Freie Bahn für Ramstein-Drohnen

Kein potentielles Opfer: Bundesrichter weisen Klage eines Anwohners zur Überwachung bewaffneter Kampfeinsätze der US-Armee ab.

Von Susan Bonath.

Grundgesetz hin oder her: Was die Bundesregierung nicht wissen will, geht auch den Bürger nichts an. Das stellte der Vorsitzende Richter des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig an diesem Mittwoch klar und ließ den Kläger Wolfgang Jung im »Ramstein-Prozess« nach dreistündiger Verhandlung abblitzen. Ihm und seinen Anwälten Peter Becker und Otto Jäckel bliebe jetzt noch eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe. »Wir warten das schriftliche Urteil ab und denken dann darüber nach«, erklärte Jäckel im Anschluss.

Konkret forderte Jung vom Gericht, die Bundesregierung zu verpflichten, die von der US-Airbase gesteuerten Kampfeinsätze mit bewaffneten Drohnen zu überwachen. Die gesamten Drohneneinsätze der USA würden über Ramstein gesteuert, legte er dar. Unter den Opfern befänden sich viele unschuldige Zivilisten. Das britische Büro für investigativen Journalismus schätzt die Zahl der Drohnenopfer allein in Afghanistan, Pakistan, Jemen und Somalia auf 5.600, darunter etwa 1.200 Zivilpersonen. Damit verstießen die US-Truppen von deutschem Boden aus gegen das Völkerrecht. Die beiden Vorinstanzen hatten die Klage bereits abgewiesen, weil Jung gar kein Klagerecht gehabt habe. Der 78jährige, der in Kaiserslautern nur zwölf Kilometer vom US-Stützpunkt entfernt lebt, hatte Revision dagegen eingelegt. Doch die Leipziger Bundesrichter stimmten dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zu. Dessen Urteil ist nun rechtskräftig. Weitere Rechtsmittel schlossen sie aus.

Vom Drohnenkrieg wollte das Gericht jedoch nichts wissen. Es gehe alleine um die Klagebefugnis, so der Richter. Die habe ein Bundesbürger nämlich nur, wenn er »individuell geschädigt oder in seinen Rechten eingeschränkt« sei. Anwalt Becker hielt dagegen, dass Artikel 25 im deutschen Grundgesetz das Völkerrecht als Bundesrecht festlege. Dazu gehöre das Gewaltverbot. »Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes«, heißt es im zweiten Satz. Dies passe nicht zur Auslegung des Senats, so Becker. Jung erklärte, er sei darüber hinaus auch selbst betroffen. Er erinnerte an die Flugkatastrophe von 1988, bei welcher mehr als 1.000 Menschen verletzt und 70 getötet wurden. Zwei Jahre später gab es einen erneuten Absturz in der Nähe eines Munitionsdepots, wie Jung darlegte. Durch zunehmenden Fluglärm wüssten die Anwohner »schon Wochen vorher, dass wieder eine neue Militärintervention bevorsteht«, so Jung. Und nicht zuletzt sei die Airbase ein potentielles Ziel für Terroranschläge. Bereits die Vorinstanzen hatten dies verneint. Eine Terrorgefahr sei nicht nachzuweisen.

Auch das BVerwG ließ sich davon nicht beirren. »Eine Popularklage zum Überwachen von Handlungen, die der Kläger für völkerrechtswidrig hält, sieht die deutsche Rechtsordnung nicht vor«, erklärte der Senat nach Urteilsverkündung. Inwieweit die Bundesregierung die Einhaltung von Verträgen mit den USA kontrolliere, sei alleine ihre Sache. Alleine eine räumliche Nähe zum US-Stützpunkt verleihe einem Anwohner noch kein Klagerecht, solange er kein »potentielles Opfer« oder Angehöriger eines Opfers sei. Doch selbst letztere scheiterten schon an den Mauern des »deutschen Rechtsstaats«. Im Mai 2015 hatte das Kölner Verwaltungsgericht drei Jemeniten abgewiesen, die zwei Verwandte durch Drohnenangriffe verloren hatten. Die Begründung: Die Bundesregierung könne den USA die Nutzung des Stützpunktes Ramstein zur Steuerung von Kampfdrohnen nicht verbieten. Sie sei schlicht nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit einzelner Flüge zu überprüfen.

Bild: MQ-1 Predator (U.S. Air Force photo/Lt. Col. Leslie Pratt/public domain)

 

Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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