Die Krise des deutschen Journalismus – Teil 1

Von links unten nach rechts oben

Ein Kommentar von Dirk Pohlmann .

Der Ruf der etablierten Medien ist angeschlagen. 60% der Einwohner Deutschlands haben wenig oder gar kein Vertrauen in die Informationen und Interpretation, die Ihnen Tag für Tag in den sogenannten Qualitätsmedien und öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten vorgesetzt werden. Bei Jugendlichen ist das Misstrauen noch größer. Die Reaktion der Erziehungsberechtigten in den Redaktionen auf die Respektsverweigerung ihres Publikums ist oberlehrerhaft: schlechte Kopfnoten, beißender Spott und und genussvoll formulierte Häme. Beliebtestes Mittel der Mainstreammedien-Journalisten gegen die „Meuterer“ ist die Gleichsetzung der Mehrheit der Kritiker mit den jeweils dümmsten und radikalsten existierenden Elementen, also Beleidigung und Herabsetzung. Wer ARD, ZDF, Zeit und FAZ öfters doof findet, muss selber doof sein. Und außerdem irgendwie pegida und wer so drauf ist, glaubt natürlich auch jede Verschwörungstheorie, die Ken Jebsen oder der Kopp Verlag angeblich verbreiten: etwa dass reptiloide Aliens das Weiße Haus übernommen haben, und dann WTC 7 sprengten. Hahaha. Schenkelklopf und Prust unter der Atlantikbrücke.

Diese Einschätzung bestätigen Journalisten gerne durch selektive O-Ton Auswahl bei Straßenumfragen. Wer nicht ihrer Ansicht ist, wird stets als unterbelichtet „gefilmt“. Standard-Publikumsreaktion auf die solcherart zur Schau gestellten Prekariats-Fußgänger: „Unglaublich, wie hirnlos die meisten Leute sind! Wie gut, dass ich nicht zu den meisten Leuten gehöre!“ (Obwohl die Mehrheit bei den meisten Themen natürlich zu den „meisten Leuten“ gehört, sonst wäre sie ja nicht die Mehrheit. Aber wer wird schon gerne als Herdentier vorgeführt?) Dass angebliche Humanisten und Linke die Unterschicht verachten und dabei auch noch ein gutes Gewissen haben, ist eine finstere Angelegenheit – ein Thema für sich.

Publikumsverachtung ist eine miese, aber übliche Haltung unter Journalisten. Selektive Darstellung wird allerdings nur bei bestimmten Interessengruppen betrieben. Wie oft hat man schon eine O-Ton-Collage idiotischer CDU, SPD oder Grünen-Meinungen gesehen? Könnte man sie drehen und schneiden? Natürlich. Jeder TV-Journalist weiß, dass man bei Straßenumfragen jede beliebige Stoßrichtung darstellen kann, wenn man nur genug Interviews zur Verfügung hat.

Früher, in den 80er Jahren, wurde das auch getan, da wurden die Grünen ähnlich wie die AfD jetzt behandelt, nämlich als Untergang des Abendlandes. Auch sie waren angeblich irgendwie nazi-artig. Begründung damals: Grüne wie Nazis wären eher Bewegung als Partei, beiden gemeinsam wären die jugendlichen Anhänger, das Fehlen eines seriösen Programms, das Ressentiment gegen die bewährte Ordnung, beide wären Protestpartei und noch dazu gewaltbereit. Ich erinnere mich, wie in der ARD präsentiert wurde, dass jeder Bewohner des Startbahn-West-Hüttendorfes ein asozialer Problembär gewesen sei.

Mittlerweile sind die ehemals verleumdeten Ökopaxe im Mainstream angekommen, wollen auch mal Kriege führen und warnen eindringlich vor einer Partei, die angeblich zum Untergang des Abendlandes führen wird. „Die größten Kritiker der Elche waren früher selbe welche.“ Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die entsetzte AfD Berichterstattung eher früher als später freundlicher ausfallen wird, nämlich sobald diese Schein-Protest-Partei in die Rundfunkgremien einzieht und dort Macht ausübt.

Ich kritisiere meine Kollegen nicht, weil ich insgeheim im Keller bei Vollmond AfD Sympathisant wäre. Ich bin es weiß Gott nicht. Ich kritisiere sie, weil ich ihnen Verrat an der journalistischen Berufsethik vorwerfe. Wir Journalisten haben zu berichten, was sich außerhalb der Redaktionsgebäude tut, mit möglichst guter Abbildungsgenauigkeit. Wir sollten die besten Argumente der von uns Interviewten akkurat berichten und Mächtige hartnäckig mit den Fragen traktieren, die sie am wenigsten hören wollen. Wir sollten wann immer möglich selbst vor Ort nachgucken, wer was warum macht, mit offenen Ohren, offenem Sinn und Neugierde. Wir müssen mit allen Menschen reden, was nicht bedeutet, dass wir allen glauben müssen. Wir sollten ritterlich sein, also nachsichtig mit den Schwachen und mutig gegenüber Mächtigen.

Wer sich stattdessen als Erziehungsberechtigter oder Missionar sieht, sollte Kindergärtner werden oder bei einer Freikirche anheuern. Als Journalist ist er eine Fehlbesetzung – die allerdings in Deutschland hundertfach vorkommt.

Durch solche Arroganz im Amt, Kontaktvermeidung, durch nicht vor Ort nachgucken und mangelnde Neugierde entsteht auch die vorherrschende Berichterstattung über Ken Jebsen, die vollkommen tatsachenfrei einen Rechtspopulisten aus ihm macht. Eine Fehlleistung, die nur durch mangelnde intellektuelle Belüftung und Groupthink möglich ist, durch Vor-Urteile. Eine Ursache dafür: Journalisten gleichen sich leider viel zu oft untereinander ab, statt unabhängig voneinander an der Wirklichkeit, wie sie es sollten. Wäre es anders, würde zwangsläufig bei allen Themen ein vielfältigeres Meinungsbild in den Medien sichtbar werden, als es jetzt der Fall ist. Dass das Meinungsspektrum von Journalisten viel enger ist als das der Bevölkerung ist kein Schönheitsfehler, sondern systemisches Versagen. Der heutige Journalismus ist weitgehend dysfunktional.

Ein randständiges Symptom der Krankheit, die im Mediensystem grassiert, ist die rasante Aufwertung der Bild-Zeitung. Gestern noch Problemfall (objektiv z.B. feststellbar anhand der Rügen des Presserates), ist sie heute geschätztes Mitglied des Medien-Establishments, das selbst mit dem Finger auf andere zeigen darf. Die Rolle des Enfant terrible, schwarzen Schafs und Objektes der Empörung haben andere übernommen. Zum Beispiel Ken Jebsen. Woher stammt die Einmütigkeit solcher Urteile? Aus der Realität? Nein, sie stammt aus der Neigung der Journalisten zum Chorgesang.

Das Spitzenpersonal des Medien-Establishments ist erstaunlich austauschbar. Auch das passt ins Bild der geistigen Enge. Die Damen und Herren an der Spitze sind sich weitgehend einig, sie bilden eine seltsame Querfront. Stefan Aust, nur ein Beispiel, startete einst links unten, mittlerweile ist er rechts oben angekommen, als Herausgeber und zeitweiliger Chefredakteur der „Welt“. Er ist heute Chef des Flaggschiffs seines Feindbildes der frühen Jahre. Früher schrieb Aust mit Ulrike Meinhof bei der linksradikalen Konkret und mit Hendryk M. Broder bei der Pornopostille St. Pauli Nachrichten.

Ein weiteres Beispiel ist Nikolaus Blome, der zwischen redaktionellen Leitungsfunktionen bei Spiegel und Bild hin und her wechselt. Er oszilliert also zwischen dem „ehemaligen Nachrichtenmagazin“, weiland als „Sturmgeschütz der Demokratie“ bezeichnet, ach, das waren noch Zeiten, heute ist der Spiegel eher das Verbandsorgan der Atlantikbrücke – und der Hauptpostille der „Lügenpresse“, der „Bild“. Als Lügenpresse wurden nämlich 1968 von den demonstrierenden Studenten die Springer-Zeitungen, insbesondere „Bild“ tituliert. Heute ordnet Springer, genau wie andere „Qualitätsmedien“, den „Lügenpresse“ Begriff gerne der NS Vergangenheit zu. Das macht es einfacher, Kritik an sich abtropfen zu lassen.

Zu einem der schlimmsten Haßobjekte der „Bild“-Zeitungs-, „Zeit“-Bildungs-, Spiegel, FAZ, ARD und ZDF Journalisten avancierte innerhalb weniger Jahre KenFM.

Darf man fragen warum? Tatsache ist doch: KenFM ist ein Programm, dass in weiten Teilen die Arbeit erledigt, die der öffentlich rechtliche Rundfunk nicht mehr leistet, mit Interviews, die eigentlich den Öffentlich-Rechtlichen bestens zu Gesicht stünden; Dinosaurier meines Alters erinnern sich vielleicht noch an „Günter Gaus im Gespräch mit:“ z.B. Rudi Dutschke oder Hannah Arendt.

KenFM wird für seine Arbeit von MSM-Journalisten mit einer Verachtung überzogen, die der KuKluxKlan verdient hätte, aber nicht ein alternatives Medium, dass hochkarätige Stimmen zu Wort kommen lässt, die selten oder gar nicht im Mainstream vorkommen, das dem Publikum ermöglicht, Argumentationsketten zu verfolgen und Zusammenhänge zu verstehen, statt nur Soundbites zu konsumieren. Was an KenFM rechtspopulistisch, antisemitisch und demokratiefeindlich sein soll, weiß der Teufel, ich jedenfalls nicht und die hysterischen KenFM-Hasser wissen es selbst nicht, denn sie können den Vorwurf nicht sauber durch typische Belegstellen beweisen. Sie behelfen sich deshalb mit der ständigen Wiederholung von Behauptungen, sowie dem Verweis darauf, dass viele andere auch schon solche Behauptungen berichtet hätten. Immer wieder wird geraunt, dass Ken Jebsen wegen antisemitischer Äußerungen beim rbb entlassen worden sei. Das ist  schlicht falsch, was gut 40 von ihm gewonnene Gerichtsverfahren wegen dieser Behauptung belegen. Wenn man den Vorwurf des Antisemitismus anhand des rbb Chats genauer recherchiert, löst er sich in nichts  auf. Trotzdem kommt kaum ein Artikel über ihn ohne dieses Thema aus. Irgendetwas wird schon hängenbleiben. Ein ebenfalls oft gebrauchtes Zitat aus einer Ken Jebsen Rede, dass Zugvögel keine Demokratie brauchen, gerne als Beleg für seine Demokratiefeindlichkeit benutzt, ist selbst ein Zitat, aus einer Performance-Rede des Künstlers Jonathan Meese. Was keinem der entsetzten Bildungsbürger-Journalisten aufgefallen ist. Vielleicht sollten sie öfter ins Theater oder Kunstaustellungen gehen statt sich mit Kollegen abzugleichen?

Ken Jebsen rechtspopulistisch zu nennen ist nur durch Rechercheverweigerung möglich, sowie durch ein Verfahren, dass im heutigen Journalismus gerne angewendet wird. Man spult sich durch 300 Stunden O-Töne und Interviews, bis man endlich eine Stelle gefunden hat, die man bei schlechter Absicht falsch verstehen kann. Die wird dann zum Beweis aufgeblasen und ad infinitum wiederholt. So, wie bei der Zugvögel-Nummer.

Manchmal ist es auch noch schlimmer, das ZDF zum Beispiel pfeift auf jeden Rest-Anstand, greift tief ins Klo und probiert es mit Verleumdung. In den zwei verlinkten Szenen versucht es auf perfide Weise, Ken Jebsen bildlich eine Nähe zum Salafismus und IS anzudichten. Wer solchen Journalismus betreibt, braucht sich über den Vorwurf „Lügenpresse“ nicht zu wundern. Es handelt sich ja nicht nur um die Fehlleistung eines einsamen Stürmers, immerhin ist dieses Schmierentheater bei einer Abnahme durchgegangen. Den Namen des verantwortlichen Redakteurs sollte man sich merken. Er hat eine brilliante Karriere vor sich: Er ist zu allem fähig.

Sichtbar wird also statt eines Skandals bei KenFM absichtsvolles Falschverstehen und ein selbstreferentielles System bei den Mainstream-Medien, dass sich aus Vorurteilen speist, nicht aus Tatsachen. Das ist das Gegenteil einer Arbeitsweise, die den Namen „Qualitätsjournalismus“ verdient, egal wie oft sich diese Medien selbst diesen Orden verleihen.

Bei aller Nachsicht, irgendwann ist es mal genug mit diesem Serientäter-Unsinn. Dieser Zeitpunkt war vor spätestens 2 Jahren.

Das Alarmgeschrei der Etablierten in den politischen Parteien und Medien hat verschiedene Grade der Realitätsnähe und diverse Ursachen, aber eine ist simpel und klar. Die Etablierten beider Gruppen bekämpfen eine neuentstandene Konkurrenz. Ein Konkurrent wird nicht freudig begrüßt. Das ist eigentlich eine banale Erkenntnis. Aber sie wird hinter einem dichten Nebel aus aufgeblasener Empörung verborgen, der undurchdringlich wie eine Mauer erscheint, aber zumindest beim Fall Ken Jebsen aus nichts Substantiellem besteht. In Sachen AfD, die eine veritable parlamentarische Konkuurrenz darstellt, liegt der Fall etwas komplizierter, aber auch diese Partei wird alles andere als fair behandelt. Journalisten sollten dem Publikum nicht als Erziehungsberechtigte erklären, was es gefälligst zu denken hat, sondern der AfD die Gelegenheit geben, sich eigenständig in Grund und Boden zu reden. Dieser Partei genau wie allen anderen. Es darf keine Sonderregeln geben, so wenig, wie es die in der Justiz geben darf.

Neben dieser Ähnlichkeit in der Sache gibt es allerdings auch wesentliche Unterschiede zwischen Medien und Parteien. Diese fundamentalen Unterschiede sind wichtig bei der Analyse des Problems.

Während die politischen Parteien sich im Meinungskampf wegbeißen sollen, sogar totbeißen dürfen, sie sollen schließlich Kräfte bündeln, Entscheidungen herbeiführen und Personal für die praktische Politik bereitstellen, liegt der Fall bei der Medienberichterstattung anders.

Ihr Daseinszweck ist Vielfalt und Staatsferne. Der Meinungskampf ist „schlechthin konstituierend für die Demokratie“ – stellte das Bundesverfassungsgericht 1958 fest. Massenmedien haben besondere Rechte und genießen besonderen Schutz, damit sie ihre „öffentliche Aufgabe“ erfüllen können. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes kreisen darum, dass die Medien die Arena herstellen sollen, in denen sich die Wahlbürger über die Positionen und Ideen der politischen Akteure informieren können und wo sie selbst am Meinungskampf teilnehmen können. Die Akteure sind nicht nur die Parteien, sondern alle Kräfte der Gesellschaft, die real an der Meinungsbildung mitwirken. Die Medien sollen diesen Prozess abbilden und anfeuern, Journalisten sind dabei Beobachter und Teilnehmer zugleich. Sie erfüllen ihre Aufgabe, wenn sie sozusagen einen Urwald herstellen, der vor Bioaktivität aus den Nähten platzt. Schillernde Schmetterlinge, Paradiesvögel, Lianen, riesige Bäume, Pfeilgiftfrösche, Fledermäuse, Jaguare – je bunter, je vielfältiger, je vielstimmiger, desto besser.

Der Markt lieferte früher ausreichende Vielfalt. Von der Nationalzeitung über Welt, FAZ, Süddeutsche und Frankfurter Rundschau bis zur Roten Fahne gab es den geforderten Urwald. Wo die Technik hohen Aufwand erforderte und damit eine immense Hürde für den Zugang darstellte, so wie früher beim Fernsehen, sorgte das Verfassungsgericht dafür, dass die Vielfalt künstlich entstand indem sie eine demokratische Kontrolle des Programms vorschrieb, eine Art Parlament der „gesellschaftlich relevanten Gruppen“, die dafür sorgen sollten, dass der Rundfunk nicht einer Interessengruppe oder gar dem Staat ausgeliefert wird.

Der Geist dieser Vorschriften ist klar. Er ist zutiefst demokratisch. Man kann, darf und sollte aus vollem Herzen dahinter stehen. So ist das gut und richtig gedacht.

Die Realität war und ist aber, dass immer mehr Printmedien immer weniger Verlegern gehören und dass vor allem die Parteien ständig versuchen, die Kontrolle über die Rundfunkanstalten zu erhalten. So entsteht von selbst eine ungute Konzentration der Presse und Parteienfunk, es bedürfte einer konstanten Anstrengung, um den Laden in Schuss zu halten. Aber die  gibt es nicht. Es ist eine Situation ähnlich wie in der Weimarer Republik, die eine Demokratie war, in der es wenig Demokraten gab und die daran zugrunde ging, dass sie niemand erhalten wollte.

Bei der Presse stirbt die Artenvielfalt aus wirtschaftlichen Gründen ab, wie in einem gerodeten Urwald, der zur Palmölplantage wird. Die Presse ist todgeweiht, ihr Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr, seit das Internet die Anzeigeneinnahmen ins Bodenlose hat fallen lassen.

Aber der Niedergang hat auch mit Mentalitäten zu tun. In den Medien gibt es zu wenige Chefredakteure, die den Meinungskampf als Mittel und Zweck begreifen und seine Existenz schätzen, es gibt weit öfter zähneknirschende „Toleranz für Andersdenkende“ und viel zu viele, die als Politikersöldner um die „Luftherrschaft über den Stammtischen“ kämpfen. In Deutschland sind sich Politiker und Journalisten in den Absichten zu ähnlich, um ihre jeweiligen Aufgaben gut zu erfüllen.

Journalisten sollten abweichende Meinungen nicht tolerieren, sondern lieben. Ihr natürlicher Ort ist idealerweise zwischen allen Stühlen, nicht auf dem Schoß der Mächtigen.

Die Realität ist ganz anders. Das hat Ursachen. Insbesondere in den Rundfunkanstalten macht niemand Karriere, weil er oder sie der schärfste Jagdhund ist, der oft und wirkungsvoll Beute gemacht hat. Um Chefredakteur zu werden, muss man diplomatisch geschickt sein und es sich möglichst nie mit den Alpha-Tieren und Elefanten verscherzt haben. Man muss durchkommen, dabei nicht anecken und sich von den vorherrschenden Windverhältnissen in Stromlinienform bringen lassen.

Das aber ist das Gegenteil der Berufsbeschreibung eines guten Journalisten.

Es ist also auch ein Problem des Auswahlverfahrens. Statt die leitenden Journalisten vom Publikum und den Journalistenkollegen wählen zu lassen, werden sie von parteiendominierten Gremien oder Besitzern von Zeitungen bestimmt. Diese Umweltbedingungen steuern den evolutionären Anpassungsprozess in den Redaktionen. Was dabei herauskommt, können wir jeden Tag besichtigen. Serienmäßig werden da keine Königstiger wie Peter Scholl-Latour produziert, sondern Schoßhündchen. Und statt eines lebensstrotzenden Urwaldes ähnelt die Medienlandschaft zunehmend einem Friedhofsparkplatz.

Die Vielfalt der Meinungen in der Bevölkerung ist deutlich größer als die Vielfalt der Meinungen in den Medien. Man könnte auch sagen: der derzeitige Journalismus stellt eine eigenständige, verengte Spartenmeinung dar, die sich durch vorauseilenden Gehorsam für einen gefühlten Konsens hervortut.

Dieses Versagen der Medien hat existenzgefährdende Konsequenzen für die freiheitlich demokratische Grundordnung, wozu ich im zweiten Teil meines Kommentars kommen werde.

Was hier noch zu sagen ist: KenFM ist keine Verfallsform des Journalismus, wie die etablierten Medien behaupten. Der Verfall, den sie anprangern, sind sie selbst.

KenFM hingegen ist die bitter nötige Ergänzung einer vermodernden Medienlandschaft, ein Lebenszeichen der Demokratie. Wir brauchen mehr solche zarten und dornigen Pflänzchen der Unbotmäßigkeit, des kritischen Diskurses und der alternativen Sichtweisen. Wir brauchen mehr rückenmarksgetriebenen Rythm und Blues und weniger Easy-Listening Fahrstuhlmusik in Dolby Surround.

In Gedenken an Rudi Dutschke – Schaffen wir zwei, drei, viele KenFM!

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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