Drohnen bedrohen Zukunft

Hintergründe zum Streit um das Drohnenprojekt Deutschlands mit Israels Heron TP.

von Bernhard Trautvetter.

Tucholsky schrieb einst: „Der Mensch ist ein nützliches Lebewesen, weil er dazu dient, durch den Soldatentod Petroleumaktien in die Höhe zu treiben, durch Bergmannstod den Profit der Grubenherren zu erhöhen (…).“ [Der Mensch, Kaspar Hauser, Weltbühne 24, 16.6.1931]

Das ändern die Militaristen gerade radikal: Nachdem im 2. Weltkrieg die Luftwaffe das war, was die Strategen einen „Game-Changer“ nennen, weil damit ein bahnbrechender und grundlegender Wendepunkt in der Kriegsführung erfolgte, so erleben wir derzeit genau eine solch einschnitt-tiefe und rasante Umwälzung der Kriegsführung mithilfe der Technik unbemannter Flugobjekte genannt Drohnen: „Die Entwicklung der Robotik für den Gebrauch auf dem und über dem Schlachtfeld hat es Soldaten erlaubt, sich aus den gefährlichen, dreckigen und ‚banalen‘ Aufgaben zu entfernen.“ [The Psychology of Remote Control Warfare, Pete York, JAPCC Journal Ed. 7, Kalkar, 2008 Übersetzung: B.T.]

Drohnen stellen eine Wegmarke über die Fernsteuerung des Krieges hin zu seiner technischen Automatisierung und dann zu seiner Programm-basierten Autonomisierung dar. Dazu schrieb das Magazin des Bundestages ‘Aus Politik und Zeitgeschichte’ im August 2014: „Wie lange Menschen noch als Überwacher und Entscheider gebraucht werden, ist fraglich.“

Niklas Schörnig stellte das in seinem Beitrag ‘Automatisierte Kriegsführung – Wie viel Entscheidungsraum bleibt dem Menschen?’ damals so dar: „Im Militärbereich ist aktuell eine Revolution im Gange, der sich viele Menschen bislang nicht bewusst sind. Immer mehr Aufgaben werden, wie im zivilen Leben auch, von Computerprogrammen und unbemannten robotischen Systemen übernommen. Immer mehr wird automatisiert erledigt, der Mensch ist nicht mehr Akteur, sondern Überwacher – bestenfalls.“ [APuZ, Berlin, 18.8.2014]

Die Gefährlichkeit, die dem innewohnt, ergibt sich aus den Situationen im Kalten Krieg, in denen die sowjetischen Militärs Archipow und Petrow aufgrund ihres gesunden Menschenverstandes die Auslöschung der Menschheit abwendeten, auch wenn sie durch Regelverletzungen Ärger riskierten: Archipow, in der Kuba-Krise U-Boot-Offizier der roten Armee, verweigerte am 27. Oktober 1962 seine Zustimmung zum Abschuss eines Atomtorpedos, als ihr Boot mit US-Unterwasser-Torpedos beschossen wurde. Er zog mit dieser Entscheidung gegen die Eröffnung des Atomkriegs die Schmach auf sich, Schande über die bis dahin ruhmreiche Sowjetarmee gebracht zu haben, weil sie nicht militärisch auf den Angriff reagiert hatten. US-Verteidigungsminister McNamara erklärte später dazu: „Wir standen so nah am Abgrund. Wir haben den Atomkrieg nicht durch kluges Management verhindert. Wir hatten Glück.“ [Das Blättchen, 29. 10. 2012]

Das Glück hatte den Namen Wassilij Archipow. Ein ähnlicher überlebensentscheidender Glücksfall war Stanislaw Petrow: Am 26. September 1983 meldete ein Satellit auf Bildschirmen des Frühwarnsystems der Roten Armee, an denen Petrow Dienst tat, einen Angriff von erst einer, dann insgesamt 6 US-Atomraketen auf die Sowjetunion. Er sagte dazu im Film ‘1983 – Welt am Abgrund’: „Als ich die Entscheidung traf, verließ ich mich nur auf mein Gefühl.“ Und: „Eines wollte ich absolut nicht: Der Auslöser für den Dritten Weltkrieg sein“. Die Vorschrift hatte gelautet, dass im Falle eines solchen Alarms der Rote Knopf zu drücken war. Es ist die Frage, ob ein Armee-Computerprogramm ebenfalls die Regel gebrochen hätte, oder ob dann das frühzeitige Ende der Menschheit die Konsequenz gewesen wäre.

Drohnen sind nun noch keine derartigen Computerprogramme, aber sie stellen die Weichen in die Richtung der Entfernung des Menschen aus den Entscheidungen über Krieg und Frieden. Die Befürworter behaupten, Drohnen stellen eine Schutz für Soldaten dar, da sie über die Fernsteuerung nicht im Schlachtfeld selbst aktiv sein müssen.

Wir Kritiker fordern die Ächtung von Mordwaffen zur außergerichtlichen Tötung, die zudem noch eine Blutspur durch das Leben vieler Zivilisten ziehe, deren Tod die Militärs als Kollateralschäden hinnehmen. Einer der Beweise: „Drohnenangriffe töten weit mehr Zivilisten, als die USA angeben –  700 Tote in drei Jahren, darunter 94 getötete Kinder: Ein Geheimpapier zeigt das wahre Ausmaß des Drohnenkriegs in Pakistan und überführt die US-Regierung der Täuschung.“

Drohnen verwischen zudem die Grenzen zwischen Krieg und Frieden.

Sie werden in kriegerischen Handlungen genutzt, die Nato-Militärs ‘expeditory warfare‘ nennen; so hieß die Jahreskonferenz des Kalkarer Joint Air Power Competence Centre und so heißt ein Labor der US-Armee, das auch der Nato dient, in San Diego. Ingeborg Bachmann hat in ihrem Gedicht ‘Alle Tage’ vorhergesehen, was jetzt real geworden ist:

“Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.”

Die Auseinandersetzung über die Drohnenbewaffnung hat bereits dem damaligen ‘Verteidigungs’-Minister de Maiziere das Amt gekostet: Er hatte sich nach Betrugsvorwürfen geweigert, zurückzutreten, wurde aber nach zwei Amtsjahren durch Frau v.d. Leyen abgelöst. Der Konflikt um die immens gestiegenen Kosten des Drohnenprogramms und um seine Umsetzung im deutschen Luftraum mit seinen strengen Sicherheitsbestimmungen führte zu Rücktrittsforderungen, die er regelmäßig abwehren musste.

Jetzt befindet sich aktuell die Bundes’verteidigungs’ministerin in schwerem Fahrwasser wegen der mit Israel vereinbarten Lieferung von bewaffneten Heron-Drohnen:

Der US-amerikanische Rüstungskonzern General Atomics hat nach einem ersten im letzten Mai verlorenen Prozess beim OLG Düsseldorf über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Bundesregierung, die  Heron-Drohnen anstelle des US-amerikanischen Originals anzuschaffen, „mit einer Anhörungsrüge beim Oberlandesgericht Düsseldorf erreicht, dass das Zuschlagsverbot für das Kampfdrohnen-Projekt der Bundeswehr erneuert wurde. Bis der Senat über die Rüge entscheidet, darf die Bundeswehr das Leasing-Geschäft mit dem israelischen Wunschpartner IAI nicht unter Dach und Fach bringen, teilte das Gericht der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag mit. (…) Von der Leyen will fünf Kampfdrohnen (…) für mehr als eine Milliarde Euro anmieten. (…) Der Anwalt von General Atomics hatte vergangene Woche gar mit einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gedroht, sollte die Anhörungsrüge beim Oberlandesgericht keinen Erfolg haben.“

Das ist ein besonders skurriler Vorgang, nicht nur da die Bundeswehr die Heron-Drohnen bereits von Israel aus in Afghanistan einsetzt, sondern weil die Parteien der großen Koalition angesichts des herannahenden Wahlkampfes verstärkt uneins in einzelnen Fragen des Vorhabens sind, wie zum Beispiel bei der Entscheidung über den Kriegseinsatz der Waffen dieser Fluggeräte. Das ist verständlich, ist doch eine große Mehrheit der Wahlbevölkerung gegen den Einsatz bewaffneter Drohnen.

Die Vorbehalte der Bevölkerung wird die Friedensbewegung unter anderem am Antikriegstag bundesweit, im Sommer in Ramstein und im Oktober in Kalkar (3.10.) und  Essen (7.10.) weiter verstärken. Und sicher auch beim G 20-Gipfel in Hamburg.

http://www.ramstein-kampagne.eu/

Die folgenden Websites werden im Juli aktualisiert, wenn die Aufrufe für Oktober beschlossen sind:

http://demo-kalkar.de/
http://no-natom-krieg.de/ (Essen)

Das ist dringend erforderlich, da die EU-Militaristen eine EU-Drohne avisieren:

„Spätestens 2025 einsatzbereit: Bundeswehr will europäische Kampfdrohne entwickeln – … : Deutschland, Frankreich und Italien wollen (…)  mit der Entwicklung einer bewaffnungsfähigen Drohne beginnen. In der Abschlusserklärung der deutsch-französischen Regierungskonsultationen vom Dienstag wird die ‘neue Generation europäischer Drohnen’ für den Zeitraum zwischen 2020 und 2025 angepeilt.“ [31.03.2015, dpa, AFP, t-online.de]

Das Thema wird uns noch eine Weile beschäftigen.

Unser Gegner ist einflussreich. Dass die Bundeswehr mit Israel zusammenarbeitet, liegt im Interesse des deutschen militärisch-industriellen Komplexes:

„Airbus Defence & Space und Israel Aerospace Industries wollen eine Kooperationsvereinbarung zur Bereitstellung von UAVs für die Bundeswehr schließen.“

Die Flugrevue, die über diese Kooperationsplanung berichtet, kündigt an, dass über diese Frage eine öffentliche Debatte im Bundestag und in der Öffentlichkeit, also noch im Bundestagswahlkampf, ansteht. Wir werden diese Auseinandersetzung – wie die hier skizzierte Recherche zeigt – über den Tag der Bundestagswahl am 24.9.2017 hinaus führen. Unser „Nein“ zum Krieg ist ein „Ja“ zum Leben.

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Textes.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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