interventionen in Libyen und Syrien befürwortete.

Der Ruf der BBC, die Cohen zuvor als „seriös“ bezeichnet hatte, erhielt einen Dämpfer, als die Cardiff University enthüllte, dass der Sender in seiner Berichterstattung über die Irak-Invasion „die kriegsfreundlichste Agenda unter allen Sendern zeigte.“

Im Informationskrieg

Steven Erlanger von der New York Times beschrieb RT als „Vertreter der Kreml-Politik“, eingesetzt, um „westliche Demokratien zu unterwandern“ und „den Westen zu destabilisieren.“ Er unterließ es, diese Behauptungen durch irgendeine Form von Beweis zu belegen. Um diese Angriffe aus einer anderen Perspektive zu sehen, könnte es sich lohnen, auf einen entscheidenden Auszug aus dem First Amendment der US-Verfassung zu verweisen: „Der Kongress darf kein Gesetz erlassen, das […] die Rede- oder Pressefreiheit beschneidet [einschränkt].“

Dieses Gesetz existiert in westlichen Demokratien nicht, doch Versuche, die Meinungsfreiheit zu beschränken, schreiten zügig voran, während Machtorgane alternative Medien zunehmend angreifen. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem der französische Präsident Emmanuel Macron kurz nach seinem Amtsantritt legitime Nachrichtenquellen öffentlich dafür attackierte, sie würden „wie hinterlistige Propaganda funktionieren.“

Vielleicht ist die versteckte Sorge, zum Beispiel bezüglich RT, in dessen wachsender Beliebtheit und Reichweite begründet. Der Sender kommt auf eine wöchentliche Gesamtzuschauerzahl von 70 Millionen Menschen und diese Zahl steigt. RT ist für Zuschauer in westlichen Kerngebieten wie Großbritannien und den USA verfügbar, und acht Millionen Amerikaner schauen diesen Sender jede Woche. Es ist durchaus eine beachtliche Leistung, dass ein Sender, der das Wort „Russia“ im Titel trägt, Millionen von Zuschauern anziehen kann, trotz der wachsenden Anti-Russland-Stimmung, die von den westlichen Machthabern verfochten wird.

Es spricht Bände, dass elitäre Figuren wie Hillary Clinton in der Vergangenheit geklagt haben: „Wir befinden uns in einem Informationskrieg und wir sind dabei, diesen Krieg zu verlieren.“ Zum ersten Mal in der Geschichte haben Bevölkerungen breiten Zugang zu alternativen Nachrichtenperspektiven – Sichtweisen, die sie wahrscheinlich als ausgewogener betrachten. Das unangefochtene Monopol auf die öffentliche Meinung existiert nicht mehr.

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Dieser Beitrag erschien am 21.12.2018 bei Rubikon – Magazin für die kritische Masse.

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Kommentare (4)

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