»Gebärende werden abgewiesen«

Von Susan Bonath.

Nicht profitabel genug: In Deutschland schließen immer mehr Kreißsäle und Kinderstationen. Hebammen leiden unter miesen Arbeitsbedingungen.

Alles muss Profit in die Taschen privater Unternehmer spülen. Darauf basiert unser System. Entsprechend ökonomisiert und privatisiert werden auch Krankenhäuser. Mit gravierenden Folgen: Sie entledigen sich wirtschaftlich unrentabler Stationen, allem voran die Geburtshilfe und die Kindermedizin. Das führt so weit, dass schwangere Frauen mit Wehen abgewiesen werden und Eltern mit kranken Kindern stundenlang zur nächsten Klinik fahren müssen.

»Seit Jahren geht die Anzahl der Kreißsäle massiv zurück«, beklagte die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands, Martina Klenk, auf einem Vereinstreffen am Mittwoch. Sie nannte dramatische Zahlen: Gab es 1991 noch rund 1.200 Krankenhäuser mit Geburtshilfe in der Bundesrepublik, sind es aktuell weniger als 700. Ebenso könnten immer mehr Schwangere vor Ort keine Hebamme für Vor- und Nachsorge auftreiben. »Das geht auf Kosten der Gesundheit von Müttern und Kindern«, sagte Klenk.

Das liegt etwa daran, dass Kliniken vor allem in ländlichen Gebieten mit geringeren Geburtenzahlen Probleme mit der Finanzierung haben. Der Grund: Die Kassen bezahlen Pauschalen pro Fall. Entbindet an einem Tag niemand, muss der Kreißsaal trotzdem besetzt sein. Das führt dazu, dass Krankenhäuser immer häufiger auf freie Hebammen zurückgreifen. Auf dem Land können die Geburtshelferinnen von den Honoraren oft kaum überleben, zumal sie hohe Gebühren für eine Pflichtversicherung selbst tragen müssen. Notgedrungen gehen sie in größere Städte, oder geben ihren Beruf auf. An festangestellten Hebammen sparen die Kliniken ebenfalls. »Arbeitsverdichtung und extreme Belastung sind an der Tagesordnung«, weiß Klenk. Sie kenne Fälle aus München, Stuttgart und Freiburg, wo Frauen, die bereits mit Wehen an die Kliniktür geklopft hatten, abgewiesen wurden.

Auch auf den zu Schleswig-Holstein gehörenden Inseln Föhr, Sylt und Fehmarn wurden die Kreißsäle wegrationalisiert. Die Notlösung der gesetzlichen Krankenkassen: Inselbewohnerinnen dürfen zwei Wochen vor dem Entbindungstermin ein Zimmer auf dem Festland beziehen. Dem stehe jedoch häufig die private Situation der werdenden Mütter entgegen, etwa eine fehlende Betreuung für weitere Kinder, berichtete am Mittwoch Focus online. Davon abgesehen, kommen die wenigsten Babys am Geburtstermin zur Welt.

Ein Beispiel ist auch der Bördekreis in Sachsen-Anhalt. Vor zehn Jahren wurde das Krankenhaus in der Kreisstadt Haldensleben privatisiert. Zunächst ging es an den Klinikkonzern Sana, inzwischen hat es sich Ameos einverleibt. Vor nunmehr über einem Jahr schloss dort die Kinderstation. Junge Patienten müssen in der Regel im rund 30 Kilometer entfernten Magdeburg untergebracht werden. Dorthin müssen auch Eltern fahren, deren Nachwuchs an Wochenenden oder Feiertagen erkrankt. So hat Ameos die Kinderarztpraxis in der Stadt aufgekauft. Die betreibt der Konzern aber nur wochentags. Eine Notversorgung bietet er nicht an.

Inzwischen ist vom Haldenslebener Kreißsaal ebenfalls nicht mehr viel übrig. Frauen können dort seit dem Frühjahr Zeit nur von 7 bis 16 Uhr entbinden. Schaffen sie das nicht, müssen sie ebenfalls nach Magdeburg fahren. Besonders dramatisch ist das für junge Mütter, die auf den weit zerstreuten Dörfern wohnen. »Mein Mann musste mich mit geplatzter Fruchtblase 80 Kilometer weit transportieren«, berichtete die 28jährige Laura S. im Gespräch mit der Autorin. Ihre Tochter ist heute ein halbes Jahr alt.

Der Hebammenverband pocht auf politische Maßnahmen. Geburtshilfestationen in kleineren Kliniken müssten vom Bund unterstützt werden. Ebenso sei es notwendig, einen Personalschlüssel vorzugeben. Die Abrechnungspauschalen gegenüber den Krankenhauskassen gehörten auf den Prüfstand, genauso eine staatliche Übernahme der Haftpflichtversicherung freier Hebammen. »Mit besseren Arbeitsbedingungen wären auch wieder mehr Geburtshelferinnen bereit, an Kliniken zu arbeiten«, so die Verbandspräsidentin.

Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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