Professor Leszczynskis Kritik an den Umwelt- und Gesundheitskriterien der WHO

Einführung zu Professor Dariusz Leszczynskis Kritik an der geplanten Veröffentlichung der Umwelt- und Gesundheitskriterien der WHO für hochfrequente elektromagnetische Felder.

Ob Versagen oder Absicht, die Umwelt- und Gesundheitskriterien der WHO werden offensichtlich erst veröffentlicht, wenn sie nicht mehr benötigt werden.

Franz Adlkofer, Stiftung Pandora

Professor Dariusz Leszczynski hat als international anerkannter Experte im Bereich der Mobilfunkforschung die seit Jahren laufenden Bemühungen der WHO bei der Erstellung von Umwelt- und Gesundheitskriterien für den Umgang mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern einer begründeten Kritik unterzogen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die WHO für dieses Dokument nur den Namen zur Verfügung stellt, der Inhalt jedoch von der Internationalen Kommission zum Schutze vor nicht-ionisierenden Strahlen (ICNIRP) vorgegeben wird. Die ICNIRP ist ein der Mobilfunkindustrie nahestehender privater Verein, der sich anmaßt, darüber zu entscheiden, was im Bereich der Mobilfunkforschung gesichertes Wissen ist und was nicht. Das vorgesehene Dokument, das 2018 oder 2019 publiziert werden soll und damit seit 10 Jahren überfällig ist, wird zum Zeitpunkt der Publikation weitgehend bedeutungslos sein, weil die Technologien (G3 und G4), die darin behandelt werden, durch eine völlig anders geartete Mobilfunkgeneration (G5) dann gerade ersetzt werden.

Die revolutionäre G5-Technologie, über bei der Science & Wireless-Tagung 2016 in Australien berichtet wurde, zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Strahlung nicht in den Körper der Mobilfunknutzer eindringt, sondern gänzlich von der Haut absorbiert wird. Dass Problem besteht jedoch darin, dass es gegenwärtig keinerlei Erkenntnisse darüber gibt, wie hoch die Strahlenabsorption der Haut sein darf, ohne dass sie und die mit ihr in enger physiologischer Verbindung stehenden inneren Organe des menschlichen Körpers in Struktur und Funktion Schaden nehmen. Wie schon bei der Einführung der Mobilfunkgenerationen G1 bis G4 geht die Mobilfunkindustrie davon aus, dass diesmal bei G5 erst recht nicht mit biologischen Wirkungen von Relevanz für die Entstehung von gesundheitlichen Störungen zu rechnen ist. Dass sie sich bei den vorausgegangenen Mobilfunkgenerationen G3 und G4 ganz erheblich geirrt hat, scheint sie allmählich, wenn auch sehr widerwillig, zur Kenntnis zu nehmen.

Dieser sich andeutende Prozess der Erkenntnis, der den Schluss zulässt, dass den bisher geltenden Grenzwerten der Hochfrequenzstrahlung entsprechend den Ergebnissen der unabhängigen Forschung keine Schutzfunktion zukommt, dürfte auch die Erklärung dafür sein, warum sich die Veröffentlichung der Umwelt- und Gesundheitskriterien der WHO jahrelang verzögert hat. Die Zuverlässigkeit der Grenzwerte wird von der Mobilfunkindustrie, der WHO und insbesondere der ICNIRP, die für ihre Erstellung verantwortlich ist, vermutlich wider besseres Wissen immer noch mit allen Mitteln verteidigt. Die Zulassung der gegenwärtig genutzten Mobilfunkgenerationen G3 und G4 beruht nämlich auf der Einhaltung der bestehenden Grenzwerte. Zugeständnisse an den Stand der wissenschaftlichen Forschung sind von ihnen wohl erst zu erwarten, wenn die neue völlig anders geartete G5-Technologie, für die es noch keine Richtlinien gibt, einsatzbereit sein wird. Dies wird, wie Dariusz Leszczynski annimmt, in ein bis zwei Jahren der Fall sein. Mit der Einführung der G5-Technologie, über deren biologische und gesundheitliche Wirkungen gegenwärtig so viel wie nichts bekannt ist, wird das Spiel der Mobilfunkindustrie mit der Gesundheit der Menschen von vorne beginnen. Institutionelle Korruption, der sie ihren Aufstieg zur wirtschaftlichen Großmacht mit verdankt, nimmt – wenn es denn sein muss –  auch Menschenopfer in Kauf.

Aber lesen Sie selbst:

Wie einseitig, veraltet und technisch überholt werden die Umwelt – und Gesundheitskriterien der WHO für hochfrequente elektromagnetische Felder sein, wenn sie – hoffentlich – 2018 veröffentlicht werden?

Dariusz Leszczynski, PhD, DSc (Biochemie)

Original:  https://betweenrockandhardplace.wordpress.com/2017/02/26/how-single-sided-outdated-and-obsolete-will-be-the-ehc-rf-emf-when-it-will-be-hopefully-published-in-2018/

Das EMF-Projekt der WHO erarbeitet gegenwärtig unter der „Aufsicht“ der ICNIRP die Umwelt- und Gesundheitskriterien [kurz: EHC-RF-EMF] für modulierte hochfrequente elektromagnetische Felder. In diesem Dokument werden alle möglichen Gesundheitsrisiken modulierter hochfrequenter elektromagnetischer Felder (RF-EMF) bewertet, die von drahtlosen Kommunikationsgeräten emittiert werden.

Mittlerweile ist der EHC-RF-EMF-Bericht seit fast 10 Jahren überfällig. Wie ich bereits in meinem Blog BRHP [frei übersetzt: „Zwischen Skylla und Charybdis“] mitteilte, wurde 2014 ein Teilentwurf – geschrieben von einer von ICNIRP-Mitgliedern dominierten Gruppe von Wissenschaftlern – für die allgemeine öffentliche Kommentierung freigegeben.

In den nächsten Schritten sollte der Text mit den erhaltenen Kommentaren aktualisiert, eine Expertengruppe für die Begutachtung des Entwurfs ausgewählt und die endgültige Fassung erstellt werden.

Bis jetzt, Ende Februar 2017, scheint es wenig Fortschritte gegeben zu haben, und ein Ende ist nicht abzusehen.

Das Schicksal der eingereichten Kommentare ist unbekannt, denn die Berücksichtigung unterliegt dem Ermessen des EMF-Projektes der WHO und der ICNIRP-Experten. Die Verfasser der Kommentare erhalten keine Rückmeldung.

Die Expertengruppe ist immer noch nicht aufgestellt, wie mir die Leiterin des EMF-Projektes, Dr. Emilie van Deventer, mitteilte, und offensichtlich gibt es bisher keinen Termin, wann diese Gruppe zusammenkommt, um die endgültige Fassung des EHC-RF-EMF-Berichts auszuarbeiten.

Mehrmals habe ich mich in meinem Blog sehr kritisch über den Umgang des EMF-Projektes der WHO und der ICNIRP mit EHC-RF-EMF-Bericht geäußert.

Das wesentliche Problem besteht zum einen in der Auswahl der Experten, die den Entwurf geschrieben haben, und zum andern in der Auswahl der Experten, die die endgültige Fassung erstellen sollen.

Das EMF-Projekt der WHO besitzt von sich aus keinerlei Expertise, um die biologischen und gesundheitlichen Wirkungen von RF-EMF zu bewerten. Bei allem, was das EMF-Projekt tut, spielt die ICNIRP die dominierende Rolle. Damit ergibt sich der Eindruck, dass das das EMF-Projekt der WHO vorgeschoben wird, um die Absichten der Mitglieder der ICNIRP umzusetzen.

Die ICNIRP ist wie ein „privater Klub“ organisiert, in dem die gegenwärtigen Mitglieder neue Mitglieder wählen, dies auf der Basis ihres Ansehens innerhalb ihres Forschungsgebietes und ihrer Meinung über biologische und gesundheitliche Wirkungen von EMF. Dieses „Selbstauswahl-Verfahren“ hatte die sehr „ungute“ Situation zur Folge, dass alle ICNIRP-Mitglieder zu den biologischen und gesundheitlichen Wirkungen von EMF die gleiche wissenschaftliche Meinung haben. Daraus ergibt sich eindeutig die Situation eines Interessenskonflikts, da die ICNIRP-Mitglieder bei der Begutachtung wissenschaftlicher Evidenz ihrer eigenen wissenschaftlichen Meinung eine „Vorzugsbehandlung“ einräumen werden. Wenn es niemanden gibt, der diese Meinung mit alternativen Erklärungen anficht, wird die endgültige Meinung verzerrt sein und wahrscheinlich auf Voreingenommenheit beruhen, da die ICNIRP-Mitglieder ja alle ähnliche Meinungen haben.

Die einzige Möglichkeit, diesen aufgrund der vorgefassten Meinungen der ICNIRP-Mitglieder verursachten Interessenskonflikt zu vermeiden, besteht in der Änderung der Zusammensetzung der Expertengruppe, die die endgültige Fassung des EHC-RF-EMF-Berichts erstellen wird.

Es gibt einen Präzedenzfall, dem man folgen sollte: Die Expertengruppe der IARC im Jahr 2011 bestand aus Wissenschaftlern mit unterschiedlichen Meinungen. Dies ermöglichte eine offene und in die Tiefe gehende wissenschaftliche Debatte. Debatten dieser Art sind innerhalb der ICNIRP oder ihrer Frontorganisation, dem EMF-Projekt der WHO unvorstellbar, weil alle Experten die gleiche Meinung vertreten.

Die Notwendigkeit der Änderung der Zusammensetzung der Expertengruppe wird verstärkt durch den aktuell bestehenden Mangel an wissenschaftlicher Übereinstimmung. Wie Dr. van Deventer in ihrem Interview in The Daily Princetonian am 31. März 2015 einräumte: „Die Daten sind grau. Sie sind nicht schwarz und weiß,“ und „Es gibt keinen Konsens, das ist wahr. Es gibt eine große Gruppe und eine kleine Gruppe, aber es sind immer noch zwei Gruppen“. Es ist unklar, von woher Dr. van Deventer etwas über die Größe der Gruppen (groß und klein) erfahren hat, zumal es dazu keinerlei Statistik gibt.

Es gibt sogar einen noch gewichtigeren Standpunkt, der die Auffassung rechtfertigt, Experten mit unterschiedlichen Meinungen für die Ausarbeitung des EHC-RF-EMF-Berichts auszuwählen und nicht nur solche, die wie die ICNIRP-Mitglieder eine einseitige Meinung vertreten. Entsprechend „The Daily Princetonian“ äußerte sich Dr. van Deventer dazu wie folgt [unterstrichen von DL]: „Obwohl das WHO EMF Projekt wiederholt zu der Schlussfolgerung kam, dass drahtlose Netzwerkrouter und Basisstationen keine messbaren gesundheitlichen Auswirkungen haben, hat der Informationsumfang auf beiden Seiten der Argumentation die Debatte so in die Länge gezogen.“ 

Eine Gruppe von Experten wie die ICNIRP mit einer einseitigen Meinung ist für die unvoreingenommene Bewertung des „Informationsumfangs auf beiden Seiten der Argumentation“ nicht geeignet. Der auf einer vorgefassten Meinung beruhende Interessenskonflikt wird dies behindern und der einzige Weg zur Lösung des Problems besteht in der Aufnahme von Experten mit unterschiedlichen Meinungen.

Darauf habe ich in dieser Angelegenheit bis zu dem Punkt bestanden, dass Emilie van Deventer und Mike Repacholi [eingefügt von FA: ehemaliger Leiter des WHO-EMF-Projekts und Gründer der ICNIRP] sich über meine Hartnäckigkeit „ärgerten“ und „aufregten“. Es könnte jedoch sein, dass das EMF-Projekt der WHO jetzt doch daran denkt, auch Experten mit einer von der ICNIRP abweichenden Meinung einzuladen. Zumindest könnten geplante Treffen mit solchen Experten in Genf auf diese Möglichkeit hindeuten …

Das Problem der Zusammensetzung der Expertengruppe, die die Endfassung des EHC-RF-EMF-Berichts ausarbeitet, ist von allergrößter Wichtigkeit. Dieses Dokument wird bestimmen, was in Zukunft mit der drahtlosen Kommunikation geschieht und ob es irgendwelche gesundheitsrelevanten Einschränkungen geben wird oder nicht, die den Herstellern und Providern auferlegt werden.

Doch wie veraltet und technisch überholt wird der EHC-RF-EMF-Bericht sein, wenn er 2018 oder 2019 tatsächlich publiziert wird?

Die Entwicklung und Einführung der nächsten Generation (5G) der Kommunikationstechnologie schreitet rasch voran. Wie Nicolas Fearn in seinem Artikel am 13. Februar 2017 in ITPRO schreibt [unterstrichen von DL]: 4G wird in den nächsten paar Jahren bei den mobilen Anschlüssen noch dominieren, aber niemand leugnet, dass 5G die wahre Perspektive für die Zukunft ist. Tatsache ist, dass ein Mobilstandard benötigt wird, mit dem die wachsende Zahl an Geräten und Personen mit Zugang zum Internet besser bewältigt werden kann, und es ist vielversprechend zu sehen, dass dazu bereits große Schritte unternommen werden.“ 

In wenigen Jahren wird also 4G veraltet sein und mit ihm wohl auch das EHC-RF-EMF-Dokument?

Wenn also der EHC-RF-EMF-Bericht, der sich überwiegend mit 3G und die 4G befasst, 2018/2019 veröffentlicht wird, wird die neue 5G-Technologie, bei der die Strahlenexposition in keiner Weise mit der von 3G und 4G verglichen werden kann, gerade kommerziell eingeführt.

Wird also der EHC RF-EMF-Bericht schon am Tag der Veröffentlichung obsolet sein?

Wie immer wird auch diesmal eine neue Technologie (5G) eingeführt, während die Erforschung ihrer biologischen und gesundheitlichen Wirkungen nachträglich erfolgt, so wie es bei 1G, 2G, 3G und 4G geschah. Dies alles ist „erlaubt“, weil die amerikanische Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) in den frühen 1980-ziger Jahren die gewerbliche Nutzung der ersten Mobiltelefone aufgrund der Ausschlussregel bei geringer Leistung ohne Gesundheitstests gestattete …

Heute, einige Jahrzehnte später, kann alles, was mit einer geringen Leistung einhergeht, ohne vorausgehende Untersuchungen kommerziell eingeführt werden und niemand stellt Fragen. Wie jedoch die Forschung zu RF-EMF zeigt, ist dies wohl nicht gerechtfertigt. Eine Anzahl wissenschaftlicher Studien an Mensch und Tier hat gezeigt, dass Geräte, die wegen der Ausschlussregel aufgrund geringer Leistung für den Markt erlaubt sind, bei den Nutzern biologische und gesundheitliche Auswirkungen verursachen können …

Und abschließend, warum fehlt jeglicher Verweis auf die 5G-Technologie und deren Untersuchung auf biologische und gesundheitliche Wirkungen im EMF-Projekt der WHO? Wie lange müssen wir auf die Umwelt- und Gesundheitskriterien für die 5G-Technologie warten?

Pandora  –  Stiftung für unabhängige Forschung 2017

 © Prof. Dr. Dariusz Leszczynski

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Auch interessant...

Kommentare (21)

Hinterlassen Sie eine Antwort