Die Mont Pelerin Gesellschaft – Geheimloge der Marktradikalen und Neoliberalen

Auszug aus dem Buch “Die Macher hinter den Kulissen – Wie transatlantische Netzwerke heimlich die Demokratie unterwandern”

von Hermann Ploppa.

Hayek war bereits 1931 zur London School of Economics gewechselt und profilierte sich als Gegenspieler von John Maynard Keynes. Im Krieg hatte sich Hayek auf die Linie von Lippmann eingestimmt und in dem Buch The Road to Serfdom – zu Deutsch: Der Weg in die Sklaverei – dargelegt, dass Faschismus und Nationalsozialismus konsequente Weiterentwicklungen des Sozialismus darstellten.

1947 findet Hayek einen schweizerischen Unternehmer, der ihm das Geld locker macht, um in dem Örtchen Mont Pelerin in der Nähe des westschweizerischen Ortes Vevey eine Neuauflage des Pariser Treffens von 1938 zu veranstalten. Inspirator Walter Lippmann ist dieses Mal nicht anwesend. Aber Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow sind wieder dabei. Und viele neue Gesichter zum Beispiel ein kleines Männchen mit Hornbrille – Milton Friedman. Oder ein gewisser Ludwig Erhard, noch schlank, übernächtigt. Und neben ihm Alfred Müller-Armack. Und ein Weißhaariger mit stechendem Blick durch die Nickelbrille: Walter Eucken. Ein buntes Häuflein.

Was verbindet diese Leute? Ganz einfach: die Abneigung gegen die Planwirtschaft. Die Planwirtschaft Hitlers und Görings war niedergerungen, ebenso der italienische Faschismus. Dafür breitete sich der Plankommunismus der Sowjetunion weltweit aus, und auch die europäischen Nationen kapitalistischer Prägung unterlagen in der Not der Nachkriegsjahre einer Art von Planwirtschaft, erzwungen durch die Mangelsituation. Das Häuflein Ökonomen auf dem Mont Pelerin schaute herab auf eine Götterdämmerung des freien Marktes. Das schweißt zunächst einmal zusammen.

Heute sind in der Mont Pelerin Society 500 Wirtschaftsexperten versammelt. Im diskreten Kampf um die Vorherrschaft des Neoliberalismus durchdringen diese Ökonomen unzählige einflussreiche Institutionen weltweit. Aus den zagen Abwehrkämpfern gegen die Planwirtschaft ist heute eine angriffslustige Truppe geworden, die die Früchte ihrer zähen Generationen übergreifenden Wühlarbeit genießen kann. Und sie hat im Vollzug von Walter Lippmanns Agenda „nichts Geringeres vor als die Umstellung der Menschheit auf eine neue Lebensweise.“

Beobachter des Neoliberalismus stellen fest, dass unter dieser Heilslehre sehr unterschiedliche Positionen versammelt sind. Ist das nun eine Schwäche oder ein Stärke des Neoliberalismus? Die einen sagen, der Neoliberalismus wird an seiner Inkonsistenz zu Grunde gehen. Die anderen sagen, alle Neoliberalen folgen ein und derselben Agenda, und haben sich nur aus taktischen Gründen verschieden aufgestellt, nach dem Motto: getrennt marschieren, vereint schlagen. <19>

Es gab von Anfang an in der Geheimloge des Neoliberalismus, der Mont Pelerin Gesellschaft, neben der gemeinsamen Abneigung gegen jede Form der Planwirtschaft doch auch ganz schwerwiegende Differenzen. Schauen wir uns mal die in letzter Zeit wieder öfter beschworenen Geister des deutschen Ordoliberalismus an. Mit Ludwig Erhard als Wirtschaftsminister hatten wir ja gleich von Anfang der Bundesrepublik an einen waschechten Neoliberalen ganz an der Spitze – und wir haben das über Jahrzehnte gar nicht bemerkt! Unter Erhard ging es den Arbeitern immer besser – viel mehr Lohn, und Samstag nicht mehr arbeiten. Die Renten und die Krankenversicherung baute der Dicke mit der Zigarre aus. Und schwache Betriebe wurden mit Subventionen künstlich am Leben gehalten, um Arbeitsplätze zu retten. Und Mont Pelerin-Mitglied Alfred Müller-Armack hat Erhard als dessen Staatssekretär dabei tatkräftig unterstützt.

Die deutschen Mitglieder der ersten Generation in der Mont Pelerin Society unterschieden sich deutlich von ihren österreichischen und amerikanischen „Logenbrüdern“. 

Da ist zum Beispiel Wilhelm Röpke. Röpke lehrte unter anderem in Marburg an der Lahn. Als die Nazis kamen, nahm der streitbare Röpke kein Blatt vor den Mund, und besetzte dann lieber einen Lehrstuhl an der Universität Istanbul. Dort fühlte er sich allerdings nicht wohl, so dass er 1937 an das Genfer Hochschulinstitut für internationale Studien überwechselte. Nach dem Krieg lehrte er dann wieder in Deutschland.

Röpkes Lehre ist in sich widersprüchlich. Er propagiert einen Dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus, einen „ökonomischen Humanismus“. Ganz im Sinne heutiger Globalisierungskritiker fordert Röpke eine dezentrale regionale Wirtschaftsform, und hat in diesem Sinne auch gegen die europäische Einigung Stellung bezogen, die nach seiner Meinung von oben aufgepfropft wird, anstatt langsam von unten nach oben zusammen zu wachsen. Der weltmännische Liebhaber italienischer Sportwagen und ausgedehnter Fernreisen pries die idyllische Welt der Landwirtschaft, predigte christliche Nächstenliebe, während er gleichzeitig gegen Sozialhilfe stänkerte.

Röpke war 1960 als Nachfolger von Hayek zum Präsidenten der Mont Pelerin Gesellschaft gewählt worden. Allerdings hatten die Intrigen durch die Marktradikalen um Friedman und Hayek gegen die soften Deutschen ein solches Maß angenommen, dass Röpke schon 1961 wütend den Vorsitz niederlegte und aus der neoliberalen Loge austrat. Damit überließ er den Marktradikalen kampflos das Feld.

Auszug aus dem Buch von Hermann Ploppa: Die Macher hinter den Kulissen – wie transatlantische Netzwerke heimlich die Demokratie unterwandern. Frankfurt/Main 2014. 

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