Gegen die Hochrüstung im Haushaltsplan der Bundesregierung

Eine Rede von Bernhard Trautvetter auf der Friedensdemonstration “Abrüstung statt Aufrüstung” in Duisburg an die Abgeordneten des Bundestages zum Thema: Der Militärhaushalt 2019 der großen Koalition [3.11.2018].

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, wir sind hier in unserem ureigensten Interesse, wir wollen alle ohne die Gefahr, in einem Krieg getötet zu werden, leben. Deshalb stellen wir uns gegen das Geschäft mit dem Tod. Dieses Geschäft tötet bereits lange bevor die Waffen sprechen.

Und dies zu verhindern, dafür sind wir dieser Tage mit bundesweit Tausenden auf der Straße, um vom Bundestag zu verlangen, dass er den Hochrüstungshaushalt der Bundeswehr ablehnt, der diesen Monat zur Abstimmung steht.

Die Forderung der Militaristen und ihrer Helfershelfer nach zwei Prozent der Wirtschaftsleistung fürs Militär steht im Gegensatz zu den Lebensinteressen der Menschen. Die Begründung für diese Forderung ist verlogen. Der Verweis auf die russische Militärpolitik hat seit Jahrzehnten nie eine Bestätigung durch das weltweit anerkannte schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI gefunden. Die Militärausgaben des als möglichen Gegner auserkorenen Russland liegen aktuell unter der Gesamtsumme dessen, was Deutschland und Frankreich für Rüstung, Militär und Krieg aufwenden.(1)  Wir werden von den Militaristen und ihrer Lobby nicht nur nach Strich und Faden belogen.

Sie berauben uns der Ressourcen und der Mittel, die wir brauchen, um das Leben zu bewahren!

Eine direkte Bedrohung der Existenzsicherheit vieler Menschen entspringt der Arbeitslosigkeit durch die Digitalisierung, sie entspringt der Perspektivlosigkeit, die sich mit Armut verbindet.

Not tun Milliarden für Bildung, den sozialen Wohnungsbau, für eine den Namen verdienende kommunale Infrastruktur, für eine ökologische Wende der Wirtschafts-, Verkehrs-  und Energiepolitik. Not tun Milliarden für soziale Sicherheit, für Gesundheit und für die Bekämpfung von Fluchtursachen. Die Hochrüstung ist Raub am Reichtum der Völker. Sie ist nicht das, was die Herrschenden uns dafür ständig vorlügen, wenn sie die Militarisierung ‚Sicherheitspolitik‘ nennen. Dieser Begriff ist eine einzige Lüge, die uns einlullen soll. Es handelt sich um Unsicherheitspolitik. Dazu sagen wir ‚Nein!‘ denn wir wollen leben, wir wollen Bildung, Gesundheit und soziale Sicherheit.

Militarisierung kostet Arbeitsplätze: Eine Millionen in Waffenproduktion investiert erbringt beispielsweise weit weniger Arbeitsplätze, als in allen herkömmlichen Wirtschaftsbereichen, da diese lange nicht so hoch technisiert, nicht so hoch automatisiert sind, wie die High-Tech-Branche Rüstung.

Und Militarisierung bedroht die Zukunft der Menschheit auch ohne Krieg. In einer Zeit, in der das Überleben der Menschheit unseres Jahrhunderts davon abhängt, dass wir eine ökologische Wende herbeiführen, in einer Zeit, die das sechste Massensterben von Tierarten und Pflanzen genannt wird, zum Beispiel weil der Bestand an Tierarten im letzten halben Jahrhundert um 60 Prozent zurückgegangen ist.(2) In dieser Zeit braucht die Menschheit all ihre Ressourcen, die sie bedrohenden ökologischen Gefahren abzuwenden. Die weltweite Militarisierung verbraucht lebenswichtige Ressourcen der Erde. Über die Art und das Ausmaß der ökologischen Schädigung der Erde durch Rüstung, Militär und Krieg existieren bisher kaum Angaben, wohl weil die Geldgeber an solchen Studien kein Interesse haben. Bekannt ist: Der Militär-Anteil an den Haushalten der Staaten der Welt, beträgt jeweils circa ein Fünftel bis ein Viertel, oft sogar noch mehr. Aus dem Luftverkehr liegt eine spezifischere Zahl vor: Der weltweite Anteil der Militärs am Kerosinverbrauch bewegt sich auch in der Größenordnung von ungefähr einem Viertel aller Emissionen weltweit.(3)

Weitere Skandalzahlen, die wir in diesem Zusammenhang niemals hinnehmen wollen, und niemals hinnehmen werden, verbinden sich mit den ‚Auslandseinsätze‘ genannten Kriegen mit Bundeswehr-Beteiligung. Sie haben seit 1991 inzwischen zig Milliarden Euro verschlungen. Die Zahlen dazu halten die Herrschenden bewusst ungenau. Die Angaben schwanken je nach Quelle zwischen über 25 Mrd. und circa 50 Mrd. Euro. Hinzu kommen noch die Kosten für die Behandlung von Verletzten, die Versorgung von Hinterbliebenen und die Trauma-Therapie zur Behandlung von erkrankten Soldatinnen und Soldaten, die mit ihren Kriegserlebnissen nicht fertig werden. Die Zahl der alleine in Afghanistan zu Tode gekommenen Soldatinnen und Soldaten ist längst schon dreistellig. Und alleine in Afghanistan hat der Krieg fast 3 Millionen Menschen in die Flucht geschlagen.(4) Die Beendigung der Kriegseinsätze von NATO und Bundewehr ist die wirkliche Bekämpfung der Fluchtursachen. Der Krieg gegen die Flüchtlinge in der Sahara, im Mittelmeer und auf der Balkanroute ist ein weiteres nicht-hinnehmbares Element der Unmenschlichkeit, ja des Terrors, des Krieges.

Nun plant die Bundeswehr mit dem diesen Monat in Berlin anstehenden Haushalt eine schrittweise Ausgabesteigerung von 37 Mrd. Euro auf 58 Mrd. Euro.(5)

Ist schon die Hochrüstung ein Raub der Militaristen an den Reichtümern der Erde, an den Reichtümern der Menschheit, dann steigern bestimmte Ausgabenpläne den Skandal noch weiter: Im türkischen Incirlik investiert die Bundeswehr in den Ausbau eines Flughafens , der in diesem Aggressorstaat von den ebenfalls aggressiven USA für ihre Nuklearstrategie genutzt wird.(6)

Auch in Büchel wendet die Bundeswehr einen dreistelligen Millionenbetrag für die Beteiligung an der Nuklearrüstung auf. NATO und Bundeswehr brechen hier den Atomwaffensperrvertrag, demzufolge die Atomstaaten alles dafür tun sollen, eine nukleare Abrüstung herbeizuführen. Wenn in Büchel, also keine 150 Kilometer von hier entfernt, ab vielleicht schon 2019 – und das ist sehr bald! –die neuartigen Nuklearpotentiale der USA unter dem Fachbegriff B61 – 12 stationiert werden, sind die deutschen Tornados schon dafür umgerüstet worden, dass sie sie im Falle eines von den Militärs offensichtlich für möglich gehaltenen Nuklearkrieges zum „Einsatz“ kommen können. Die Start- und Landebahn sowie die gesamte Elektronik vor Ort, all das ist ebenfalls bereits mit einem dreistelligen Millionenaufwand aus Steuergeldern so genannten neuen Erfordernissen angepasst worden.(7)

Das Bulletin der Nuklearwissenschaftler hat die Weltuhr zur Warnung vor einem Atomkrieg auf zwei vor zwölf vorgestellt. Ein Grund: Durch die Gefahr und die Realität eines Zerfalls der politischen Ordnung in den kriegsgezeichneten Regionen der Erde steigen Risiken, die die Krisenmanager überfordern können, sodass ihnen Kurzschlussreaktionen unterlaufen können. Zentrale Verantwortung dafür tragen NATO-Staaten durch von ihnen angefeuerte Konflikte und Kriege zwischen dem Golf, Nord- und Mittelafrika und Osteuropa. Und in der Atomrüstung haben die USA mit den neuen B61 – 12-Systemen Potentiale, die von Experten aufgrund ihrer ausgefeilten Technik als einsatzfreudiger gekennzeichnet werden.(8)

Die Atomrüstung ist die gefährlichste Bedrohung für das Leben auf der Erde. Deshalb erfreut es mich, dass immer mehr Menschen aufstehen und sich diesem höllischen Himmelfahrtskommando entgegenstellen. Wir haben auch den Vorsitzenden des DGB auf unserer Seite: Er schrieb vor zwei Monaten in einem Zeitungsbeitrag: „Abrüsten statt Aufrüsten – das ist das Gebot der Stunde. Europa, und an vorderster Stelle Deutschland, kommt dabei eine Vorreiterrolle zu.“(9)

Herr Hoffmann bekräftigt hier den Beschluss des DGB-Bundeskongresses zur Friedenspolitik: Zitat: „Zur Aufgabe der Bundeswehr gehört es nunmehr ausdrücklich auch, freie Handelswege, eine gesicherte Rohstoffversorgung sowie die Erschließung und den Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten zu sichern. Mit Friedenssicherung hat dies nichts zu tun. Der DGB lehnt die Beteiligung der Bundeswehr an derartigen Einsätzen ab.“(10)

Wir fordern mit über 130 000 Bürgerinnen und Bürgern: Abrüstung jetzt! Abrüstung statt Aufrüstung! Das Leben bewahren, statt für den Tod zu rüsten!

Mit Abrüstung ließen sich viele der Probleme lösen, die die Menschen derzeit emotionalisieren und teils in die Arme von Rassisten und Faschisten treibt. Die Beendigung der Fluchtursache Krieg ist der eigentliche Kampf gegen die Fluchtursachen. Die Beendigung der Ressourcenverschwendung Rüstung ermöglicht der Bevölkerung eine lebenswerte, sozial gerechte Gesellschaft mit einem qualifizierten Sozial-, Gesundheits- und Bildungssystem. Von den Erfolgen der Friedensbewegung hängt die Lebendigkeit der Demokratie ab, von ihnen hängt die Zukunft des Lebens ab, denn eine Zukunft hat die Menschheit nur mit Abrüstung und Frieden.

Unser ‚Nein‘ zu Rüstung und Krieg entspringt unserem ‚Ja‘ zum Leben!

Quellen:

(1) https://www.tagesschau.de/ausland/sipri-militaerausgaben-101.html

(2) Hamburger Abendblatt 31.10.2018

(3) https://www.wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?artikelID=0878

(4) Der Spiegel 26.08.2017 und: http://www.imi-online.de/2010/06/07/die-rechnung-bitte-s/   und: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.356890.de/10-21-1.pdf

(5) Bundesministerium für Verteidigung – Website zur Entwicklung und Struktur des Verteidigungshaushalts [https://www.bmvg.de/de/themen/verteidigungshaushalt/entwicklung-und-struktur-des-verteidigungshaushalts/einzelplan-14-13922] + Spiegel, 26.08.2017

(6) https://www.dw.com/de/verteidigungsministerium-plant-58-millionen-euro-investitionen-in-incirlik/a-19529981

(7) Rhein-Zeitung 03.06.2011

(8) https://www.veteranstoday.com/2016/02/13/the-b-61-the-more-usable-nuke/

(9) http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/ruestung-beendet-den-ruestungswahn-a-1574272

(10) www.ag-friedensforschung.de/themen/Gewerkschaften1/dgb2014.html

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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