Als Antwort auf den Bruch des Atomdeals erstarken im Iran militante und revolutionäre Kräfte
von Jochen Mitschka
Im Juli 2018 erschien im Al-Monitor ein Artikel mit dem Titel „Treffen Sie die neue Generation von iranischen Hardlinern“. (1) Er beschrieb die neuen jungen Wilden, die eine Renaissance des Geistes der Revolution von 1979 fordern, und dabei genau in diesem Geiste, weniger religiös fundamentalistisch als sozial und politisch fundamentalistisch sind. Und diese Kräfte wurden nach dem Bruch des JCPOA, also des Atom-Deals durch die USA, gestärkt, hatten sie doch immer davor gewarnt, irgendeine Vereinbarung mit den USA und dem Westen allgemein einzugehen. Und die Befürworter einer Annäherung und Liberalisierung, welche den Vertrag gegen Widerstand im Iran durchsetzten, befinden sich auf dem Rückzug. Vermutlich war dies genau das Ziel der immer gröber werdenden Drohungen und Sanktionen der USA, und die Verweigerung der transatlantischen EU-Politiker, eine echte Alternative für den Erhalt des Vertrages gegen den Willen der USA durchzusetzen. Denn sind erst einmal die Falken im Iran an der Macht ist es leichter, einen Krieg zu rechtfertigen.
Einer der Architekten des Iran für eine Annäherung an den Westen, der Hauptverhandler des Atom-Deals, der in den USA ausgebildete Außenminister Mohammad Javad Zarif, war schon in den letzten Wochen als dünnhäutig aufgefallen. Hatte er doch erbost auf eine immer wieder durch die Medien verbreitete Lüge, mit der behauptet wurde, eine UNO-Resolution würde dem Iran verbieten, Raketentechnologie zu entwickeln, in einem Interview reagiert. Wer Zarif in den letzten Jahren als einen der kühlsten Diplomaten kannte, für den lohnt sich zu sehen, dass er nun die Geduld verlor. (2)
Aber noch schlimmer muss für Zarif die Erkenntnis gewesen sein, dass die Politiker Europas, nach so vielen Lippenbekenntnissen, doch nicht gewillt waren, den Vertrag gegen den Willen der USA mit Leben zu erfüllen, und immer neue Ausreden fanden, um dann doch letztlich die Sanktionen der USA zu respektieren. Und so kommt der am Montag, den 25. Februar angekündigte Rücktritt, der vom Regierungschef Rouhani noch nicht bestätigt wurde, für Beobachter des Irans nicht überraschend.
Innerhalb der Kleriker des Irans, die in etwa die gleiche Rolle spielen, wie die Parteien in Deutschland, war in den letzten Monaten der Druck gewachsen, eine härtere Gangart gegenüber dem Westen anzuschlagen. Hunderte von Luftangriffen Israels auf Ziele des Iran in Syrien, und die immer stärker werdenden Sanktionen hatten Folgen in der Gesellschaft erzeugt, und die Hardliner langsam aber sicher immer stärker gemacht.
Und gerade in diesem Augenblick steht auch der Ersatz des Chefs der iranischen Justiz an. Ende letzten Jahres starb Ayatollah Schahrudi, der den wichtigen „Gutachter Ausschuss“ im Iran leitete. Die Aufgaben dieses Schlichtungsausschusses gehen weit über die Vermittlung bei Konflikten der Organe hinaus. Das Staatsoberhaupt des Iran ist verpflichtet, den Rat dieser Expertenkommission bei richtungsgebenden Entscheidungen einzuholen, bevor er eine wichtige Entscheidung fällt. (§110, Absatz 1 und 8) Darüber hinaus soll der Ausschuss kritisch prüfen, ob ein Parlamentsbeschluss, der vom Wächterrat z. B. weil gegen die Scharia verstoßend, abgelehnt wird, doch freigegeben werden kann. Die Besetzung des Postens ist von äußerster Wichtigkeit und wird hart zwischen den verschiedenen politischen Strömungen im Iran umkämpft.
Das Staatsoberhaupt des Iran, Khamenei, hat nun Laridschani-Amoli, der zuletzt Chef der Justiz des Iran war, als neuen Leiter des Schlichtungsgremiums vorgeschlagen. Laridschani-Amoli gilt eher als gemäßigt und seine Ernennung hat die Radikalfundamentalisten auf die Barrikaden gerufen. Das Mindeste, was sie fordern ist, dass nun der Nachfolger als Justizchef zumindest wieder einer der ihren sein müsse. Was einen Rückschritt bei der Liberalisierung der Justiz im Iran bewirken würde.
Auf Grund des drohenden Krieges mit den USA, Israel und Saudi-Arabiens, steht zu erwarten, dass Khamenei dem Druck der paramilitärischen Kräfte, die die Hauptlast der Verteidigung des Landes zu tragen haben, und mit den radikalfundamentalistischen Kräften zusammenarbeiten, nachgeben wird. Und so hat der seit dem ersten Putsch des Westens gegen die gewählte Regierung des Landes im Jahr 1953 niemals geendete Krieg des Westens gegen das Land (3) wieder einmal verhindert, dass es sich selbst liberalisieren kann.
Und so sollte der Rücktritt des Außenministers des Iran eine letzte Warnung an Europa sein, endlich eine von den USA unabhängige Politik zu betreiben, und den Iran nicht vollständig in den Einflussbereich des neuen russisch-chinesischen Blocks fallen zu lassen. Andernfalls wird sich der neue eiserne Vorhang unweigerlich wieder zwischen die Machtblöcke schieben, allerdings diesmal mit Europa und den USA als die Mächte mit schwindenden Einfluss auf die Zukunft der Welt.
Quellen:
- https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/07/iran-new-generation-innovative-revolutionaries-hardliners.html
- https://twitter.com/snarwani/status/1097468436614168576
- https://www.nibe-versand.de/Politik/Schattenkriege-des-Imperiums-Der-Krieg-gegen-den-Iran-Jochen-Mitschka::64.html oder digital https://www.nibe-versand.de/Ebooks/Schattenkriege-des-Imperiums-Der-Krieg-gegen-den-Iran-ebook::103.html
- https://deutsch.rt.com/newsticker/84934-iranischer-aussenminister-sarif-nach-rucktritt/
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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.
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