Kriegsrat berät den Tag Null im Nebel

von Bernhard Trautvetter.

Jedes Jahr finden zwei herausragende Strategiekonferenzen unter Beteiligung hochrangiger Militärs in Deutschland statt. Zum einen die medienwirksame SiKo, ein halbes Jahr später die Air and Space Power-Conference in Essen.

Unsicherheitskonferenz

Von der Münchner “Sicherheitskonferenz” aus verbreiten die Verantwortlichen das schleichende Gift militärischen Denkens und dann auch entsprechen kriegerischen Handelns in die Gehirne der Menschen in der NATO-Öffentlichkeit. Herausragendes Beispiel für diese propagandistische Inszenierung war die Sicherheitskonferenz 2014 mit dem Dreiklang des damaligen Bundespräsidenten Gauck, der so genannten “Verteidigungs”ministerin von der Leyen und des damaligen Außenministers Steinmeier. Sie betonten alle die “gewachsene Bedeutung” Deutschlands in der Welt, das mehr “Verantwortung” übernehmen müsse, die auch militärisch gemeint ist. O-Ton des damaligen Außenministers Steinmaier: “Der Einsatz von Militär ist ein äußerstes Mittel. (…) Allerdings darf eine Kultur der Zurückhaltung für Deutschland nicht zu einer Kultur des Heraushaltens werden. Deutschland ist zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren.” In dieser Propagandashow hatte Bundespräsident Gauck zugleich auch den Pazifismus als aufrichtig aber störend abgewickelt. (1)

Diese Verharmlosung durch den begrifflichen Ausflug in die Fußballsprache stellt ein geschicktes Mittel dar, die Gehirne der Menschen im Informationskrieg zu gewinnen. Was damit konkret gemeint ist, wird klar, wenn man sich nur den derzeit gefährlichsten Konflikt in Europa, den in der Ukraine ansieht.

Die ukrainische Regierung hat die Sicherheitsmaßnahmen an den 15 Atomreaktoren im Lande wegen der bedrohlichen Lage verstärkt. In der Ukraine ist nicht nur Tschernobyl, sondern circa 200 km von Donezk entfernt steht beispielsweise das leistungsstärkste Atomkraftwerk Europas. Ein Waffengang hätte fatalste Auswirkungen für die Zivilisation, für Europa und die Welt; er würde in einem nuklearen Inferno münden. Davon redet keiner in der Bundeswehr, in der NATO und in den Staaten, die in der NATO sind.

Kriegsrat

Doch auf den Jahreskonferenzen der NATO-Einrichtung “Joint Air Power Competence Centre” (JAPCC), über die die NATO die Medien und damit die Öffentlichkeit nicht informiert, da man ungestört unter sich sein will, wie es scheint, wird der Krieg auch in Europa durchgespielt.

Diese Jahreskonferenzen sind Treffen von circa 250 Führungskräften aus NATO und  Bundeswehr, unter denen circa 50 Generäle sind. Desweiteren kommen ranghohe Politiker aus den NATO-Staaten, Militärstrategen und Vertreter bedeutender Rüstungskonzerne, auch aus der Nuklearindustrie hinzu. (2)

2014 zweifelte man auf der Konferenz “Future Vector” (Zukunftspfeil) an, dass es keinen großen Krieg mehr in Europa gibt. (3) Deshalb forderte man einen “angemessenen Mix” nuklearer und konventioneller Potentiale (4)

Dieses Jahr lädt das JAPCC zur Jahreskonferenz unter dem Titel “Der Nebel des Tages Null – Luft und Weltraum an der Frontlinie” ein. (5) Schon der Titel weckt Vorstellungen bedrohlichster Szenarien. Mit der Stunde Null, könnte man annehmen, ist die erste Stunde des Friedens nach dem Krieg gemeint; das ist aber nicht der Fall. Gemeint ist die Frage, ob die NATO die richtige Einstellung, Haltung und Mentalität hat, am sogenannten Tag Null zu kämpfen. (5)

Die Bevölkerung in den NATO-Staaten, so beklagen die einladenden Militärs, zeige eine Aversion gegenüber der Möglichkeit von Todesopfern und anderen unangenehmen Konsequenzen von Kampfhandlungen. Diese Tatsache sei nicht nur in der Psyche der Bevölkerung zu beklagen, sondern auch bei militärischen Service-Kräften (…) (6) Deshalb müsse die Bevölkerung wieder verstärkt auf die NATO-Kernaufgaben re-orientiert werden. Dies sei besonders für Europa relevant, weshalb der Workshop zu den “Fähigkeiten der NATO, ihrer Verletzbarkeit und zu den Herausforderungen” die Aufmerksamkeit auf ein mögliches Kampfgeschehen in Europa richtet. (7)

No NATOm-Krieg-Demonstration/en in Kalkar und Essen im Oktober

Die Friedensbewegung antwortet auf derartige Planspiele mit dem Hinweis, dass Europa nach dem ersten großen Krieg über 10 Millionen Tote zu beklagen hatte, nach dem zweiten Weltkrieg waren es fast sechs mal so viele; ein dritter großer Krieg in Europa würde das Ende der Zivilisation bedeuten.

Die Friedensbewegung demonstriert gegen die Strategen und ihre Kriegsratskonferenz zum einen am Tag der deutschen “Einheit”, dem 3. Oktober, in Kalkar, am Sitz des JAPCC, der Luftleitzentrale von NATO und Bundeswehr, dem 24-Stunden-Gefechtsstand der Luftwaffe und weiterer NATO- und Bundeswehr-Einrichtungen. Die Demonstration beginnt um 11 Uhr an der von Seydlitz-Kaserne und endet am Markt in Kalkar. Am darauf folgenden Samstag, dem 6. Oktober, demonstriert die Friedensbewegung gegen die NATO-Kriegsrats-Konferenz in Essen. Der Auftakt wird um zwei vor zwölf am Willy Brandt-Platz sein; dieser Zeitpunkt erinnert daran, dass die kritischen Nuklearwissenschaftler ihre Uhr zur Warnung vor einem Atomkrieg auf zwei vor zwölf vorgestellt haben, da die Nuklearrüstung und die internationalen Spannungen ein immer gefährlicheres Gemisch darstellen.

Hier kann man den Appell gegen diese Konferenzen online unterstützen.

Quellen:

(1) ” Ich muss wohl sehen, dass es bei uns – neben aufrichtigen Pazifisten – jene gibt, die Deutschlands historische Schuld benutzen, um dahinter Weltabgewandtheit oder Bequemlichkeit zu verstecken.” http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2014/01/140131-Muenchner-Sicherheitskonferenz.html

(2) https://www.japcc.org/exhibit/

(3) Joint Air Power Competence Centre Future Vector Part I, Kalkar 2014, S.141

(4) ebenda, S. 70

(5) https://www.japcc.org/conference/conference-topics/

(6) https://www.japcc.org/conference/conference-topics/

(7) ebenda

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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