Die Friedensbewegung und die Nato Strategie-Schmiede für den Krieg im 21. Jahrhundert – das JAPCC (Kalkar)

Was die Münchner Sicherheitskonferenz als Werbung fürs Militärische ist, das ist die JAPCC-Konf. für die Strategen des High-Tech-Krieges

Von Bernhard Trautvetter.

Am 18. Februar demonstriert die Friedensbewegung gegen die „Sicherheitskonferenz“ genannte Werbeveranstaltung für Kriegseinsätze, die sie „Verantwortung“ nennen. Die Sicherheitskonferenz wird in allen Leit-Medien breit berichtet werden.

Der Aufruf zur Friedensdemonstration, die dagegen protestiert, eröffnet mit diesen Worten: “Auf der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz (SIKO) im Februar 2017 versammeln sich die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Machteliten, vor allem aus den NATO-Staaten, den Hauptverantwortlichen für das Flüchtlingselend, für Krieg, Armut und ökologische Katastrophen. Ihnen geht es – entgegen ihrer Selbstdarstellung – weder um die friedliche Lösung von Konflikten, noch um Sicherheit für die Menschen auf dem Globus, sondern um die Aufrechterhaltung ihrer weltweiten Vorherrschaft und um die Profitinteressen multinationaler Konzerne.“

Von den Medien fast vollständig verschwiegen werden die militärstrategischen Konferenzen, die immer im Rhythmus ein halbes Jahr versetzt stattfinden, sie werden vom „Joint Air Power Competence Centre” in Kalkar (JAPCC) organisiert, einem nach dem Selbstverständnis der Militärs Thinktank der Nato – Beleg hier.

Die Münchner SiKo funktioniert als Werbemaßnahme, um das schleichende Gift des Militärischen (=Krieg, Spannungseskalation, Rüstung, …) ins Gehirn der Menschen zu träufeln. Herausragend lässt sich das am 2015 in die Welt posaunten Begriff der „Verantwortung“ Deutschlands –heuchlerisch ‚auch militärisch‘ genannt– veranschaulichen. Der Deutsche Militarismus, der im 20. Jahrhundert Blutspuren und Narben über die Erde gezogen hat, von denen sie sich bis heute nicht erholt hat, schleicht sich offensiv wieder in die Öffentlichkeit.

Ein großes Medienecho ist ihm schon wegen der manipulativen Absicht der Medien der Herrschenden gewiss. Dafür wird gesorgt und bezahlt. Anders wenn die Militärs ihre Kriegspläne ausfeilen, da wollen sie, unbeachtet von der Öffentlichkeit, unter sich bleiben. Das passiert im deutschen Raum auf ebenfalls herausragende Weise in den Jahreskonferenzen des JAPCC, wie ich es hier aufzeigen werde. Die Friedensbewegung hat die große Verantwortung der Aufklärung der Menschen, da mächtige Kreise genau das zu verhindern trachten, und da es um das Überleben der Zivilisation geht:

Hintergrund: Die Nato hat auf ihrem Prager Gipfel 2002 eine Weiterentwicklung ihrer Organisationsstruktur beschlossen, die sogenannte ‚Centers of Excellence‘ (CoE) umfasst.

Diese ‚Exzellenz-Zentren‘ werden außerhalb der Nato-Kommandostruktur von Mitgliedsstaaten finanziert, und die Nato bezeichnet sie als ‚internationale militärische Organisation‘. Die Bundesregierung und damit der deutsche Staat beteiligt sich laut einer Antwort an Sevim Dagdelen in einer Anfrage: „Der Kostenanteil für Deutschland am Gesamtbudget des JAPCC liegt bei 28,07 Prozent.“

Die offizielle Aufgabe des JAPCC ist es, Führungskräfte und Spezialisten der Nato und aus sogenannten Partnerstaaten in der Entwicklung der Strategien, der vernetzten Operationsfähigkeit und Anwendung der militärischen Potentiale zu unterstützen, Konzepte auf ihre Anwendbarkeit zu überprüfen und in Experimenten, Trainings- und Bildungseinheiten zu gestalten.

2004 wurde das erste COE von Deutschland zur Unterstützung der Luftstreitkräfte eingerichtet.

Unsere Kritik am Geschehen richtet sich also gegen den deutschen Militarismus und den der Nato.

Das Joint Air Power Competence Centre (JAPCC) in Kalkar am Niederrhein wurde dann 2005 vom Allied Command Transformation (ACT) in Norfolk, Virginia, USA mit Deutschland als Rahmennation zertifiziert. Das ACT wirbt mit dem Motto ‘Das Heute verbessern, das Morgen gestalten, ein Brücke zwischen den beiden bauen’. Doch spricht das Geschehen vor Ort eine andere Sprache, wie eine genauere Betrachtung offenbart:

Das JAPCC versteht sich als Denkfabrik für neue Konzepte, Strategien und Technologie-Transfer der Nato (Quelle: JAPCC-Magazin Nr. 1).  Nach der Website der Luftwaffe ist das JAPCC “eine Organisation, die (…) in der Lage ist, Problemstellungen aus dem gesamten Spektrum der Führung und des Einsatzes von Luftkriegsmitteln erfolgreich zu bearbeiten”[1].

Das JAPCC veröffentlicht Materialien zur Luftkriegsführung, zum Weltraum-gestützten und zum Cyber-Krieg. Unter den Materialen zur Luftkriegsführung befindet sich unter anderem ein Papier zum Drohnenkrieg: “The Psychology of Remote Control Warfare” von Wing Commander Pete York, GBR A – Zitat: “Die Entwicklung der Robotik für den Gebrauch auf und über dem Schlachtfeld hat es Soldaten erlaubt, sich von gefährlichen, dreckigen (dirty) und alltäglichen Aufgaben in Distanz zu begeben. 2007 steuerten die USA ungefähr 250 000 Stunden Operationen von unbemannten Flug-Systemen in ‚Theatern‘ (Zielgebieten) weltweit (…) Drohnen-Operationen haben eine neue Dimension in die Idee ferngesteuerter Kriegsführung eingebracht.”

Jahreskonferenzen des JAPCC stellen neben den Veröffentlichungen einen weiteren Beitrag zum Auftrag des Kalkarer Nato-Center of Excellence.

Dazu hier ein paar Beispiele:

2006 entwickelte die Konferenz die Drohnen-Strategie der Nato konkret einsatz-orientiert, was unter anderem auch die Veröffentlichungen zum Drohnenkrieg nach sich zog; es ging dabei u.a. in der Präsentation “The Joint Imperative”, die nicht mehr im Netz zu finden ist, aber mir vorliegt, z.B. um die Sicht von weit vom Kriegsgeschehen entfernter Kriegsführer auf die Umgebung der Operation vor Ort, zukünftige Entwicklungen, das alles unter den Stichworten: “find  . . . fix . . . track . . . target . . . engage . . . assess” – ‘Engagieren’   ist hier ein anderes Wort für ‘Töten’. Das Bewerten am Schluss des Zitats bezieht sich auf die Frage des Erfolgs, wieviel geplante außergerichtliche Tötungen erfolgreich exerziert wurden und wieviele Kollateralschäden der Angriff erbrachte. Das ‘Finden’ bezieht sich explizit auf Aufklärung durch Dächer hindurch und tief im Untergrund. Die zukünftigen Entwicklungen betrafen die immer kürzere Zeitspanne zwischen Informationsgewinnung und militärischer Entscheidung in der Konsequenz, die Synergie der Abläufe des Kommandierens und Kontrollierens (C2 = Kriegsführung), die Institutionalisierung von Taktiken, Doktrinen und ‘Prozeduren’.

Das Thema der 2007er Jahreskonferenz ‘Expeditory Warfare’ steht für die Kriegs-Führung ohne Kriegserklärung und damit für eine Routine des Völkerrechtsbruchs, Länder in Friedenszeiten mit ‘Operationen’ anzugreifen und dann wieder zu verschwinden – bis zur nächsten Expedition.

Passend dazu das Thema der 2008er-Konferenz: ‘Schlachtfeld-Management’; im Staat, dessen Grundgesetz die Vorbereitung eines Angriffskrieges unter Strafe stellt, wirft das Geschehen in Kalkar neben den menschlichen zumindest auch verfassungsrechtliche Fragen auf.

Dem gegenüber steht, dass das JAPCC seine 2012er-Konferenz unter dem Thema “Kriegsführung [Warfare] im 21. Jahrhundert” organisierte, hier, wie auf weiteren Jahreskonferenzen wurden die Erfahrungen u.a. im Irak- und Afghanistan-Krieg ausgewertet. Für eine der wesentlichen Strategie-Anregungen wurde der Begriff ‚Air Land Integration‘ (ALI) geprägt, worunter die Verbindung aller Elemente militärischer Operationen vom All bis zum Cyber-Krieg miteinander integriert werden.

Auf ihrer 2014er-Konferenz “Future Vector” erklärten die Verantwortlichen einen großen Krieg in Europa für möglich: “The two decade long assumption that there will not be a major war in Europe is in some doubt.”[2] Übersetzung: Die zwei Jahrzehnte lang andauernde Annahme, es gäbe keinen großen Krieg in Europa mehr, ist anzuzweifeln.

Ein dritter großer Europäischer Krieg innerhalb der letzten einhundert Jahre wäre im dicht besiedelten und hoch industrialisierten Europa mit seinen ca. 200 Atommeilern das Ende der Zivilisation mindestens in diesem Erdteil. Statt eine solche Katastrophe zu verhindern fordern die Militärs auf S. 70 des Kalkarer Future Vector-Manuskripts einen “angemessenen Mix konventioneller und nuklearer Kapazitäten”.

Damit die Bevölkerung die Gefährlichkeit des Militarismus nicht durchschaut, sondern für diese selbst-mörderische Politik gewonnen werden kann, braucht man einen Sieg in dem, was man Informations-Krieg nennt, wie sich auf der 2015er-Jahreskonferenz des JAPCC erwies: “Die NATO stützt sich bei der Entwicklung neuer Propagandatechniken zunehmend auf deutsche Wissenschaftler und Journalisten. Jüngster Ausdruck dieses Vorgangs ist eine für Ende November im nordrhein-westfälischen Essen anberaumte Konferenz über >Strategische Kommunikation<, die ein Think-Tank des westlichen Militärbündnisses veranstaltet – unter Mitwirkung unter anderem eines Korrespondenten der ARD. Erklärtes Ziel der von führenden deutsch-europäischen Rüstungskonzernen gesponserten Tagung war es, Methoden zu erarbeiten, mit denen sowohl ‘öffentliche Unterstützung’ für Kriegsoperationen der NATO generiert als auch ‘feindliche Medienarbeit’ gekontert werden kann. Deutschland gilt den Konferenzplanern in diesem Zusammenhang als ‘problematischer Fall’. Ihrer Auffassung nach, wie der vieler Militärs der Nato, sind ‘pazifistische Auffassungen’ weit verbreitet unter den Deutschen, die sich deshalb (…) als besonders anfällig für antimilitaristische „Desinformationskampagnen“ erweisen. Dies zeige sich insbesondere bei den öffentlichen Auseinandersetzungen über die zivilen Opfer westlicher ‘Luftschläge’ und den Einsatz bewaffneter Drohnen.”[3]

Die Friedensbewegung erweist sich als in den Augen der Nato dermaßen erfolgreich, dass man sich auf einer der größten Jahreskonferenzen des Bündnisses in Europa damit befasst, wie man diesen von ihnen im Einladungsflyer so benannten ‘feindlichen Einheiten’ [“Entities hostile to Nato”] und ihren Erfolgen bei der  Verbreitung einer militärkritischen Meinung in der Öffentlichkeit entgegenwirken kann.

Die Jahreskonferenz des JAPCC 2016 thematisierte die Handlungsfähigkeit im evtl. durch feindliche Handlungen geschädigten Umfeld. Schlacht- oder Gefechtsfeld wird hier ‘degraded environment’ genannt.

Im Vorbereitungsmanuskript des JAPCC [4] verlangt der Moderator der Konferenz, Air Commodore Ian Elliot, dass die moderne Luftwaffe als High-Tech-Potenzial uneingeschränkten Zugang zum gesamten Spektrum der Auseinandersetzungen sichern muss; das betrifft den Cyberspace des Internet und das All. Schädigungen der Umgebung, seien sie Ergebnis von Naturkatastrophen oder gegnerischer Handlungen, hätten massiv destabilisierende Wirkung (Seite V). Elliot wird konkret:

“Als ich meine militärische Karriere während des Kalten Krieges begann, antizipierte die Nato Handlungen in geschädigten Umgebungen einerseits bezüglich elektronischer Handlungen des Gegners und andererseits hinsichtlich des Erfordernisses, in einer durch nukleare, biologische oder chemische Waffen geschädigten Umgebung zu handeln.” Er regt an, diese Eventualitäten wieder stärker in die Überlegungen mit einzubeziehen (ebenda).

Der Direktor des JAPCC, Generalleutnant Wundrak formuliert im Vorwort, dass die Ausstattung der Luftwaffe so rückständig ist, dass die Nato Jahre braucht bis sie technologisch die notwendige Handlungsfähigkeit erlangt.

Diese Gedanken lassen auf Entwarnung hoffen. Doch wirkt sich das Vorgehen der Militärs spannungssteigernd aus, wie auch der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger deutlich macht:

“Die Kriegsgefahr zwischen der Nato und Russland sei größer als in den Achtzigern, warnt der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Die Nato müsse sich mäßigen.”[5]

Und – passend zu dieser Warnung sieht das schon zitierte Manuskript der 2014er Konferenz ‚Future Vector‘ S. 141: Hier werden Staaten und Gebiete, in denen die Nato nahe der russischen Westgrenze aktiv geworden ist, als potentielle Ausgangsstellen für einen großen, dort ‘Escalation’ genannten, Krieg benannt: Das Baltikum, Georgien und die Ukraine.

Die JAPCC-Jahreskonferenz 2017 ist bereits für den 10. bis zum 12.10.2017 in die Messe Essen eingeladen.

Die Friedensbewegung wird am 18.2. in München ein unüberhörbares Signal für den Frieden in die Welt senden und im Oktober ebenso unüberhörbar gegen die Konferenz zur Vorbereitung des Krieges im 21. Jahrhundert in Kalkar und am Konferenzort Essen in die Welt senden.

Außerdem kommt an Ostern der Ostermarsch, Ende Mai der Nato-Gipfel in Brüssel, im Juli (7. und 8. Juli) der G20-Gipfel mit Trump in Hamburg, im August das mahnende Gedenken an Hiroshima, im September der Antikriegstag und die Aktionen in Büchel und Ramstein. Und dann sehen wir uns im Ruhrgebiet gegen den Kriegsrat in der Messe Essen.

Wir haben einen langen Atem.

“Die Waffen nieder”, rief schon Bertha von Suttner vor weit über 100 Jahren. Unser Atem ist lang, weil er tief ist.

Unser „Nein“ zum Krieg ist ein „Ja“ zum Leben.

Quellenhinweise:

1http://www.luftwaffe.de/portal/a/luftwaffe/start/team/stan/nord/kalk/!ut/p/z1/hY_RC4IwEMb_I28Tpu 5RMUMyKyxre4mhwwzbZCzpoT—

2 http://www.japcc.org/wp-content/uploads/Future_Vector_II_web.pdf, S. 141

3  JAPCC Air Power and Strategic Communication – Read Ahead S. 35 (Übersetz. B.T.)

https://www.japcc.org/wp-content/uploads/JAPCC_Conf_Read_Ahead_2015_web.pdf

4 Preparing Nato for Joint Air Operations in a Degraded Environment

https://www.japcc.org/wp-content/uploads/JAPCC_Read_ahead_2016_web.pdf

5 Ischinger warnt vor Kriegsgefahr mit Russland Spiegel-online 23.06.2016

 

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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