Keine Upload-Filter bei Human Connection

Von Daniel Gast.

Kaum ein Thema wird im Netz aktuell so heiß diskutiert, wie der Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform. Die Kampagnenplattform Change.org zählt aktuell mehr als 4,8 Millionen Unterstützer der Petition gegen Artikel 13 und die damit verbundenen Upload-Filter. Dennoch hatten sich die EU-Unterhändler in den Trilog-Verhandlungen auf einen Entwurf mit dem umstrittenen Artikel 13 geeinigt. Während Kritiker den Politikern Zensur vorwerfen, reden Politiker von gezielter Desinformation durch Google und Kritiker im Netz. Human Connection als gemeinnützige Plattform dürfte nach aktuellem Stand von Artikel 13 nicht betroffen sein.

Zweck der EU-Urheberrechtsreform

Etwa zwei Jahre hat es gedauert, bis der heutige Entwurf zur neuen EU-Urheberrechtsreform fertiggestellt wurde. Die Richtlinie soll die Urheberrechte von Verlagen, Journalisten und Künstlern auf großen Plattformen wie YouTube und Facebook besser schützen. So sollen künftig „Online-Content-Sharing-Dienste“ für Urheberrechtsverletzungen selbst haften, wenn sie nicht mittels Erkennungssoftware gewährleisten können, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht hochgeladen werden können oder entsprechende Lizenzverträge mit den Rechteinhabern aushandeln.

Wer ist betroffen?

Artikel 2 der Reform regelt, für welche Plattformen diese gilt und welche davon ausgenommen sind. Betroffen sind Online-Content-Sharing-Dienste, dessen Hauptzweck oder einer der Hauptzwecke darin besteht, eine große Anzahl von urheberrechtlich geschützten Werken oder anderen geschützten Inhalten durch Nutzer auf die Plattform hochzuladen. Nicht-Kommerzielle Plattformen sollen hiervon ausgenommen werden. So wäre beispielsweise Wikipedia als Non-Profit-Online-Enzyklopädie nicht betroffen. Auch Human Connection sollte nach aktuellem Stand als gemeinnützige GmbH zu den Ausnahmen zählen. Ebenfalls ausgenommen sind Start-Ups, die noch nicht länger als drei Jahre existieren und einen Jahresumsatz von weniger als zehn Millionen Euro erwirtschaften.

Betroffen seien nach Ansicht von Medien-Rechtsanwalt Christian Solmecke beispielsweise auch Bilddatenbanken. Solmecke betreibt neben seinem YouTube-Kanal „WBS“ mit über 360.000 Abonnenten auch seit 2007 die Bilddatenbank piqs.de mit knapp 200.000 Fotos. Dort können Fotografen ihre Fotos hochladen und andere Nutzer können diese kostenlos nach der Creative Commons Lizenz nutzen. Nach eigenen Angaben würde Solmecke mit dieser Plattform etwa 20 Euro pro Monat verdienen. Der Rechtsanwalt sieht hier keine andere Möglichkeit als einen Upload-Filter. Die Kosten hierfür würden die Einnahmen der Plattform deutlich übersteigen. So kommt Solmecke zu dem Schluss, dass er die Plattform bei Durchsetzung von Artikel 13 aufgeben würde.

Umsetzung weiterhin unklar

Wie die Betreiber der betreffenden Plattformen garantieren sollen, dass keine urheberrechtlich geschützten Inhalte widerrechtlich hochgeladen werden, klärt der aktuelle Entwurf nicht. Als Alternative zu einer Erkennungssoftware nennt der Entwurf die Vereinbarung von Verträgen mit den Rechteinhabern. Rechtsanwalt Solmecke kritisiert hier, dass gar nicht klar wäre, wer die Rechteinhaber sind. Schon jeder Smartphonebesitzer, der ein Selfie von sich knipst, hätte laut Solmecke Urheberrechte an diesem Foto. Ungeklärt sei ebenfalls wie ein Plattformbetreiber bei den Vertragsverhandlungen erkennen solle, ob der Vertragspartner tatsächlich die Rechte an einem Werk besitzt oder dies nur vorgibt. Solmecke sieht dies als den größten Schwachpunkt von Artikel 13.

Kritiker sprechen von Zensur

Insbesondere auf YouTube werben viele bekannte Webvideo-Produzenten wie Florian Diedrich (LeFloid) und Simon Wiefels (ungespielt) für den Protest gegen Artikel 13 in der aktuellen Fassung. In den sozialen Netzwerken erhalten sie große Zustimmung. So erreichte YouTuber Erik Range (Gronkh) mehr als 26.000 Likes für einen Tweet an die CDU nach Abschluss der Trilog-Verhandlungen am 13. Februar.

Die Hashtags #NieMehrCDU und #NieWiederCDU landeten auf Platz 1 bzw. Platz 3 der deutschen Twitter-Trends. In den Trilog-Verhandlungen hatten vor allem CDU-Abgeordnete mit Ausnahme einer Enthaltung geschlossen für die Reform gestimmt. Auch wenn es in der SPD engagierte Gegenstimmen wie Tiemo Wölken gibt, stimmten auch die SPD-Abgeordneten noch mehrheitlich für den aktuellen Entwurf als „Kompromisslösung“. Dabei war es doch gerade die SPD, die es für notwendig erachtete im Koalitionsvertrag (Seite 49) zu vereinbaren, dass Upload-Filter „unverhältnismäßig“ seien.

EU-Kommission und Befürworter schlagen verbal zurück

Die vielen E-Mails an die jeweiligen EU-Abgeordneten sowie die Videos und Beiträge in den sozialen Medien blieben nicht ohne Reaktion der Befürworter. So wirft der EU-Parlamentarier Sven Schulze (CDU) Google vor sämtliche E-Mails als „Fake-Aktion“ an ihn gesendet zu haben. Als Reaktion darauf verbreitete sich schnell der Spruch „Wir sind keine Bots“ unter den Gegnern von Upload-Filtern.

Auch die EU-Kommission agiert scharf in ihrer Wortwahl. So bezeichnete sie die Kritiker in einem Blog-Beitrag vom 14. Februar als „Mob“. Inzwischen wurde der Artikel durch den Hinweis ersetzt, dass es sich wohl um ein Missverständnis gehandelt hätte und man sich dafür entschuldigt. Der originale Blogeintrag ist noch über archive.org abrufbar.

Wer sich von der Art seiner verbalen Äußerungen nicht abweicht, ist der Hauptbefürworter und Berichterstatter der EU-Urheberrechtsreform Axel Voss (CDU). So verteidigt er den Artikel 13 vehement, auch gegen Mitglieder der eigenen Partei: Als sich Bernd Althusmann (CDU) auf Twitter gegen den Upload-Filter aussprach und auf den Koalitionsvertrag verwies, warf Voss seinem Parteikollegen vor, er würde „Eigentumsrechte in den Dreck treten“. In einem spontanen Live-Interview mit Thomas Hackner, der auf YouTube als „HerrNewstime“ bekannt ist, gab Voss zu, selbst nicht genau zu wissen, wie die Richtlinie in der Praxis umzusetzen wäre. Darüber würden sich die Plattformen selbst Gedanken machen müssen.

Kritik im Netz sind für Voss „Fake-News“

Als Berichterstatter der Reform steht Voss stellvertretend für die Befürworter von Artikel 13 und erhält viele E-Mails von oftmals jungen Menschen, die sich um die Freiheit des Internets sorgen. In seinen Antwort-E-Mails schreibt er, dass die Einschränkung der Meinungsfreiheit eine „Lüge“ sei und die Videos zu Artikel 13 seien „Fake-News“. Beiliegend findet sich noch ein Dokument mit verschiedenen Fragen und Antworten zur EU-Urheberrechtsreform. Laut des Dokuments wären Mikro- und Kleinstunternehmen von der Reform ausgenommen, sodass nur etwa 1,5 Prozent der Plattformen betroffen wären. Rechtsanwalt Solmecke antwortet hierzu in einem Video, dass es sich hierbei um einen alten Entwurf handle und inzwischen diese Ausnahme nicht mehr gelte.

Demonstrationen der „Bots“ in ganz Europa

Trotz mehr als 4,8 Millionen Unterstützern der Petition gegen Artikel 13 haben die EU-Unterhändler sich auf einen Entwurf einigen können, der Upload-Filter zumindest nicht ausschließt. Daher sollen am 23. März europaweit Demonstrationen stattfinden. So ist beispielsweise in Berlin eine Großdemonstration geplant.

Mit weniger als 48 Stunden Vorbereitungszeit organisierte der Twitch-Streamer Sebastian Worms eine spontane Demonstration in Köln bei der sich etwa 1500-2000 Menschen einfanden, um gegen eine mögliche Zensur durch Upload-Filter und für ein freies Internet zu demonstrieren. Eine Woche später waren es bereits mehr als 3000 Demonstranten.

Artikel 13 birgt datenschutzrechtliche Risiken

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, äußerte sich in einer Pressemitteilung kritisch zu Artikel 13: „Auch wenn Uploadfilter nicht explizit im Gesetzentwurf gefordert werden, wird es in der praktischen Anwendung auf sie hinauslaufen. Gerade kleinere Plattform- und Diensteanbieter werden nicht die Möglichkeit haben, mit allen erdenklichen Rechteinhabern Lizenzverträge zu schließen. Ebenso wenig werden sie den immensen Programmieraufwand betreiben können, eigene Uploadfilter zu erstellen.“ Stattdessen geht Kelber davon aus, dass große IT-Unternehmen wie Google, Amazon und Facebook die Lizenzen für die Erkennungssoftware vermarkten würden und somit „ein Oligopol weniger Anbieter von Filtertechniken“ entstünde. Dies beschaffe den IT-Giganten weitreichende Informationen über die Internet-Nutzer, was nach Kelber ein datenschutzrechtliches Problem darstellen könnte.

Deshalb fordert der Bundesdatenschutzbeauftragte konkrete Vorschläge von der EU, wie die Plattformen rechtskonform auf den Einsatz von Upload-Filtern verzichten können. Andernfalls müsse das Gesetz noch einmal aus datenschutzrechtlicher Sicht überarbeitet werden.

Abstimmung früher als ursprünglich geplant

Die endgültige Abstimmung über die EU-Richtlinie war bislang für April geplant. Die europaweiten Proteste am 23. März sollten den ein oder anderen Parlamentarier noch umstimmen. Nun soll die finale Abstimmung des EU-Parlaments während der Plenarsitzungen vom 25. bis 28. März stattfinden. Artikel-13-Gegner Tiemo Wölken vermutet dahinter den Plan, die Richtlinie in der aktuellen Fassung zu beschließen, bevor sich weitere bisherige Fürsprecher der Reform durch die Proteste umentscheiden.

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