Die nordkoreanische Parabel

oder – wie die Welt mit einer schäbigen Schmierentragödie in Atem gehalten wird.

von Hermann Ploppa.

Wieder einmal große Aufregung: das letzte Paradies der Stalinisten, Nordkorea, soll schon wieder eine Rakete gezündet haben! 10.000 Kilometer weit soll das Teufelswerk fliegen können, und sei in der Lage, eine vollständig ungeschützte USA in ihrem Herzen zu treffen.

Bedaure, wie weit soll die Zumutung für den rationalen Verstand eines durchschnittlich gebildeten Menschen eigentlich noch gehen? Ein bitterarmer Kleinstaat soll in der Lage sein, die ganze Welt aus den Angeln zu heben?

Ein paar Fakten, in aller Ruhe:

  1. Die sonst immer so exakt ermittelnden Geheimdienste können bis dato nicht einmal genau sagen, um welchen Raketentyp, den der Diktator Kim Jong Un höchstpersönlich in den Luftraum entlassen haben soll, es sich eigentlich handelt. Geschätzte Daten liegen vor über einen Raketentyp namens Taepodong 2. Demnach handelt es sich hier um eine so genannte ballistische Rakete. Ballistische Rakete? Richtig! Das ist jener Raketentyp, den dereinst Wernher von Braun für Hitlers Schergen als V2 (V für: Vergeltung) auf London zu schießen wusste. Ballistisch kommt von griechisch: ballein, was so viel wie „werfen“ bedeutet. Die Rakete wird in die Atmosphäre geschossen. Irgendwann erreicht sie den Punkt, an dem der Impuls durch den Startschuss aufgrund der Erdanziehung zum Stehen kommt. Ab diesem Scheitelpunkt wird die Rakete von der Erdanziehung unweigerlich nach unten gezogen. Die Kunst der ballistischen Raketensteuerung liegt nun darin, schon beim Start den Impuls und den Winkel so zu bestimmen, dass in der nun beschriebenen Flugbahn eine solche Parabel eingeschlagen wird, dass die Rakete mit ihrem mitgebrachten Sprengsatz am gewünschten Ziel einschlagen kann. Die Trefferwahrscheinlichkeit bei ballistischen Raketen liegt laut Wikipedia bei 50%! Die bisher bei nordkoreanischen Experimenten gestarteten Raketen sind entweder kurz nach dem Start auseinandergefallen (wie auch die gerade eben abgeschossene Rakete), oder sie ist irgendwo in den Pazifischen Ozean gefallen (gottlob hat sie dabei keine Schiffe getroffen und hoffentlich auch keine Fische).
  2. Diese militärtechnisch vollkommen sinnlosen, weil ohne strategisches Umfeld stattfindenden Experimente kosten ein Schweinegeld, das buchstäblich in die Luft geschossen wird.
  3. Nordkorea ist ein bitterarmes Land. Immer wieder kommt es dort zu Hungersnöten. Der Eisenbahnverkehr kommt immer wieder mangels Energiezufuhr zum Erliegen. Kein Witz: manchmal werden Dampflokomotiven mit Abfall (wie z.B. Plastiktüten) befeuert. Ärztliche Versorgung befindet sich auf Steinzeitniveau.
  4. Immer wieder, besonders unter Präsident Bill Clinton, zahlten die USA große Geldbeträge an Nordkorea, angeblich, um Nordkorea für den Verzicht auf weitere Rüstungsexperimente zu belohnen, oder um Hungersnöte abzumildern. Wo das Geld gelandet ist, wurde nicht überprüft.
  5. Immer wieder, wenn in Nordkorea ein Atombömbchen, oder um was auch immer es sich gehandelt haben mag, explodierte, oder eine Wernher-von-Braun-Saurier-Rakete sich in die Atmosphäre verirrte, passierte in Japan Unglaubliches. Japan ist nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg verpflichtet worden, eine rein defensive Armee zu unterhalten. Mit maximal 100.000 Soldaten und einer militärischen Ausrüstung, die ausschließlich der Selbstverteidigung dient. Wie in der Schweiz, und anders als in Deutschland. Und jetzt? Nach jeder nordkoreanischen Raketen- oder A-Bomben-Operette wächst der Druck in Japan, von der Selbstverpflichtung auf reine Verteidigung abzurücken und massiv aufzurüsten. Gemeint ist bei diesem japanischen Rüstungslobbyisten-Drama natürlich nicht das moribunde Nordkorea, sondern China.
  6. Auch die anderen westlich orientierten Militärmächte in Asien verspüren zunehmenden Druck, mehr öffentliche Gelder als bisher für die Rüstung auszugeben, allen voran auf Südkorea. Sie sagen Nordkorea – und meinen den wichtigsten Konkurrenten der USA, die Volksrepublik China.

Das sind die Fakten, und es ist unbegreiflich, warum dieses Blinde-Kuh-Spiel von niemandem aufgedeckt wird. Schwer nachvollziehbar ist auch, welche Rolle sich die Volksrepublik China in dieser Schmierenkomödie/tragödie selber zugeteilt hat. Verlierer ist wieder einmal das Volk. Unser Mitgefühl gehört dem Volk von Nordkorea, das vollkommen überflüssiges Leid ertragen muss in einem schäbigen globalen Schaustück.

Hermann Ploppa hat das Buch „Die Macher hinter den Kulissen – Wie transatlantische Netzwerke heimlich die Demokratie unterwandern“ veröffentlicht.

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Textes.

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