Die Rache

Ein Exempel an Julian Assange soll Protest und Widerstand gegen die Machenschaften der Weltmächte im Keim ersticken.

Hinweis zum Rubikon-Beitrag: Der nachfolgende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Rainer Mausfeld aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

Schon Tage vor der Verhaftung von Julian Assange hatte der frühere britische Botschafter und Menschenrechtsaktivist Craig Murray mit anderen Kämpfern für die Pressefreiheit vor der ecuadorianischen Botschaft in London ausgeharrt, um ein Zeichen seiner Solidarität mit dem WikiLeaks-Herausgeber zu setzen. Seinen Antrag, Assange zu besuchen, hatte die Botschaft ignoriert. Als der brutale Zugriff dann erfolgte, setzte sich Craig Murray sofort in den Zug nach London. Im Gerichtssaal wohnte er dann einem unwürdigen Spektakel bei: einer Aburteilung im Schnellverfahren.

Von Craig Murray.

Heute Abend sitzen sowohl Chelsea Manning als auch Julian Assange im Gefängnis, beide wegen Straftaten im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Material, das US-Kriegsverbrechen in Afghanistan und im Irak näher beschreibt, und beide werden nur deswegen angeklagt. Egal was Ihnen Bullshit-Politiker und die Lügner der Mainstream-Medien auftischen, das ist die Wahrheit:

Manning und Assange sind wahre Helden unserer Zeit und dafür leiden sie.

Wäre ein russischer Oppositionspolitiker von der bewaffneten Polizei herausgeschleppt und innerhalb von drei Stunden von einem offensichtlich voreingenommenen Richter aufgrund einer politisch motivierten Anklage, ohne Jury und mit Aussicht auf eine lange Gefängnisstrafe verurteilt worden — können Sie sich die Reaktion der westlichen Medien auf ein derartiges Scheingericht vorstellen? Genau das ist jedoch gerade in London passiert.

Bezirksrichter Michael Snow ist eine Schande für die Richterbank; er hat es verdient, weit über seinen Tod hinaus in Verruf zu geraten. In den 15 Minuten, die er brauchte, um den Fall anzuhören und Assange für schuldig zu erklären, äußerte er die offensichtlichsten und offensten Vorurteile gegenüber Assange, und zwar auf eine Art und Weise, die die Gerichte der Diktatoren in Babangidas Nigeria oder Karimovs Usbekistan, die ich erlebt habe, geradezu gerecht und vernünftig erscheinen lassen im Vergleich zu der von Michael Snow vorgeführten plumpen Scharade.

Eine wichtige Tatsache hat Snows enorme Voreingenommenheit verraten: Julian Assange sagte während des gesamten kurzen Verfahrens nichts. Er sagte nur zweimal „nicht schuldig“ und fragte in einem einzigen Satz, warum die Anklage mitten während dieses Schein-„Gerichtsverfahrens“ geändert wurde.

Doch Richter Michael Snow verurteilte Assange als „narzisstisch“. In Snows kurzer Anhörung gab es keinerlei Anhaltspunkte, die ihn zu dieser Ansicht hätten bringen können. Diese Bewertung hatte Snow also offenkundig mit in den Gerichtssaal gebracht und in den Mainstream-Medien gelesen oder gehört oder in seinem Club aufgeschnappt. Kurzum: Ich erlebte den Inbegriff eines Vorurteils, „Richter“ Michael Snow und sein zusammenfassendes Urteil sind eine absolute Schande.

Wir haben heute um 21.45 Uhr (der Artikel stammt vom 11. April; Anmerkung der Übersetzerin) das letzte Meeting von Wikileaks und dem Anwalts-Team abgeschlossen und danach haben Kristian Hrafnsson (mehrfach ausgezeichneter isländischer Investigativ-Journalist und Chefredakteur von WikiLeaks; Anmerkung der Übersetzerin) und ich gemeinsam gegessen.

Das gesamte Team, einschließlich Julian, sprüht eher vor Energie, als dass es entmutigt ist. Endlich verstecken sich die vorgeblichen Liberalen nicht mehr hinter lachhaften schwedischen Vorwürfen oder der Behauptung, Assange hätte gegen Kautionsauflagen verstoßen. Nun liegt ihr wahres Motiv offen zutage: die Rache für Chelsea Mannings Enthüllungen.

Die Verfolgung von Assange unter diesen Umständen zu unterstützen, bedeutet die totale staatliche Zensur des Internets zu unterstützen.

Es bedeutet, der Forderung zuzustimmen, dass jeder Journalist, der offizielles Material erhält und veröffentlicht, das auf ein Fehlverhalten der US-Regierung hinweist, für seine Veröffentlichung bestraft werden kann.

Darüber hinaus bedeutet diese US-Behauptung einen erstaunlichen Schub für die universelle Gerichtsbarkeit. Assange befand sich bei der Veröffentlichung der Dokumente nicht annähernd in USA-Nähe, doch die US-Gerichte sind trotzdem willens, ihre Zuständigkeit einzufordern. Dies ist eine Bedrohung der Presse- und Internetfreiheit überall.

Wir leben in beängstigenden Zeiten. Doch die können auch besonders beflügelnd sein.

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Dieser Beitrag erschien am 13.04.2019 bei Rubikon – Magazin für die kritische Masse.

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