Exil für Böhmermann in Russland – Offener Brief an Wladimir Wladimirowitsch Putin

Von Ulrich Gellermann.

An den Präsidenten der Russischen Föderation

Sehr geehrter Herr Putin,

als im Juli 2013 der vom US-Geheimdienst bedrängte und bedrohte Edward Snowdon politisches Asyl in der Russischen Föderation beantragte, war Ihr Land so großzügig dem Whistleblower – dem Mann, dem wir bis heute wunderbare, demokratische Einblicke in staatliche Akten verdanken – Asyl zu gewähren. Fraglos haben Sie, hat sich Russland mit diesem Schritt gegen die USA gewandt. Das ist selbst für ein großes Land wie das Ihre nicht einfach. Was mit denen geschieht, die sich gegen die USA stellen, weiß man im Irak, ist in Libyen bekannt, hat man in Syrien erfahren. Und doch hat sich Russland damals dafür entschieden, einem gefährdeten Menschen, einem, dem Gefängnis oder Tod drohte, zu helfen.

Heute will ich Sie auf einen vergleichsweise einfacheren Fall aufmerksam machen. Es geht um Jan Böhmermann, einen jungen Menschen aus Bremen, der als Sohn eines Polizisten gar nicht anders konnte als Satiriker zu werden. Inzwischen ist er sogar TV-Preisträger. Dieser junge Mann soll den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verunglimpft haben. Ich persönlich glaube, dass man den Herrn Erdoğan gar nicht beleidigen kann: Er steht außerhalb jeder Ehren-Regel. Aber leider meint die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, dass der türkische Präsident von Herrn Böhmermann mit einem “bewusst verletzenden Text“ beleidigt worden ist. Das jedenfalls teilte Sie einem anderen türkischen Herren, Ahmet Davutoglu, telefonisch mit. Und da niemand weiß, was sie diesem sonst noch so versprochen hat, machen anständige Deutsche sich jetzt Sorgen um den Satiriker.

Denn es gibt im deutschen Strafgesetzbuch den Paragraphen 103. Nach dem könnte Jan Böhmermann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. Wegen “Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“. Und Böhmermann hat sich tatsächlich über Herrn Erdoğan und sein kleines Organ ausgelassen. Nicht so richtig freundlich. Zwar kann es nur dann eine Klage geben, wenn „die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt“, aber wer in diesen Tage die deutsche Kanzlerin und deren Regierung beobachtet, der fürchtet das Schlimmste für Jan Böhmermann. Denn die Regierung sagt solche diffusen Sachen wie: Den Fall Böhmermann solle man den Gerichten überlassen. Aber die Kanzlerin muss nur keine „Ermächtigung erteilen“ und schon käme kein Gericht zum Zuge. Doch Frau Merkel schweigt sich beharrlich aus. Auch der Winkelzug der SPD – die will gar das Beleidigungsgesetz ganz abschaffen – macht zutiefst misstrauisch. Dauert es doch in Deutschland Jahre, bis man ein Gesetz „abschaffen“ kann. Bis dahin könnte Frau Merkel Herrn Böhmermann längst an die türkische Justiz ausgeliefert haben. Und der würde dann das Schicksal vieler Kurden teilen.

Lieber Herr Putin,

gönnen Sie sich doch eine kleine Freude: Der präpotente Herr Erdoğan würde sich grün und blau ärgern, wenn ausgerechnet Sie dem Böhmermann Asyl gewähren würden. Und nicht nur dem bedrohten Satiriker wäre geholfen. Auch die deutsche Regierung und deren Medien könnten aufatmen. Müssen die sich doch Tag für Tag neue Verrenkungen einfallen lassen, mit denen sie das Schweigen der Kanzlerin verbrämen wollen, um darüber hinwegzutäuschen, dass sich diese Regierung vor der einfachsten demokratischen Hygiene drückt: Die Freiheit der Kunst und die der Künstler ebenso zu schützen, wie auch ein Publikum, das sich köstlich über Böhmermanns Attacke amüsiert hat.

Lieber Herr Putin,

geben Sie Asyl und der Gedankenfreiheit eine Chance!

Mit freundlichen Grüßen

Uli Gellermann

 

Danke an den Autor für das Recht der Zweitverwertung.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.



Auch interessant...

Kommentare (48)

Hinterlassen Sie eine Antwort