KenFM im Gepräch mit: René Zeyer (“Armut ist Diebstahl”)

“Bevor man einen Kuchen verteilen kann, muss man ihn backen!”

Eines der häufigsten Argumente derer, die Verständnis für PEGIDA-Demonstranten haben oder selber zu ihnen zählen lautet, dass man vor allem auch jene Menschen beschützen müsse, die auf soziale Leistungen tatsächlich angewiesen seien. Wer jeden an die fetten Tröge des Sozialstaates heranlasse, nehme den wirklich Bedürftigen die letze Chance.

Ja, es gibt sie, Menschen, die den Sozialstaat für einen Selbstbedienungsladen halten, die die Unterstützung nicht wirklich brauchen und auch nicht vorhaben, die in Anspruch genommene Hilfe nur auf Zeit zu nutzen, sondern für immer. Klassische Trittbrettfahrer. Menschen, die über wenig Ehrgeiz oder persönlichen Anspruch an sich selbst verfügen, für die ein parasitäres Verhalten sogar als schlau gilt. Aber – Menschen, die so ticken, sind die Minderheit.

Und schon sind wir beim größten Arbeitgeber der Republik. In der Armutshilfe finden über eine Million Menschen weit mehr als Lohn und Brot. Es handelt sich um eine Art von Industriezweig.
Krisenfest, da er nur eingehen kann, wenn Krisen als solche verschwinden.

Krisen aber entstehen zwangsläufig als Spin-off des Kapitalismus, und so ist die hier beschriebene Industrie ein global wachsender Markt. Die Rede ist vom unüberschaubaren Netzwerk sogenannter Wohltätigkeitsorganisationen. Hier werden allein in der BRD jedes Jahr dutzende von Millionen gesammelt und Steuergelder bewilligt. Spenden für die Ärmsten der Armen. Im In- und Ausland.

Nur, was geschieht mit diesen Unsummen? Wie werden sie eingesetzt? Und vor allem: Wie hoch sind die Kosten für die Infrastruktur der Verteilenden?

René Zeyer ist ein Journalist, dessen Eltern vom damals noch real existierenden Sozialismus derart enttäuscht waren, dass sie mit ihrem Sohn in die Schweiz zogen. Zeyer arbeitete hier Jahrzehnte für die großen Pressehäuser des Landes. Z.B. für die NZZ, die Neue Zürcher Zeitung. Die schickte ihn unter anderem nach Kuba und leistete sich mit ihm über zehn Jahre den einzigen deutschsprachigen Auslandskorrespondenten bei Fidel Castro.

Zeyer hat sich immer auch mit Ökonomie und den großen Geldströmen des Planeten beschäftigt. Er gehört zu den fundiertesten Kritikern des Dollar-Imperiums, ist aber eben auch ein Mann, der in unserem System der garantierten Rettung durch zuvor eingesammelte Unsummen extrem unbequeme Fragen stellt. Etwa ob es sich lohnt, Milliarden in Dritte-Welt-Staaten zu pumpen, wenn dort keinerlei Garantie existiert, dass das Geld nicht zweckentfremdet wird?

Ist der Preis der sammelnden Organisationen nicht obszön hoch? Wer kassiert hier eigentlich den Löwenanteil und wer schaut in die Röhre?

Zeyer kommt zu bitteren Ergebnissen. Der Großteil des Geldes, das für Bedürftige zur Verfügung steht, erreicht die, die es benötigen, nie! Rund 50% bleiben in den Händen derer, die es verwalten und verteilen. Skandale wie die Dienstwagen-Affäre des Maserati-fahrenden “Treberhilfe Berlin“-Chefs Harald Ehlert sind die krassen Ausdrucksformen dieser Veruntreuung.

Zeyer weiß, das schon der Titel seines Buches “Armut ist Diebstahl – Warum die Armen uns ruinieren” provoziert, aber er ist nicht angetreten, um sich lieb Kind zu machen. Dafür hat das Thema einen zu ernsten Hintergrund. Zeyer will, dass gerade der spendable Humanist genau hinsieht, was mit seinen Hilfsgeldern geschieht, wie aber vor allem die Bedürftigen erneut betrogen werden.

Zeyer will, dass wir an die Wurzeln des Übels gehen und uns vor allem mit Tatsachen auseinandersetzen, die wenig geeignet sind, um unserem Gewissen Verdrängung zu garantieren. Unbequeme Wahrheiten.

Wir trafen den Publizisten in Zürich, wo er u.a. für journal21.ch schreibt. Ein 90-minütiges Gespräch, das auf einen Satz eingedampft ein Zitat von John Doe im Thriller „Seven” nötig macht:

„Wenn man möchte, dass die Menschen einem zuhören, reicht es nicht, ihnen mit dem Finger auf die Schulter zu tippen; Du musst sie mit einem Vorschlaghammer treffen.“

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