Die Kriege-Macher

Seit Jahrhunderten nutzen die Eliten ihr Wissen um die Manipulierbarkeit des menschlichen Geistes, um Feindbilder zu kreieren und Kriege zu führen. Teil 1/2.

Von Jens Wernicke.

Hinweis zum Rubikon-Beitrag: Der nachfolgende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Rainer Mausfeld aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

1. Einleitung

„Den Krieg als ethnischen Konflikt zu erklären, ist gleichbedeutend mit der Erklärung eines vorsätzlich gelegten Brandes durch die Entzündbarkeit des verwendeten Materials, statt nach demjenigen zu suchen, der das Streichholz drangehalten hat“ (3).

In den letzten zwei Jahren sind in einigen linken Periodika wie der Konkret oder den Blättern für deutsche und internationale Politik, aber auch in der Tagespresse Neuigkeiten über die Eskalation des Krieges im Kosovo erschienen, die die damalige Politik der internationalen Gemeinschaft und der Bundesregierung in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lassen.

So wurden beispielsweise Informationen zum tatsächlich nicht vorhandenen Völkermord und dem wahrscheinlich gestellten Massaker in Racak durch Außenminister Fischer zurückgehalten (4) und waren die unannehmbaren Forderungen (5) der westlichen Alliierten an die Jugoslawische Delegation im Annex B des Vertrages von Rambouillet (6) in der Abstimmung über die Beteiligung der Bundeswehr an Luftschlägen der NATO am 25. Februar 1999 nicht einmal den Bundestagsabgeordneten bekannt (7).

Obwohl die OSZE-Mission im Kosovo auf der Basis des Holebrook/Milosevic-Abkommens vom 13. Oktober 1998 zeitweise einen Rückzug der jugoslawischen Sicherheitskräfte in die Kasernen erreicht hatte, wurde dieses Unternehmen von den einzelnen Mitgliedsstaaten der OSZE dermaßen vernachlässigt, dass das von Milosevic zugesagte Kontingent von 2.000 Beobachtern für den Kosovo nie ausgefüllt werden konnte (8).

Einige dieser „Neuigkeiten“ sind jedoch auch bereits vor und während des Krieges zugänglich gewesen (9). Die Sichtweise der Bundesregierung, sie habe „nun wirklich alles versucht, um Belgrad eine Brücke zu bauen“ (10), wie Außenminister Fischer zwei Tage nach Kriegsbeginn im Bundestag verkündete, kann — nur leider viel zu spät — mit entsprechenden Tatsachen belegt inzwischen plausibel widerlegt werden (11).

Es ist müßig, zu spekulieren, was passiert wäre, wenn die oben genannten Tatsachen und ernst zu nehmenden Vermutungen wenigstens innerhalb der Friedensbewegung oder in Kreisen einer eventuell kritischen Öffentlichkeit bekannt gewesen wären. Sicher ist jedoch, dass bei einigen entscheidenden Ereignissen der Eskalation des Kosovokonfliktes die in der Öffentlichkeit wahrgenommene Realität massiv von Ergebnissen späterer Untersuchungen derselben Ereignisse abweicht. Es sollte sich also gerade nach diesem Krieg die Frage nach den möglichen Mechanismen, die solch eine Realitätslücke in der Kriegsberichterstattung bewirken und bewirken können, stellen.

Während die Diskussion über die Rolle der Medien im Kosovokrieg erst begonnen hat, gibt es, was die vorherigen Kriege in Ex-Jugoslawien und 1991 im Irak betrifft, inzwischen eine Fülle an Medienanalysen und selbstkritischen Beleuchtungen von Auslandskorrespondenten über ihre Rolle als Kriegsberichterstatter — und sind hierbei ähnliche Methoden der Medien-Instrumentalisierung wie im Kosovokrieg zu erkennen: Massaker wurden inszeniert, Untersuchungsberichte nicht veröffentlicht und Verdachtsmomente etwa zu Kriegsverbrechen wurden mit Vermutungen und einer Feindbild-Schablone anstatt mit einer genauen Untersuchung belegt.

Die vorliegende Forschungsarbeit bedient sich bei ihrer Suche nach möglichen Ursprüngen solcher und anderer „Realitätslücken“ — hierunter versteht sie die Differenz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit — in den entsprechenden Kapiteln daher vornehmlich Beispielen aus den Kriegen in Ex-Jugoslawien und im Irak (1991).

Vom Zentrum Individuum aus folgt sie Schritt für Schritt der menschlichen Wahrnehmung nach und versucht, zur Manipulation derselben instrumentalisierbare Mechanismen und Anfälligkeiten offenzulegen.

Oder, um es in der semiotischen Betrachtungsweise Charles Sanders Peirces (12) auszudrücken: Diese Forschungsarbeit untersucht die dreistellige Relation zwischen einem Gegenstand (Mittel), einem Zweiten (Objekt(bezug)) und einer Verknüpfung mit einem Dritten (Interpretation) (13). Ein Ereignis, dessen Vermittlung und Rezeption sowie die hieraus resultierende Wertung durch und Bedeutung für den Menschen also. Wobei sie jedem Teil dieser Relation Manipulierbarkeit unterstellt.

Kapitel 1 (Menschliche Wahrnehmung) betrachtet den Menschen und seine Wahrnehmung der Welt — als auch das Selbstverständnis von Manipulierbarkeit, das diesem „Dualen System“ von Anfang an immanent ist.

Kapitel 2 (Menschliche Manipulation) fasst instrumentalisierbare Mechanismen zur Manipulation der menschlichen Wahrnehmung unter dem Begriff der „Propaganda“ zusammen — und klärt über (einige) Formen und Medien derselben auf.

Kapitel 3 (Propaganda und Demokratie) behandelt die Demokratie als auch die Selbstverständlichkeit von Wahrnehmungs-, also Meinungsmanipulation in ihr.

Kapitel 4 (Propaganda und Medien) schließt hieran an und beleuchtet die Rolle der Medien in einem Regierungssystem, in dem die öffentliche Meinung das Handeln des Staates bestimmt. Beleuchtet, dass auch in den Medien Propaganda längst eine Selbstverständlichkeit ist.

Kapitel 5 (Propaganda und Krieg) spannt anhand aller bisher gewonnenen Erkenntnisse den Bogen zurück — und reflektiert anhand von Geschehnissen aus dem Krieg.

Kapitel 6 (Schlussbetrachtungen) schließlich versucht, anhand aller Erkenntnisse, Wege zur intellektuellen Selbstverteidigung — sowohl für die Krisenberichterstattung als auch die Medienendnutzer — aufzuzeigen.

Thesen dieser Arbeit sind:

  • dass das, was wir als Wirklichkeit empfinden, nicht die Wirklichkeit, sondern einzig unsere Wahrnehmung derselben ist (Kapitel 1).
  • dass es unzählige Wissens- bzw. Wahrheitsfilter zwischen tatsächlicher Wirklichkeit und unserer Wahrnehmung derselben gibt, die über die Beeinflussung unserer Wahrnehmung unsere Meinung der Wirklichkeit gegenüber manipulieren (Kapitel 1 bis 6).
  • dass uns solche Meinungsmanipulation tagtäglich umgibt. Ja, dass sie sogar ein elementares Instrumentarium in Demokratie und Medienlandschaft ist (Kapitel 3 und 4).
  • dass die Journalisten der Presse, welche der Wahrheit verpflichtet sind, ihre Kontrollfunktion der demokratischen Politik gegenüber unlängst kaum mehr wahrzunehmen vermögen (Kapitel 4 und 6).
  • dass die Demokratie selbst, zumindest zu Kriegszeiten, nicht durch das Volk, sondern durch Eliten beziehungsweise PR-Gurus, so genannte „Spin Doctors“, kontrolliert wird, da diese über die notwendigen Mittel und die notwendige Macht verfügen, des Volkes Meinungen zu kontrollieren (Kapitel 1 bis 6).

2. Menschliche Wirklichkeit

„Die Welt ist wie und was sie ist. Kinder nehmen die Welt so wahr. Erwachsene haben den Schwerpunkt ihres Lebens in den Kopf verlagert und wollen alle Dinge zuordnen. Dabei geht das Gefühl verloren. Und dann machen sie sich irgendwann in einer Therapie auf die Suche nach dem ‚inneren Kind‘“ (14).

Wenn wir über die Welt sprechen, darüber, wie sie funktioniert und ist, über die Welt oder Teile von ihr, sollten wir uns darüber bewusst sein, dass das, worüber wir reden, nicht zwingend die Wirklichkeit, sondern einzig unsere Wahrnehmung derselben ist. Denn unsere reale Umwelt ist insgesamt zu groß, zu komplex und auch zu fließend, um von uns direkt erfasst zu werden. Wir sind als Menschen nicht dazu ausgerüstet, dass wir es mit soviel Subtilität, mit so großer Vielfalt, mit so vielen Verwandlungen und Kombinationen, schier endlosen möglichen Wahrheiten zugleich, aufnehmen könnten.

Obwohl und gerade weil wir uns jedoch in der wirklichen Umwelt bewegen müssen, müssen wir diese in unserem Geiste zuvor in einem einfacheren Modell rekonstruieren, ehe wir mit ihr umzugehen vermögen. „Um diese Welt zu durchwandern, müssen die Menschen Karten von dieser Welt haben“ (15). Und in diesen Karten, dieser ihrer Fiktion der wirklichen Welt, bewegen die Menschen sich dann.

Wir leben also nicht in der Welt, wie sie wirklich ist, sondern in unseren Meinungen und Vorstellungen, unserer Fiktion von ihr. So sind beispielsweise die Völker zweier Staaten, die einander bekämpfen, stets beide davon überzeugt, in Selbstverteidigung zu handeln. Und die verschiedensten politischen Parteien davon überzeugt, für das Gemeinwohl zu sprechen. Diese Menschen leben in derselben Welt, jedoch in verschiedenen Fiktionen von ihr.

Dass wir in unseren Fiktionen der wirklichen Welt leben, bedeutet auch:

„Meistens schauen wir nicht zuerst und definieren dann. In dem großen blühenden, summenden Durcheinander der äußeren Welt wählen wir aus, was unsere Kultur bereits für uns definiert hat, und wir neigen dazu, nur das wahrzunehmen, was wir in der Gestalt ausgewählt haben, die unsere Kultur für uns stereotypisiert hat“ (16).

Unsere Wahrnehmung der Welt ist also stereotypisiert; wir nehmen selektiv, „in Schubladen“ wahr. Meist „definieren“ wir zuerst — das, was unser Stereotypenmodell hierfür bereits vorgesehen hat — und schauen dann. Sehen, was uns als das Wahrscheinlichste bzw. Glaubwürdigste erscheint und schließen so von vorn herein bereits einen Teil der Wahrheit und Wirklichkeit aus.

So nahmen die Berliner, die mich eines Tages im U-Bahnhof Frankfurter Allee zusammengekauert am Boden sitzen sahen, mich stereotyp, wohl als Obdachlosen wahr, machten einen Bogen um mich und schauten, als hätten sie Angst vor mir; bemerkten nicht, dass ich, während ich dort kauerte, Walkman hörte und ein teures Sakko trug. Diese Wahrnehmung selektierten sie aus. Und so wird auch ein kräftig gebauter Haarloser mit Baseballschläger von fast allen, die ihn erblicken, wohl eher als bedrohlich und wahrscheinlich rechtsradikal denn — und jedoch ebenso möglich — ein leukämiekranker Sportbegeisterter wahrgenommen werden.

Zwar tun wir hiermit weder ihm noch zwingend der Wahrheit genüge, doch „hierin liegt natürlich Ökonomie. Denn der Versuch, alle Dinge frisch und im Detail zu sehen statt als Typen und Verallgemeinerungen, erschöpft und kommt bei eiligen Angelegenheiten praktisch überhaupt nicht in Frage“ (17).

Auch ist ein solches Stereotypenmodell nicht neutral, nicht nur eine Methode, der unendlichen Unordnung der Wirklichkeit eine Ordnung beizubringen. Es ist ebenso die Garantie unserer Selbstachtung. Eine Projektion unseres eigenen Wertebewusstseins, unserer eigenen Stellung und unserer eigenen Rechte auf die Welt. Daher sind solche Stereotype in hohem Masse mit Gefühlen belastet. Sie sind die Festung unserer Gewohnheiten und Erfahrungen, unserer Tradition. Hinter ihnen können wir uns weiter in der von uns gehaltenen Stellung in Sicherheit fühlen (18).

Zusammenfassend lässt sich feststellen:

  1. Unsere Wirklichkeit ist stets nur unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit; unsere Wirklichkeit ist stets nur vermittelt und somit im Prozess der Vermittlung beeinflussbar.
  2. Unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit funktioniert vereinfachend und kategorisierend. Wir nehmen selektiv wahr, was unser Stereotypenmodell hierfür entsprechend ausgewählt hat. Das, was wir erwarten. Unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit ist also im Prozess der Erkenntnis selbst bereits mit Restriktionen belegt.
  3. Wer unser Stereotypenmodell beeinflussen oder gezielt ansprechen könnte, könnte auch nach einem Geschehnis und dessen Vermittlung Einfluss auf unsere Wirklichkeit, weil unsere Wertung derselben, nehmen.
  4. Unser Stereotypenmodell ist mit Gefühlen belastet. Ein Angriff auf dasselbe stellt einen Angriff auf das System unserer Weltanschauung und somit uns selbst dar. Was stereotype Wahrnehmung zusätzlich funktionalisierbar macht.

Das bedeutet im Detail, dass sich unsere „Wirklichkeit“ und somit unsere Meinung von und zu ihr auf mindestens drei Arten beeinflussen lässt beziehungsweise auf diese bereits von vorn herein beeinflusst ist:

  1. Beeinflussung der Wirklichkeit, des Ereignisses selbst (Mittel).
  2. Beeinflussung unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit zwischen dem Ereignis und dessen Rezeption, der Vermittlung also (Objekt(bezug)).
  3. Beeinflussung der Wertung und Bedeutung dieser Wirklichkeit durch Benutzung oder Beeinflussung des zur Rezeption verwandten Systems (Interpretation).

Bemerkenswert erscheinen mir hierbei die Erkenntnis, dass wir als Menschen grundsätzlich anfällig für Manipulationen an unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit sind, da wir — nicht zuletzt auch durch uns selbst und unser beispielsweise durch die Kultur beeinflusstes Stereotypenmodell — stets abhängig von der Vermittlung dieser Wirklichkeit sind, und die Vermutung, dass Meinungsmanipulation eben nicht ausschließlich am Ereignis selbst beziehungsweise der Vermittlung desselben, sondern auch direkt am Bedeutungssystem des Ereignisses anzusetzen vermag.

Nach der möglichen Beeinflussung des Ereignisses (siehe Abbildung 3: Ereignis), dessen Vermittlung (siehe Abbildung 3: Vermittlung) und dessen gezielter Ausrichtung auf unser Bedeutungssystem (siehe Abbildung 3: graue Fläche im Quadrat) also womöglich auch an der Struktur desselben direkt: beispielsweise durch Konditionierung unserer Wahrnehmung durch die uns umgebende „Kultur“ (siehe Abbildung 3: gesamte graue Fläche).

Solche „Angriffe“ auf unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit, sei es durch funktionalisierte Mechanismen zur Manipulation eines Ereignisses, der Vermittlung und Rezeption desselben oder unserer Wertung hiervon, solche Eingriffe in unsere innere Wirklichkeit, aus der dann unsere Meinungen und Werte der tatsächlichen Welt gegenüber entstehen, werden im folgenden „Propaganda“ genannt.

2.1. Das allgemeine Propaganda-Modell

3. Manipulierte Wirklichkeit

„Der Faschismus würde in Amerika nicht auf dem gleichen Wege versuchen, an die Macht zu kommen, wie Hitler es in Deutschland getan hat. Er würde sich als ‚Super-Patriotismus‘ und ‚Super-Amerikanismus‘ tarnen. Die faschistischen Politiker sind weder dumm noch naiv. Sie wissen, dass sie eine Propaganda machen müssen, die ‚ankommt‘“ (19).

3.1. Wirksamkeitsanalyse von Propaganda

Zu beachten ist auch, dass, um Propaganda sicher wirken und manipulieren lassen zu können, eine Schranke zwischen Öffentlichkeit und Ereignis errichtet, der Zugang zur wirklichen Umwelt begrenzt werden muss, bevor jemand eine Pseudoumwelt errichten kann, die er für klug oder wünschenswert hält. Denn während die Leute, die unmittelbaren Zugang zu den Dingen haben, doch noch missverstehen könnten, was sie sehen (siehe Abbildung 3: die äußere Wirklichkeit ist noch vollends präsent), kann niemand sonst absolut darüber bestimmen, wie sie die Vorgänge missverstehen sollen.

Propaganda hat also per Definition — sei es durch direkte Zensur oder eine wie in der Einleitung erwähnte Rückhaltung von Informationen (20) durch beispielsweise Außenminister Fischer — stets etwas mit Wahrheits- und somit Wissensrestriktion zu tun; könnte sie doch nicht manipulativ wirken, wenn die Menschen die „ganze Wahrheit“ zu erkennen vermögen würden (21).

Sicher wirksame Propaganda kann daher nur jene sein, welche den Rezipienten sicher und eindeutig vom zu interpretierenden Ereignis trennt. Jene also, die sich zwischen Ereignis und dessen Rezeption zusätzlich eines trennenden und vermittelnden Mediums (siehe Abbildung 4) bedient.

Schränkt sie doch die Möglichkeiten einer noch autarken finalen Meinungsbildung mehr denn beispielsweise eine manipulierende Propaganda an der direkten Relation zwischen Ereignis, Vermittlung und Bedeutung ein.

Schematisiert (siehe Abbildung 4) bedeutete eine solche „mediale Schranke“, dass die äußere Wirklichkeit auf ihrem Weg zwischen Ereignis und Interpretation zuerst durch ein Medium „wahrgenommen“ wird, welches die äußere Wirklichkeit bereits erstmalig auf eine innere Wirklichkeit reduziert, bevor diese durch den Rezipienten wieder als äußere Wahrheit wahrgenommen und erneut auf eine innere reduziert werden kann. Jedes zwischen Ereignis und Rezipienten installierte Medium stellt also grundsätzlich einen zusätzlichen Realitätsfilter dar und blockiert ein Stück mehr das „Durchkristallisieren“ von Wahrheit erster Ordnung, Wahrheit der „realen Welt“.

Wirksame Propaganda funktioniert also über die Restriktion von Realität, am besten durch Vermittlung derselben durch ein trennendes Medium.

Die wirksamste, möglicherweise perfekte Propaganda, sollte daher diejenige sein, welche zwischen ursprünglichem Ereignis und finaler Rezeption so viele „mediale Schranken“ wie möglich etabliert und jeweils (zwischen ursprünglichem Ereignis und Medium sowie zwischen Medium und finaler Rezeption) die Gesamtrelation von Ereignis, Vermittlung und Bedeutung möglicherweise auch durch Manipulation des Stereotypenmodells selbst manipuliert.

3.2. Vorhandensein von Propaganda

Beim Begriff „Propaganda“ denkt man heutzutage zuerst und meist ausschließlich an den Nationalsozialismus und vergisst — beziehungsweise weiß nicht —, dass es diese in ihrer politischen, also meinungsbildenden Form, bereits gibt, „seitdem sich die Menschen zu sozialen Gemeinschaften zusammengeschlossen haben“ (22); weil es ebenso in der Natur der Menschen liegt, verschiedene Meinungen zu verschiedenen Themen zu haben wie auch, die eigene stets für die beste zu halten und deshalb zu versuchen, sie gegen andere Meinungen durchzusetzen und andere Menschen von ihr zu überzeugen.

Propaganda ist also keineswegs eine Erfindung des 20. Jahrhunderts; sie war vielmehr schon immer existent in jeder Gesellschaft und Gesellschaftsform. Verändert haben sich im Laufe der Zeit nur ihre Methoden, ihre Medien und ihre Form.

3.3. Methoden der Propaganda

Um wirksam Propaganda zu betreiben, also nachhaltig Meinungen manipulieren zu können, muss man versuchen, die Psyche derer zu verstehen, die beeinflusst werden sollen.

Will man über einen der im vorigen Kapitel erwähnten Zugänge zu unserer Innenwelt auf die Wahrnehmung und Meinungsbildung anderer gezielten Einfluss nehmen, sind daher die folgenden Methoden einer Beeinflussung der menschlichen Psyche von besonderer Relevanz (23), sprechen diese doch (auf der Ebene der Vermittlung) gezielt das stereotype Rezeptionsmodell des Rezipienten an und zielen damit (auf der Ebene der Bedeutung) auf ganz bestimmte Interpretationen der Wirklichkeit ab:

  1. Das metaphysische Element: Der Sinn für das Gute, Wahre und Schöne.
  2. Urhoffnungen und Urängste
  3. Persönliche Interessen: Verlockungen und Versprechungen bleiben bei den meisten Menschen nicht ohne Wirkung. Propaganda hat ihr Ziel dann erreicht, wenn ihre Opfer an eine Verbesserung ihrer eigenen Situation glauben.
  4. Gemeinschaftstrieb
  5. Freiheitstrieb

Da sich seit Ende des 19. Jahrhunderts die Propaganda zunehmend weniger auf ein einzelnes Individuum oder eine kleine Gruppe denn (aufgrund neuer technischer Entwicklungen und Möglichkeiten) immer mehr auf ein immer größer werdendes Publikum, kurz: „die Masse“, bezieht, werden für sie zusätzlich auch die in dieser Masse geltenden Regeln relevant:

„In der Hauptsache wurde immer noch die Wahrnehmung gemacht, dass der einzelne als Teil der Masse intellektuell herabgemindert, aber gefühlsmäßig gesteigert wird. (…) Sie sind ganz besonders triebhaft, wandelbar und erregbar, urteilen meist oberflächlich und nicht logisch, ja unlogisch. Sie verallgemeinern, denken in Bildern und lassen sich durch Bilder am ehesten beeinflussen. Alle ihre Gefühle sind einfach, eindeutig und überschwänglich, was ihre Unduldsamkeit erklärt. Dadurch, dass sie das Unwirkliche, das Wunderbare dem Realen, Wirklichen vorziehen, sind sie extremen Gefühlen ausgeliefert: Zuneigung wird schnell zur Anbetung, Abneigung zum Hass“ (24).

Diese besonderen Eigenschaften einer Masse sind es, die die „Massenpropaganda“ unlängst wohl zum effektivsten Mittel der Meinungsbildung erhoben haben. Wobei sich diese hauptsächlich dreier Methoden bedient (25):

  1. Behauptung: Massenpropaganda arbeitet vor allem mit einfachen, aber in kategorischer Art und Weise vorgetragenen Behauptungen.
  2. Wiederholung: Durch Wiederholung der Inhalte — womöglich mit den gleichen Schlagworten — bildet sich in der Masse eine gewisse Stimmung, eine Art geistige Strömung.
  3. Übertragung: Die Übertragung der Inhalte, dieser Effekt der psychologischen Ansteckung muss stattfinden, damit Propaganda funktioniert. Verstärkt wird der Übertragungsprozess durch den Wunsch, sich der Masse „anzuschließen“, dazuzugehören.

Auch diese Praktiken manipulieren die Relation zwischen Vermittlung und Bedeutung einer Realität, eines Ereignisses, greifen jedoch, wie vormals (siehe Ende Kapitel 2) bereits vermutet und unterstellt, noch weitgehender in unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit ein, zielen sie doch direkt auf eine Konditionierung, wenn nicht „Programmierung“ unseres Stereotypenmodells ab.

3.4. Medien der Propaganda

Genauso verschieden wie die Elemente der von Propaganda angesprochenen menschlichen Psyche und die Methoden der Propaganda selbst sind auch die möglichen (technischen wie nicht-technischen) Medien, also Vermittlungsinstanzen, welcher diese sich bedient. Zu den wichtigsten hierbei zählen die folgenden (26):

  1. Das gesprochene Wort, die Rede: Trotz des technischen Fortschritts zählt auch heute die Rede noch zu den wichtigsten Propagandamitteln mit höchster Überzeugungskraft. Unter anderem wurde Propaganda auch mit Theater und Musik gemacht, welche eng mit dem gesprochenen Wort verbunden sind. Im 20. Jahrhundert spielte das Wort über den Rundfunk eine entscheidende Rolle.
  2. Bilder: Bilder wurden vor allem dazu benutzt, um komplexe Sachverhalte einfach dazustellen und so an die Bevölkerung zu vermitteln, die lange Zeit nicht in der Lage war, zu lesen und zu schreiben. Besonders interessant wurden Bilder im 20. Jahrhundert, als man begann, sie mit technischen Hilfsmitteln — später besonders mit dem Computer — zu manipulieren und sie so für die Meinungsbildung einzusetzen (27).
  3. Schrift: Zu einem der mächtigsten Propagandamittel wurde die Schrift erst mit der Erfindung des Buchdruckes, der Geschriebenes einer großen Anzahl von Menschen zugänglich machte — sofern sie imstande waren, zu lesen.
  4. Film und Fernsehen: Eines der mächtigsten, wenn nicht das mächtigste Propagandamittel des 20. Jahrhunderts überhaupt war neben dem Rundfunk und späteren Fernsehen der Film, welcher am Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Siegeszug startete. Der Propagandafilm bedient sich derselben Teile der menschlichen Psyche, ist jedoch besser als jedes andere Medium in der Lage, die gewünschten Inhalte effektiv auf die Rezipienten zu übertragen und so seinem Ziel, nämlich Rezipienten so zu beeinflussen, dass sie einen bestimmten Standpunkt vertreten, näher zu kommen. Dies erreicht er durch seine didaktische Natur und seine Voreingenommenheit, durch seine manipulativen Bilder, durch Montage und besonders in Dokumentationen durch den Begleitkommentar eines Sprechers. Dabei spielt der Propagandafilm mit weiter oben angeführten Emotionen wie Angst, Sympathie und Erregung und spricht so auch direkt das Stereotypenmodell unserer Wahrnehmung an.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es gezielte Meinungsbeeinflussung schon immer und in jeder Gesellschaftsform gab. Und zwar auf verschiedenste Bereiche der menschlichen Psyche abzielend, in verschiedenster Form und unter Zuhilfenahme der verschiedensten Medien hierbei.

Da heute jedoch die Prozesse der „klassischen“ (nationalsozialistischen oder kommunistischen) Propaganda, bei welcher noch der Inhalt kennzeichnend für die politisch kontrollierte Medieninstitution und der Kommunikationsfluss von der Propagandastelle aus bedingt waren, in Demokratien zumeist ausgehebelt sind, muss sich die Analyse von Propaganda unlängst auf subtilere und verdecktere Funktionsweisen einstellen. Denn würde heutzutage institutionelle Propaganda aufgedeckt, wäre dies ein Skandal, der beispielsweise jenen Vorwand, aus dem seit jeher von westlicher Seite aus Kriege geführt werden, symbolisch untergräbt: Die Werte und Prinzipien unserer Demokratie.

Propaganda muss daher heutzutage als Effekt verschiedenster, oft schwer zugänglicher, politisch, wirtschaftlich und militärisch abhängiger Produktions- und Erkenntnisbedingungen von Nachrichten sowie der verzerrenden Prozesse, die ein Ereignis zur Nachricht machen und nachhaltig unser aller Weltbilder prägen, gesehen werden.

Nachdem wir in den letzten beiden Kapiteln den Menschen und seine Wahrnehmung der Welt als auch individuell-methodische wie individuell-mediale Möglichkeiten einer Beeinflussung derselben betrachtet haben, nähern wir uns daher in den nächsten zwei Kapiteln den konkreten menschlichen und medialen Rahmenbedingungen und Abhängigkeiten heutiger gesellschaftlicher Kommunikation, betrachten zuerst die Institution der Demokratie und dann jene eines sich in dieser befindlichen Medienkonzerns.

4. Propaganda und Demokratie (28)

„Die Völker, die vorgeben, unsere Methoden zu fürchten, werden die Methoden bald am eifrigsten kopieren“ (29).

Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die von sich behauptet, vom Volke regiert zu werden. Doch weder im alten Griechenland, in dem die „Demokratie“ entstand, noch heute wird beziehungsweise wurde diese tatsächlich vom „Volk“ regiert. Vielmehr ist von Anfang an nur einem Teil des Volkes unter Ausschluss eines anderen die Beeinflussung des Staatswesens übertragen gewesen.

So bestimmten damals unter anderem weder Sklaven noch Frauen die Staatsgeschäfte mit und finden diese auch heute noch unter Ausschluss beispielsweise Minderjähriger und entmündigter Bürger statt. Die Staatsmacht zu beeinflussen vermochte und vermag also von vornherein nicht das gesamte „Volk“, sondern nur ein Teil hiervon. Das Lenken und Steuern der Staatsmacht selbst ist sogar einem noch kleineren Teil der Gesellschaft vorbehalten: Der jeweiligen Regierung der entsprechenden Demokratie.

Da das Volk jedoch nur anhand seiner Wahrnehmung der Welt zu entscheiden vermag, welche Aufträge es seinen Regierungsvertretern erteilt, in welche Richtung es deren Handlungen lenkt, stellt sich in Anbetracht der bisher gewonnenen Erkenntnisse folgende Abhängigkeit dar: Die Demokratie wird gelenkt von der im Volk vorherrschenden Meinung — und nicht von des Volkes „Vernunft“, kennt dieses alle Wahrheiten der „äußeren Wirklichkeit“ doch nicht. So ist die Demokratie also abhängig vom Volk, dieses jedoch wiederum von der fiktiven, weil stereotyp wahrgenommen Welt, in der es lebt und die es für die wirkliche hält — und diese Fiktion wiederum von ihrer Vermittlung, das heißt auch abhängig von möglichen Manipulationen, Selektionen und so weiter und so fort.

Schon Walter Lippmann (30) schrieb 1918 in seinem Buch „Die Öffentliche Meinung“, dass, entgegen aller anderweitigen Annahmen, die gezielte institutionelle Propaganda in der Demokratie alles andere als ausgestorben sei, ermögliche sie doch die direkte Einflussnahme auf sie (31):

„Wie die Öffentliche Meinung eigentlich entsteht — dieser Vorgang ist sicherlich noch komplexer, als es hier scheinen mag, und die manipulativen Möglichkeiten (…) liegen auf der Hand. (…) Die Kunst des Herbeiführens von Konsens galt eigentlich mit dem Aufkommen der Demokratie als ausgestorben. Sie ist aber nicht ausgestorben. Sie ist vielmehr technisch sehr verbessert worden, stützt sie sich doch heute auf Analysen statt auf Faustregeln. Und so hat die psychologische Forschung, im Verein mit der modernen Kommunikationstechnik, der Demokratie eine neue Wendung gegeben.

Hier findet eine Revolution statt, die viel bedeutsamer ist als jede ökonomische Machtverschiebung. Die Generation, die heute an den Schalthebeln sitzt, hat es erlebt, dass aus der Überredung eine bewusste Kunst und ein anerkanntes Organ der Volksregierung geworden ist. Auch wenn niemand von uns auch nur im Geringsten die Konsequenzen daraus abschätzen kann, so kann man wohl ohne Risiko prophezeien, dass das Wissen, wie man Konsens schafft, jede politische Überlegung verändern und jede politische Prämisse beeinflussen wird.“

Auch liegen, so Noam Chomsky (32), die wesentlichen Entscheidungen über das, was in unserer kapitalistischen Demokratie geschieht — Investitionen, Produktion, Distribution et cetera — in den Händen eines Netzwerkes aus großen Konzernen, Multis und Finanzunternehmen, welches auch die Inhaber der wichtigsten Regierungsämter stellt, in den Händen derer also, die über Reichtum und Macht verfügen. Diese Finanz-Elite besitzt auch die Medien — oder aber sie hat zumindest großen Einfluss auf sie (33):

„Sie (die Konzerne, Multis und Finanzunternehmen) besitzen geradezu übermächtige Gewalt über unser Leben — also über das, was in der Gesellschaft passiert. Sie beherrschen das Wirtschaftsleben, schon prinzipiell und auch noch durch die Gesetze. Da sie alle Ressourcen kontrollieren und überall ihre Interessen durchsetzen wollen, unterliegt unser politisches und ideologisches System äußerst scharfen Beschränkungen.“

4.1. Das macht-demokratische Propagandamodell

So bringen Chomsky und Lippmann miteinander vereint folgendes Weltbild hervor:

  • Der Selbstlauf der kapitalistischen Demokratie führt dazu, dass immer weniger Menschen über immer mehr Reichtum und somit Macht verfügen.
  • Denen, die — relativ gesehen — die meiste Macht besitzen, ist das Wissen darum, wie man Konsens schafft, am ehesten zugänglich.
  • Wenn sie über dieses Wissen verfügen, ist es — relativ gesehen — für sie ein Leichtes, von diesem auch Gebrauch zu machen, Konsens in der Bevölkerung zu schaffen.
  • Wer gesellschaftlichen Konsens zu produzieren vermag, kontrolliert des Volkes Meinung und fiktive Realität.
  • Wer des Volkes Meinung kontrolliert, kontrolliert (über die entsprechende Regierung) direkt die Demokratie — und somit wieder den kapitalistischen und demokratischen Staat.

Oder, um es kurz zu fassen:

„Es gibt Menschen, die Macht haben. Es gibt Menschen, denen das Land gehört, und die sorgen dafür, dass sie die Kontrolle darüber nicht verlieren“ (34).

Wie auch immer man sich diesen Aussagen gegenüber positionieren mag: Je mehr man sich mit den Geschehnissen um die Inszenierungen der letzten Kriege, mit den Verstrickungen von Lobbys, PR-Firmen und Politik beschäftigt, umso klarer kristallisiert sich Wahrheit aus diesen Annahmen heraus.

So kam beispielsweise die 1973 eingesetzte Trilateral Commission, zu deren Bildung David Rockefeller — der damit die Hoffnung verband, in ihr würden „die größten Geister der Menschheit sich den Problemen der Zukunft zuwenden“ — den Anstoß gab, und deren Aufgabe (35) es ist,

  1. die Zusammenarbeit zwischen Nordamerika, Westeuropa und Japan (also den so genannten höchstentwickelten Regionen) durch den Kontakt zwischen prominenten Privatpersonen zu fördern,
  2. für ihre Mitgliedsländer eine Innen- und Außenpolitik zu entwickeln sowie
  3. das internationale System zu erneuern, um die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene globale Machtstruktur „gerechter“ zu machen,

in einer Studie über die „Regierbarkeit der Demokratien“ bereits 1975 zu dem Ergebnis, dass die Medien zu einer nicht unwichtigen neuen Machtquelle geworden sind, was auch einen „Überschuss an Demokratie“ bedeutet, der im Inland die Autorität der Regierung und folglich im Ausland den Einfluss der Demokratie sinken lässt.

Nach Ansicht der Kommission rührt diese allgemeine Demokratiekrise daher, dass bislang marginalisierte Bevölkerungsschichten sich organisieren und ihre Forderungen energischer vorbringen. Die Kommission konstatiert daher eine Überlastung des Demokratieprozesses und eine hieraus resultierende Gefährdung von dessen Funktionalität — und spricht sich insgesamt für eine „Mäßigung in der Demokratie“ aus, um den Demokratieüberschuss abzubauen und so die Krise zu meistern (36).

Liest man die Ergebnisse dieser Studie erneut und ersetzt den Begriff Demokratie durch jenen der „Macht“, ergibt sich eine neue Lesart des „trilateralen Demokratieproblems“: Die Medien von 1975 störten die Mächtigen daran, die Bevölkerung zu indoktrinieren — was sie bereits seit langem gezielt tun.

So setzt die PR-Branche beispielsweise seit Jahren gewaltige Geldmittel ein, um „dem amerikanischen Volk die wirtschaftlichen facts of life beizubringen“ (37) und so ein für die Geschäftswelt günstiges Klima zu schaffen. Ihr obliegt es, das „allgemeine Denken“ (38) zu steuern, die „einzige Gefahr, der sich unser Unternehmen gegenübersieht“ (39), wie es bereits vor 80 Jahren ein Manager des amerikanischen Telefonkonzerns AT&T formulierte.

Auch ist nicht erst seit 1947 bekannt, dass gezielte Propaganda eben auch gerade von Regierungen demokratischer Staaten zur Manipulation der Meinung des eigenen Volkes herangezogen wird. In diesem Jahr nämlich stellte ein PR-Spezialist des US-Außenministeriums fest, dass „clevere Öffentlichkeitsarbeit sich immer lohnt“. Die öffentliche Meinung „ist nicht von allein nach rechts gedriftet, sondern sie wurde — ganz geschickt — nach rechts bewegt. (…) Die ganze Welt ist nach links gewandert, hat Arbeiterparteien an die Regierung gebracht und liberale Gesetze verabschiedet — einzig die USA sind zu einem Gegner der Arbeiterbewegung und des sozialen und wirtschaftlichen Wandels geworden“ (40).

4.2. Die USA und das Soziale

Bereits damals, in den Vierzigerjahren, hatte es gewaltige, von Wirtschaft und Regierung getragene Propagandafeldzüge gegeben. Vor allem kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als eine Welle von Sozialreformen über die Erde ging. Diese „Abweichungen von der Norm“ wurden von den USA — nicht nur im eigenen Land — erbittert und weitgehend erfolgreich bekämpft.

So brach sich die Reformwelle hier an der intensiven Gegenpropaganda der Handelskammer und des Werberats, die unter Einsatz von 100 Millionen Dollar eine Kampagne über alle Medien laufen ließen, um dem amerikanischen Volk das amerikanische Wirtschaftssystem — oder was sie darunter verstanden — gut zu verkaufen. Man nannte dies „ein wichtiges Projekt, der Bevölkerung der USA die wirtschaftlichen Tatsachen des Lebens beizubringen“ (41).

Wie das führende Wirtschaftsmagazin Fortune berichtete, setzten die Großunternehmen „umfangreiche Indoktrinationsprogramme für ihre Angestellten“ (42) in Gang, in deren Verlauf sie die ihnen ausgelieferten MitarbeiterInnen in „wirtschaftlichen Fortbildungskursen“ versammelten und auf ihre Loyalität gegenüber dem System des „freien Unternehmertums“ — also auf ihren „Amerikanismus“ — testeten. Dies geschah in einem atemberaubenden Umfang und war nichts anderes als der Versuch der Unternehmer, den Demokratisierungsimpuls aus der Zeit der großen Depression zu stoppen und die ideologische Hegemonie des freien Unternehmertums wiederherzustellen.

Nach einer Umfrage der American Management Association waren für viele Wirtschaftsführer „Wirtschaftserziehung“ und „Propaganda“ zu Synonymen geworden, wollten sie doch erreichen, „dass unsere Leute richtig denken“ (43). Das Ergebnis war unübersehbar: Die USA schlossen sich im Feld der sozialen Fragen und der menschlichen Grundrechte aus der Gemeinschaft der übrigen Industrieländer aus.

Staatliche Propaganda ist jedoch nicht nur in „umfangreichen Indoktrinationsprogrammen“ zu finden, ganz im Gegenteil findet man sie — beispielsweise als gezielte Verwendung irreführender Begrifflichkeiten — täglich und überall im politischen Diskurs. Besonders beliebt ist sie in Wahlkampf und Krieg.

4.3. Die USA und die Wahl

„Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd“ (44).

So bezeichnete beispielsweise die republikanische Reagan-Regierung in beiden Wahlkämpfen, 1980 und 1984, die Demokraten als „die Partei der Sonderinteressen“, was ja etwas Schlechtes sein muss, weil wir doch alle gegen Sonderinteressen sind. Schaute man jedoch genauer hin, dann wurden sie aufgezählt: Frauen, Arme, Werktätige, Jugendliche, Alte, ethnische Minderheiten — streng genommen die gesamte Bevölkerung.

Eine Gruppe fehlte allerdings bei den Sonderinteressen: die Konzerne. Den Wahlreden zufolge lag hier selbstverständlich kein Sonderinteresse vor, vertreten diese doch nach eigenen Maßstäben das Gesamtinteresse der Nation. Denkt man es also zu Ende, dann vertritt das Volk Sonderinteressen, die Konzerne aber das Gesamtinteresse; und weil jeder für das Gesamtinteresse und gegen Sonderinteressen ist, werden diejenigen unterstützt und gewählt, die gegen das Volk eingestellt sind und für die Konzerne arbeiten (45).

4.4. Die USA und der Krieg im Irak

Und so waren die Vereinigten Staaten 1991 — unterstützt von der Presse — bestrebt, Saddam Hussein gezielt zu dämonisieren (46), um der Öffentlichkeit den geplanten Krieg besser verkaufen zu können. Nach mehreren Jahren enger diplomatischer, wirtschaftlicher und militärischer Kooperation zwischen Bagdad und Washington während des iranisch-irakischen Krieges war Saddam Hussein plötzlich ein Tyrann — schlimmer als Hitler. Neben persönlichen Beschimpfungen hatte man auch noch andere Aufhänger für die Medien. Öl gehörte von Anfang an dazu. Am 11. September 1991 erklärte George Bush:

„Wir können nicht zulassen, dass ein so lebenswichtiger Rohstoff einem so rücksichtslosen Diktator überlassen wird. Und wir werden es nicht zulassen.“

Dennoch waren große Teile der Öffentlichkeit nicht ganz überzeugt. So verfiel der amerikanische Außenminister Baker — nach vormals durch den Irak bedrohten lebenswichtigen Interessen, dem Grundsatz, dass Aggression sich nicht auszahlen dürfe und dem Vergleich Husseins mit Hitler — schließlich auf ein neues Spiel mit der Angst:

„Damit es auch der Mann von der Straße versteht, …will ich es so ausdrücken: Es geht um die Arbeitsplätze. Ein weltweiter Konjunkturrückgang, verursacht durch die Kontrolle einer Nation — eines Diktators, wenn Sie so wollen — (über das Erdöl) wird zum Verlust von Arbeitsplätzen amerikanischer Bürger führen“ (47).

4.5. Deutschland und sein Friedensbewusstsein

Auch in Deutschland wird seitens der Regierungen längst einiges unternommen, um die Kriegsbereitschaft der Menschen zu erhöhen. Ist es doch letztlich die Meinung des Volkes, die über das Zustandekommen von Kriegen und deren Dauer bestimmt.

In einem Spiegel-Interview vom 20. Juli 1992 erklärte der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe die planmäßige Art und Weise, mit der die wiedervereinigte Bevölkerung Deutschlands auf kommende Kriege eingestimmt werden soll — wurde den Deutschen zu dieser Zeit von der FAZ doch ein „tiefverwurzeltes Friedensbewusstsein“ attestiert:

„Deswegen müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Es geht auch nicht darum, die Soldaten, sondern die ganze Gesellschaft auf die neuen Aufgaben vorzubereiten. Bei Blauhelm-Einsätzen ist das schon gelungen: Zwei Drittel der Bevölkerung stimmen zu“ (48).

4.6. Die Auslagerung staatlicher PR

So nimmt denn auch die Bundeswehr inzwischen längst die Hilfe von PR-Profis in Anspruch. Dies belegt zum Beispiel ein Artikel des Werbeberaters und Geschäftsführungsmitglieds der Werbeagentur Krakow-McCann in Düsseldorf, Karlheinz Hilsheimer, in der Soldatenzeitschrift „Information für die Truppe“ (49). Die Agentur hatte schon 1988 zur Werbung von Zeitsoldaten für die Bundeswehr die Kampagne „Eine starke Truppe“ mit Anzeigen in Printmedien und Werbespots für Kino und Fernsehen durchgeführt. In dem Artikel heißt es:

„Ziel war es, Akzeptanz und Ansehen der Bundeswehr zu verbessern und einen Dialog mit dem Bürger herzustellen. Wichtig war aber auch die angestrebte Binnenwirkung, den Soldaten den Rücken zu stärken. (…) Professionelle Werbung ist darüber hinaus ein wichtiger Bestandteil im Gesamt-Kommunikationskonzept der Bundeswehr mit einer kritischen Öffentlichkeit — nicht mehr, aber auch nicht weniger.“

Die politische Konsensbildung professionellen Werbestrategen zu überlassen und eine aufmerksame Medienöffentlichkeit mit künstlichen oder zumindest verfälschten Nachrichten zu beliefern, hat in den USA inzwischen einen Namen: das „Spin Doctoring“.

4.7. Die Macht und das Marketing

In der Bundesrepublik tauchte der Begriff des „Spin Doctoring“ mehrmals in Zusammenhang mit den letzten beiden Wahlkämpfen auf, wenn es um die Kritik der Amerikanisierung der politischen PR ging. Die Inszenierung mediengerechter Auftritte von PolitikerInnen ist jedoch wohl die weitgehend harmloseste Erscheinungsform dieser Liaison zwischen „Macht- und Marketingexperten“. Von größerer Bedeutung ist die Funktion der Spin Doctors in ihrem Hauptaktionsfeld — dem Kommunikationsmanagement in Krisen- und Konfliktsituationen.

Neben militärischer und politischer PR verdeutlicht dies beispielsweise ein Auftrag, den die US-amerikanische Firma Burson-Marsteller (B&M) die mit 63 Büros in 32 Staaten als eine der weltweit größten Agenturen gilt, erhielt: Aus einem Anfang 1998 Greenpeace/Hamburg zugespielten Strategiepapier geht hervor, dass man eine mehrere Millionen Dollar teure Kampagne vorbereitet, die in Westeuropa die Vorbehalte gegen insbesondere aus den USA eingeführte genmanipulierte Nahrungsmittel eliminieren soll (50). So werden wir in den nächsten Monaten oder Jahren vielleicht Augenzeugen der „möglicherweise größten und teuersten Propaganda-Schlacht, die je geführt wurde“ (51).

B&M lieferte übrigens für die südkoreanische Regierung während der Olympischen Spiele in Seoul das PR-Konzept gegen den Vorwurf der Menschenrechtsverletzungen im Land und stand unter anderem beim rumänischen Diktator Ceaucescu unter Vertrag (52).

Es bleibt festzuhalten, dass Propaganda überall dort vorhanden ist, wo Menschen sich zu Gemeinschaften zusammengeschlossen haben, also auch in der Demokratie. Dass wirksame Propaganda und insbesondere „Massenpropaganda“ in ihren wirksamsten Arten in der heutigen, kapitalistischen Demokratie aufgrund des systemimmanenten Machtprinzips den Reichen und Regierenden vorbehalten sind und von diesen längst gezielt eingesetzt werden, um eine willfährige (Medien-)Öffentlichkeit zu der von ihnen gewünschten Meinung zu bringen. Und dass sich Reiche wie Regierende hierzu unlängst professioneller Hilfe bedienen: Der so genannten „Spin Doctors“.

Im allgemeinen Propagandamodell (siehe Abbildung 3) bedeutet dies: Unsere Wirklichkeit und somit unsere Meinung zu ihr ist nicht nur beeinflussbar durch die Relation zwischen Ereignis (rot), Vermittlung (gelb, grün, blau) und Bedeutung (die graue Fläche im Quadrat), sondern auch durch ein möglicherweise übergeordnetes System (graue Fläche außerhalb des Quadrates) wie beispielsweise jenes der Form menschlichen Zusammenlebens und sozialer Interaktion, in unserem Falle also jenem einer kapitalistischen Demokratie.

5. Propaganda und Medien

Die Wirklichkeitskonstruktion einzelner Individuen wird in der heutigen Informationsgesellschaft insbesondere durch die Medien in eigener, neuer Qualität und Quantität bedingt und beeinflusst. Nach welchen Regeln in den Medien Nachrichten, die zugleich immer Modelle der Wirklichkeit beinhalten, konstruiert werden, hat daher besondere Relevanz für die Kommunikation in Krisenzeiten und soll im Folgenden näher untersucht werden.

5.1. Das macht-mediale Propagandamodell

Die Massenmedien dienen als System zur Übermittlung von Symbolen und Botschaften an die breite Masse. Sie sollen amüsieren, unterhalten und informieren, und sie sollen diejenigen Werte, Glaubenssätze und Verhaltensregeln einflößen, die den Bürger in die institutionellen Strukturen der Gesellschaft integrieren. In einer Welt konzentrierten Reichtums und heftiger Kämpfe hierum bedarf es zu dieser Rolle einer systematischen Propaganda (53).

Solange die Macht über ein Land in den Händen einer staatlichen Bürokratie liegt, wird schon durch die monopolistische Medienkontrolle — häufig noch durch eine offizielle Zensur verstärkt — deutlich, dass die Medien den Zielen der herrschenden Elite dienen. Wo aber die Medien sich in Privatbesitz befinden und es keine formelle Zensur gibt, da ist das Wirken eines Propagandasystems viel schwieriger zu verfolgen — ganz besonders, wenn die Medien miteinander konkurrieren, in regelmäßigen Abständen Missstände in der Regierung oder im Big Business anprangern, sich also massiv als Vorkämpfer für das Recht der freien Rede und überhaupt für die Interessen der Gemeinschaft in Szene setzen. Dabei bleibt verborgen (und wird in den Medien auch nicht thematisiert), dass dieser Kritik enge Grenzen gesetzt sind und dass die Mittel, durch deren Einsatz man Zugang zu den Privatmedien gewinnen und ihr Verhalten beeinflussen kann, extrem ungleich verteilt sind.

Das folgende, an Noam Chomsky angelehnte Propagandamodell fasst diese ungleiche Verteilung von Macht und Reichtum ins Auge und ebenfalls die vielseitigen Auswirkungen dieser Ungleichheiten auf die Interessensgebiete und die Themenauswahl der Massenmedien. Das Modell zeichnet die Wege nach, über die Kapital und Macht in die Lage versetzt werden, das jeweils Druckbare herauszusieben, abweichende Meinungen an den Rand zu drängen und es der Regierung und den vorherrschenden Privatinteressen zu ermöglichen, ihre Botschaft an den Mann und die Frau zu bringen.

Die wichtigsten Komponenten des Propagandamodells oder „Nachrichtenfilter“-Sets sind:

  1. die Größe der wichtigsten Mediengesellschaften, die Konzentration und das Vermögen ihrer Eigentümer sowie ihre Gewinnorientierung (siehe Kapitel 5.2: Die Abhängigkeit von Besitz),
  2. die Werbung als Haupteinnahmequelle der Massenmedien (siehe Kapitel 5.3: Die Abhängigkeit von Werbung),
  3. die Abhängigkeit der Medien von den Informationen, die ihnen von der Regierung, der Wirtschaft und den von den Machtzentren alimentierten und approbierten „Experten“ geliefert werden (siehe Kapitel 5.4: Die Abhängigkeit von Information),
  4. „Flak“ als Mittel zur Disziplinierung der Medien (siehe Kapitel 5.5: Die Abhängigkeit von Disziplinierung) als auch
  5. der „Antikommunismus“ (beispielsweise in den USA) beziehungsweise der „Antifaschismus“ — gemeint ist hier insbesondere der dann diagnostizierte Faschismus in einem Land, wenn man gegen dieses in den Krieg ziehen will — (beispielsweise die BRD) als nationale Religion und als Kontrollmechanismus.

Diese Komponenten wirken zusammen und verstärken sich gegenseitig. Das primäre Nachrichtenmaterial muss eine Folge von Filtern durchlaufen, bis der gesäuberte, für druckbar erachtete Rest übrigbleibt. Es sind diese Komponenten, die die Grundsätze für Diskurs und Interpretation festlegen und die definieren, was überhaupt einen Neuigkeitswert besitzen soll. Aus ihnen erklären sich auch die Gründe und die Abläufe regelrechter Propagandafeldzüge.

5.2. Die Abhängigkeit von Besitz

Wir fragen nun: Was würde man von diesen Medien erwarten, wenn man relativ einleuchtende Marktverhältnisse ohne Fremdeinflüsse annimmt? Schaut man auf die Produkte, dann findet man einige wichtige Einflussfaktoren, die nichts anderes als „Realitätsfilter“ sind. Ein Beispiel hierfür sind die Besitzverhältnisse: Wem gehören diese großen Medien, die die Themen setzen — was sind sie letztlich? Was für gesellschaftliche Institutionen? In erster Linie sind es Großbetriebe, die darüber hinaus in noch größeren Konzernen bis hin zu Multis eingebunden sind — oder diesen ganz gehören.

In Amerika beispielsweise gab es 1986 sieben große Filmgesellschaften sowie jeweils mehr als 1.800 Tageszeitungen, 11.000 Zeitschriften, 11.000 Rundfunksender, 2.000 Fernsehsender, 2.500 Buchverlage. Diese werden von insgesamt 23 Großunternehmen zu mindestens 50 Prozent kontrolliert.

Es waren dies: Bertelsmann, Buena Vista Films (Disney), Capital Cities / ABC, CBS, Cox Communications, Dow Jones, General Electric, Harcourt Brace Jovanovich, Hearst, Ingersoll, International Thomson, Knight Ridder, Media News Group (Singleton), Newhouse, News Corporation Ltd. (Murdoch), New York Times, Paramount Communications, Reader‘s Digest Association, Scripps-Howard, Times Mirror, Time Warner, Tribune Company (54).

5.3. Die Abhängigkeit von Werbung

Wir haben hier also vor allem einige Großunternehmen, die ihrerseits zu noch größeren Konzernen gehören. Wie alle anderen Unternehmen bieten auch sie ein Produkt auf dem Markt an. Der Markt, das sind die Werbekunden, also andere Firmen. Was die Medien am Laufen hält, sind nicht die LeserInnen, HörerInnen oder ZuschauerInnen. Geld verdienen sie einzig und allein mit ihren WerbekundInnen, so dass sie abhängig von diesen sind.

So sehr, dass die WerbekundInnen manchmal sogar direkten Einfluss auf sie zu nehmen vermögen: „Ein Programm, das nicht auf Förderung der Wirtschaft hoffen kann, stirbt im allgemeinen schon kurz nach der Geburt“, notiert der Londoner Economist am 5. Dezember 1987, und weiter: „Die Sender reagieren inzwischen äußerst sensibel auf die empfindlichen Gefühle der Konzerne.“

Das Blatt erwähnt dann den Fall des TV-Senders WNET, der „seine Unterstützung durch Gulf & Western einbüßte, nachdem er in einem Dokumentarfilm mit dem Titel Profithunger gezeigt hatte, wie die Multis in der Dritten Welt riesige Ländereien aufkaufen.“ „Ein Freund tut so etwas nicht“, bescheinigte der Gulf-Präsident dem Sender; dieser Film sei „massiv wirtschaftsfeindlich, um nicht zu sagen anti-amerikanisch.“ Schlussfolgerung des Economist: „Es ist kaum anzunehmen, dass WNET denselben Lapsus heute noch einmal begehen würde.“ Andere ebenso wenig — die implizite Warnung genügt.

5.4. Die Abhängigkeit von Informationen

Nach dem Golfkrieg von 1991, während dessen der Presse vom ersten Tag an der direkte Kontakt mit den Soldaten verwehrt wurde, haben die Medien sich selbst auf die Schulter geklopft und Umfrageergebnisse verkündet, nach denen ca. 70 Prozent der Bevölkerung mit der Kriegsberichterstattung zufrieden waren. Misst man hingegen die Qualität der Medien daran, wie gut sie die Öffentlichkeit informiert haben, dann erweist sich ihr völliges Versagen.

Das Center for Studies in Communication der Universität von Massachusetts fand heraus, dass die Menschen umso weniger über die Hintergründe des Golfkrieges wussten, je häufiger sie während der Krise vor dem Fernseher gesessen hatten, und dass sie auch den Krieg umso entschiedener bejahten. Bei der Frage nach Grundkenntnissen über die Region, die Politik der USA und die Ereignisse, die zu dem Krieg geführt hatten, stellte das Forscherteam fest, dass „die auffälligsten Wissenslücken bei den Menschen solche Informationen betrafen, die die Regierungspolitik in einem ungünstigen Licht hätte erscheinen lassen können“ (55).

So fiel es der überwiegenden Mehrzahl der Befragten schwer, allgemeine Fragen zum Nahen Osten und zur Außenpolitik der USA zu beantworten; hingegen konnten 81 Prozent den Flugkörper, mit dem man die irakischen Scud-Raketen abschießen konnte, richtig benennen: die Patriot. Die Tatsache, dass die Medienkonsumenten zwar über die amerikanischen Waffen Bescheid wussten, nicht aber über die Widersprüche amerikanischer Außenpolitik, lässt es für die Forschergruppe „als naheliegend erscheinen, dass die breite Öffentlichkeit nicht etwa unwissend war, sondern selektiv fehlinformiert wird“ (56).

5.5. Die Abhängigkeit von Disziplinierung (57)

Diszipliniert werden die Medien durch „Flak“. Hierunter versteht man negative Reaktionen auf Äußerungen oder Programme der Medien. Flak kann in Form von Telegrammen erfolgen, per Telefon, durch einstweilige Verfügungen, Prozesse, Parlamentsreden, Gesetzesentwürfe oder sonstige Beschwerde-, Druck- oder Strafmittel.

Flak — vor allem, wenn sie Geld kostet und als Drohung wirksam sein soll — „können nur die praktizieren, die über Macht verfügen“ (58). Die Flak der Mächtigen kann direkt oder indirekt auftreten. Zur direkten Variante gehören Briefe oder Anrufe von Politikern an die Größen eines Medienkonzerns, die den TV-Sender um Dokumente ersuchen, die einer bestimmten Sendung zugrunde liegen, oder aufgebrachte Werbeagenturen oder Sponsoren verlangen von den Medienchefs Sendezeit für eine Gegendarstellung oder drohen Vergeltungsschläge an.

Auch wurde in Amerika bereits 1969 von Reed John Irvine, einem vormaligem Mitglied im Zentralbankrat des Federal Reserve Systemin Washington, die Organisation Accuracy in Media (AIM) gegründet (59), die in den 70er Jahren (vergleiche Kapitel 4.1: Das macht-demokratische Propagandamodell, Studie über die Regierbarkeit der Demokratien von 1975) einen spektakulären Aufstieg erlebte.

Die Einnahmen stiegen von 5.000 Dollar im Jahre 1971 auf 1,5 Millionen Dollar Anfang der 80er Jahre; sie stammen hauptsächlich von Großunternehmen, Firmenstiftungen und reichen Erben. Mindestens acht Ölgesellschaften unterstützten AIM in den frühen 80ern, und es ist beeindruckend, wie viele Bereiche der Wirtschaft unter den Sponsoren vertreten sind. AIM dient dazu, Druck auf die Medien auszuüben, damit sie den Vorgaben der Wirtschaft folgen und für eine knallharte rechte Außenpolitik eintreten. AIM drängt die Medien, sich für Kommunistenjagden zu begeistern, und prangert ihre angeblichen Unterlassungssünden an, sobald sie sich einmal nicht an die außenpolitische Linie halten. So werden sie darauf konditioniert, bei jeglichem Vorstoß gegen die Normen der rechten Vorurteile mit Ärger (und Kosten) rechnen zu müssen.

Die Mächtigen können jedoch auch indirekt auf die Medien einwirken: Sie können sich in ihren Kreisen (etwa bei ihren Aktionären oder Angestellten) über die Medien beklagen, sie können entsprechende Annoncen platzieren, sie können rechtslastige Überwachungs- oder Analyseoperationen finanzieren, die sich gegen die Medien richten. Schließlich können sie Wahlkampagnen finanzieren und damit solchen Politikern zur Macht verhelfen, die es den Medien möglichst schwer machen, „störend“ zu sein. Obgleich die Flak-Mechanismen die Medien pausenlos aufs Korn nehmen, werden sie von diesen stets gut behandelt. Sie erfahren respektvolle Aufmerksamkeit, während ihre Propagandarolle und ihre Verpflichtung auf die übergeordneten Zielvorstellungen ihrer jeweiligen Organisation kaum jemals erwähnt oder analysiert werden.

Für unser allgemeines Propagandamodell (siehe Abbildung 4) bedeuten die Erkenntnisse aus diesem Kapitel folgendes: Unsere Wirklichkeit und somit unsere Meinung zu ihr ist nicht nur beeinflusst durch die Relation zwischen Ereignis (rot), Vermittlung (gelb, grün, blau) und Bedeutung (die graue Fläche im Quadrat), sondern auch durch das übergeordnete System (dunkel-graue Fläche außerhalb des Quadrates) einer kapitalistischen Demokratie sowie das in dieser befindliche System eines Medienkonzerns (hellgraue Fläche außerhalb des Quadrates).

Jeder Teil trägt hierbei entscheidend zur Veränderung unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit und zu entsprechendem Wirklichkeitsverlust (in seinem Sinne) bei. Die beiden übergeordneten Systeme implizieren, dass unsere Wirklichkeitswahrnehmung primär — wenn nicht ausschließlich — konform mit den (Macht-)Interessen dieser beiden Systeme und somit den beiden Systemen selbst geht.

5.6. Die Propaganda-Abhängigkeiten im Krieg

Für unsere Wirklichkeitswahrnehmung zu Kriegszeiten, die „in den meisten Fällen wenig oder überhaupt keine Beziehung zu dem hatte, was wirklich geschehen war“ (60), ergeben sich, so Phillip Knightley (61), resümierend die folgenden Filtermechanismen (62):

  1. Jede Regierung will in Kriegszeiten die Medien kontrollieren, um die öffentliche Unterstützung für ihre Kriegsziele sicherzustellen.
  2. Wenn nötig, belügt die Regierung die Medien, um diese Kontrolle zu erzielen.
  3. Viele Kriegsberichterstatter schließen sich diesen Lügen aus Patriotismus, persönlicher Überzeugung oder Ehrgeiz an.
  4. Die Medienbosse schließen sich diesen Lügen ebenfalls an, weil sie — selbst in Kriegen, in die ihr eigenes Land nicht verwickelt ist — gewöhnlich davon ausgehen, dass ihren kommerziellen Interessen am besten gedient ist, wenn sie die gerade amtierende Regierung unterstützen.
  5. Wenn die Regierungskontrolle über die Medien nicht zu funktionieren scheint, wendet sich die Regierung über die Köpfe der Kriegsberichterstatter hinweg direkt an ihr Volk — mittels „Spin Doctors“, professionellen Propagandisten und Public-Relation-Gurus, um die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Es sollte daher (aufgrund des fast „kalkulierbaren“ Zusammenspiels von macht-demokratischer und macht-medialer Propagandamaschinerie), wie Philipp Knightley, der Autor des Buches „Das erste Opfer ist die Wahrheit“, bereits am 24. April 2000 formulierte, annähernd vorhersehbar sein, wie über zukünftige Kriege berichtet werden wird (63). Und bis zum heutigen Tage behielt er damit Recht:

  1. Obwohl das Recht selten auf einer Seite ist, werden die Medien diesen Krieg in den schillernden Kategorien von Gut und Böse darstellen.
  2. Die böse Seite wird dämonisiert, ihr Führer als verrückt, blutrünstig und unmenschlich dargestellt, als ein moderner Hitler.
  3. Die gute Seite wird als Retterin der Zivilisation dargestellt, humanitär, voll Sorge und Mitleid, durch die Barbarei der anderen Seite gezwungen, zu handeln.
  4. Ungeachtet der Tatsache, dass es in allen Kriegen Gräueltaten auf allen Seiten gibt, werden alte Geschichten über Gräueltaten entstaubt und recycelt. Nach dem Krieg werden viele der haarsträubendsten Geschichten wieder zurückgenommen. Während des Krieges war es nahezu unmöglich gewesen, sie zu überprüfen.

Damit die Kriegsberichterstatter nicht aus der Reihe zu tanzen vermögen und die Wahrheit erzählen, so wie sie diese für richtig halten, damit Kriegsberichterstatter also auch direkt mit beeinflusst werden können, haben die Militärs einen Leitfaden, der nach jedem Krieg aktualisiert wird, um die Nachrichten zu Kriegszeiten in Ordnung zu halten (64).

Er folgt elementaren Grundsätzen:

  • Zeige dich offen, transparent und hilfsbereit.
  • Gehe niemals zu geballter Repression oder direkter Kontrolle über.
  • Erkläre unerwünschte Nachrichten lieber für null und nichtig, als sie zu verheimlichen.
  • Kontrolliere eher die Betonung als die Fakten.
  • Gleiche schlechte Nachrichten durch gute aus.
  • Lüge nur dann unmittelbar, wenn sicher ist, dass die Lüge während des Kriegsverlaufs nicht auffliegt.

In den seltensten Fällen ist jedoch tatsächlich jemand aus der Reihe getanzt (65):

„Die meisten Berichterstatter zu fast allen Zeiten waren entweder Komplizen bei der Darstellung des Krieges in der Art und Weise, wie ich es beschrieben habe, oder waren aus vielen Gründen gezwungen, sich der Mehrheit anzuschließen. Das trifft besonders auf Kriege zu, in die ihr eigenes Land involviert ist. Eine Rechtfertigung — eine verständliche — gab Max Hastings, der Vater des Londoner Zeitungsherausgebers, ein bekannter Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg: ‚Wenn die eigene Nation im Krieg ist, wird Berichterstattung eine Erweiterung der Kriegsanstrengungen.‘ Er fügte hinzu, dass die Objektivität wieder in Mode kommen kann, wenn das Schießen vorbei ist.“

Um dieses Zusammenspiel von Macht, Medien und Marketing, also PR, soll es — in Bezug auf Propaganda — im nächsten Kapitel gehen. Anhand von Beispielen darum, wie dieses Konglomerat die öffentliche Meinung manipuliert.

6. Propaganda und Krieg

Der Krieg gegen Jugoslawien begann mit einer Lüge: „Wir führen keinen Krieg“, ließ Bundeskanzler Gerhard Schröder am 24. März 1999 in seiner Regierungserklärung die Nation wissen, vielmehr handle es sich um eine „Militäraktion“ oder nach NATO-Jargon um eine „Luftkampagne“. Die von Regierungsvertretern, PR-Agenturen und Pressestellen der kriegführenden NATO-Verbündeten zum Zweck der Kriegslegitimierung kreierten und über die Massenmedien gestreuten Begriffe wie die der „humanitären Intervention“, der „Erfolge“ (unter denen man Angriffe verstand) oder der „entschlosseneren Umsetzungen“ (worunter man stärkere Bombardements verstand) gaben ganz nach dem Motto „Wenn sie von Frieden reden, meinen sie Krieg“ den deutlichen Hinweis: Es wird Krieg geführt — in diesem Falle gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Und dies ohne internationales Mandat (66). Zugleich handelte es sich um einen „(Des-)Informationskrieg“ an der „Heimatfront“.

Diese Seite des Krieges haben wir als Nachrichtenkonsumenten und -konsumentinnen eindrucksvoll erfahren müssen. Auf nahezu allen Fernsehkanälen die gleichen Bilder, im Radio die gleichen Stimmen und in den Kommentaren der Tagespresse sich wiederholendes Vokabular und auffallend ähnliche Meinungen zur Notwendigkeit der Bombardierungen. Eine Verschwörung? Gleichschaltung? Staatliche Zensur? Oder einfach nur die bekannte Ignoranz und Oberflächlichkeit der meinungsbildenden Medienindustrie?

6.1. Der Irak-Krieg

Waren es bei der Destabilisierung von missliebigen Regierungen und der Aufstandsbekämpfung in Lateinamerika überwiegend CIA-Agenten, die durch gezielte Falschmeldungen US-Interventionen legitimieren sollten, wurde zur Vorbereitung des Kriegs gegen den Irak eine der größten PR-Agentur in den USA unter Vertrag genommen (67).

Ausgestattet mit einem Budget von 10,7 Millionen Dollar startete die PR-Agentur Hill & Knowlton 1990 einen Propagandafeldzug für die „Befreiung“ Kuwaits. Höhepunkt der in der Geschichte wohl erfolgreichsten PR-Kampagne war eine gezielte Lüge, die von der Bush-Administration und der kuwaitischen Regierung gestreut wurde. Am 10. Oktober 1990 schilderte vor dem Menschenrechtsausschuss des US-Kongresses die 15-jährige Kuwaiterin Nayirah unter Tränen die Gräueltaten irakischer Soldaten. Diese hätten in einem kuwaitischen Krankenhaus 15 Babys aus Brutkästen gerissen, auf den Boden geworfen und dort sterben lassen. Die Brutkästen seien entwendet worden.

Aus anderen Krankenhäusern wurden ähnliche Vorfälle geschildert, so dass unter anderem Amnesty International 312 auf diese Weise getötete Babys und gestohlene Brutkästen zählte (Amnesty International dementierte diese Angabe später). Präsident Bush griff die Gräuelgeschichte in seiner Kriegskampagne immer wieder auf, so dass der zunächst kriegskritische US-Senat der Intervention zustimmte und durch die mediale Aufbereitung der Geschichte auch innerhalb der US-Gesellschaft ein Meinungsumschwung zu verzeichnen war.

Im Januar 1992 wurde die Identität der jungen Zeugin enthüllt — es handelte sich um die Tochter von Saud Nasir al-Sabah, dem kuwaitischen Botschafter in den USA. Das Mädchen war von Hill & Knowlton professionell als Zeugin aufgebaut worden. Präsident der PR-Agentur war Craig Fuller, ein Bush-Anhänger, und dessen ehemaliger Stabschef. Weitere Untersuchungen ergaben, dass kuwaitische Ärzte offensichtlich gelogen hatten und die vorgeblich entwendeten Brutkästen an ihren Plätzen standen. Des Weiteren wurde recherchiert, dass Untersuchungen stattgefunden hatten, mit deren Hilfe ermittelt worden war, welche Meldungen Menschen besonders erregte. Ergebnis war, dass die befragte Bevölkerungsgruppe sehr heftig auf Baby-Gräuel reagiert hatte. Die Propagandalüge war 1992 widerlegt, der Krieg jedoch war bereits Vergangenheit (68).

Am 29. Februar 1992, dem Jahrestag des offiziellen Kriegsendes am Golf, sprach das Internationale Tribunal für Kriegsverbrechen unter Vorsitz von 21 Richterinnen und Richtern aus 16 Staaten der Welt in New York die Regierung der USA in allen 19 Anklagepunkten für schuldig. Punkt 18 der Anklageschrift lautete:

„Präsident Bush hat die Berichterstattung in der Presse und den Massenmedien systematisch manipuliert, kontrolliert, gelenkt, falsch informiert und eingeschränkt, um propagandistische Unterstützung für seine militärischen und politischen Ziele zu erhalten“ (69).

Nicht zu befinden hatte das Tribunal darüber, wieso sich eine demokratische Presse zum Handlanger einer Kriegspolitik machen lässt.

6.2. Der Jugoslawien-Krieg

Als 1992 die Brutkastenlüge publik wurde und Mensch denken mochte, „gebranntes Kind (das heißt, in diesem Fall: JournalistInnen) scheut das Feuer“, war bereits eine andere PR-Agentur damit betraut, das Image Kroatiens, Bosnien-Herzegowinas und der kosovarischen Opposition zu fördern und die serbische Position in Misskredit zu bringen.

Der Direktor von Ruder Finn Global Public Affairs, James Harff, erklärte in einem Interview, wie seine PR-Agentur diesen Auftrag anging (70):

„Das ist ganz einfach. Unser Arbeitsgerät besteht im Wesentlichen aus einer Kartei, einem Computer und einem Fax. Die Kartei enthält die Namen von einigen Hundert Journalisten, Politikern, Repräsentanten humanitärer Organisationen und Universitätsangehörigen.“

Als den größten Erfolg ihrer Kampagne beschreibt er: „Dass es uns gelungen ist, die Juden auf unsere Seite zu ziehen.“ Vor dem Hintergrund, dass Antisemitismus in Kroatien und Bosnien nicht nur ein historisches Phänomen, sondern vertreten durch die ehemaligen Präsidenten Tudjman und Izetbegovic auch im heutigen politischen Diskurs prägend ist, war dies keine leichte Aufgabe.

„Die jüdischen Intellektuellen und Organisationen hatten daher allen Grund, den Kroaten und Bosniern feindlich gesinnt zu sein. Diese Tatsachenlage umzukehren, das war für uns eine Herausforderung. Wir haben das meisterhaft geschafft, und zwar zwischen dem 2. und 5. August 1992, als die New Yorker ‘Newsday’ die Sache mit den Lagern herausbrachte. (…) Wir sind sofort auf den Zug aufgesprungen. Im Handumdrehen konnten wir die Serben in der öffentlichen Meinung mit den Nazis gleichsetzen“ (71).

Und James Harff fährt fort, dass die Medien von nun an ihren Sprachgebrauch wandelten und emotional stark aufgeladene Begriffe benutzten wie „ethnische Säuberung, Konzentrationslager und so weiter, bei denen man an Nazi-Deutschland, Gaskammern und Auschwitz denkt“ (72).

Die Aktivitäten Ruder Finns in der Republik Bosnien-Herzegowina umfassten unter anderem:

  • die Einrichtung eines „Bosnia Crisis Communication Center“ im Büro von Ruder Finn mit Kontakten zu amerikanischen, englischen und französischen Medien,
  • die Ausarbeitung eines in sich stimmigen Paketes von Aussagen und Botschaften, die in Gesprächen angewendet und ständig wiederholt werden sollten,
  • den Aufbau eines Fax-Netzes für internationale Bosnien-Berater. Zu dem Netz von Kontakten, das Ruder Finn gelegt hatte, gehörten auch humanitäre Organisationen und wissenschaftliche Einrichtungen,
  • die Formulierung und Platzierung von Leitartikeln in „New York Times“, „Washington Post“, „USA Today“ und „Wall Street Journal“.

Für die Propagandakampagne zur Unterstützung der Separationsbestrebungen des Kosovo konnte Ruder Finn somit auf reichhaltige Erfahrung und Vorarbeit zurückgreifen. Die Agentur organisierte 1995 zwei Delegationen mit US-Kongressabgeordneten in den Kosovo und vier Reisen Ibrahim Rugovas in die USA, wo er unter anderem auf Warren Christopher, Madeleine Albright und Al Gore traf.

Unterstützt wurde die Kampagne von den albanischen Gemeinden insbesondere in New York, Chicago und dem Mittleren Westen, wo die jeweiligen Kongressabgeordneten für die albanischen Bestrebungen gewonnen wurden. Über 300 Kongressabgeordnete, ausländische Politiker und Journalisten, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Nachrichtenagenturen wurden von Ruder Finn mit Informationen über die Situation im Kosovo und mit Statistiken über Gewalttaten gegen die albanische Bevölkerung versorgt — selbstredend ausschließlich aus der Sicht der Kosovo-Albaner. Als ihren Erfolg verbuchte Ruder Finn, dass bis 1995 in den wichtigsten Publikationen der USA über 250 Artikel erschienen und 43 Interviews im nationalen und internationalen Fernsehen ausgestrahlt wurden.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass nach einer Untersuchung (73) von William Dorich vom 16. Februar 1999 in den letzten sieben Jahren etwa 8.000 Artikel über Bosnien und Kosovo in der Los Angeles Times veröffentlicht wurden, wovon nicht einer dieser Artikel von einem serbischen Journalisten, Autor oder politischen Führer stammte. Dr. Alex Dragnich, ein serbischer Gelehrter, Autor von acht Büchern über die Geschichte und Politik des Balkans und früherer Kulturattaché der US-amerikanischen Botschaft in Belgrad, reichte seit 1992 zweiundvierzig Artikel bei der „New York Times“ ein, nicht einer erschien. Auf der anderen Seite wurden Serben öffentlich als „mörderische Arschlöcher“ (Richard Holbrooke), als „ungebildet und degeneriert“ (Senator Biden) oder als „Schweine“ (Kongressabgeordneter Obey) bezeichnet.

6.3. Der Informationskrieg

Die Bedeutung der Herrschaft über Informationen — insbesondere in Vorbereitung und Einstimmung auf kriegerische Aktionen — erklärte Adolf Hitler am 10. November 1938, als die Synagogen noch brannten, vor der deutschen Presse:

„Dazu war es aber notwendig, nicht etwa nun die Gewalt als solche zu propagieren, sondern es war notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuchten, dass im Gehirn der breiten Masse des Volkes ganz automatisch allmählich die Überzeugung ausgelöst wurde: Wenn man das eben nicht im Guten abstellen kann, dann muss es mit Gewalt abgestellt werden; so kann es aber auf keinen Fall weitergehen“ (74).

Nun verfügen weder die USA noch die BRD über ein institutionalisiertes Propagandaministerium. Diese Tatsache ändert jedoch nichts daran, dass der Informationspolitik weiterhin und in zunehmendem Maße Beachtung geschenkt wird. So ist nach Meinung der Medienwissenschaftlerin Elvira Claßen die militärischpolitische Informations-Intervention nie zuvor so vielschichtig und umfassend, so aggressiv und effektiv wie während dieses Krieges gewesen (75).

Eine der Lehren des Vietnamkriegs war für die US-Administration und Militärs, dass der freien journalistischen Interpretation von Bildern aus Kriegsgebieten entgegengewirkt werden muss, da die Kriegsbereitschaft der heimischen Bevölkerung dadurch unterwandert werden könne. So erklärte der NATO-Sprecher Jamie Shea die JournalistInnen kurzerhand zu Soldaten (76):

„Kosovo war der erste Medienkrieg. (…) Die Journalisten waren gleichsam Soldaten in dem Sinne, dass sie der Öffentlichkeit erklären mussten, warum dieser Krieg wichtig war. Es gehörte zu meinen Aufgaben, sie zu munitionieren, die Lauterkeit unserer Kriegsmotive und unserer Aktionen zu zeigen.“

Minister Scharping behandelte JournalistInnen ganz im Sinne Sheas wie Soldaten und forderte sie auf Pressekonferenzen auf, zu gezeigten Fotos „genau das zu beschreiben, was auch er daraus erkenne. Zwischenfragen wurden nicht geduldet. In dieser Situation erreicht der Propaganda-Apparat der Regierung eine neue Qualität“, erläutert Albrecht Reinhardt, Chef der Programmgruppe Ausland des WDR. Diese neue Qualität der Propaganda ist integraler Bestandteil psychologischer Kriegsführung. In der US-Armee heißt die zuständige Einheit Psychological Operations (PSYOPS), in der Bundeswehr „Truppe für Operative Information“ (OpInfo). Scharping als oberster Chef der Truppe handelte ganz nach deren Maxime, die in der Konzeption über die Aufgaben der OpInfo dargestellt ist:

„Massenkommunikationsmittel können Verlauf und Ausgang von Konflikten entscheidend beeinflussen. Wer über solche Mittel verfügt, wird sie zu seinem Nutzen und zum Schaden des Gegners einsetzen. Propaganda, Desinformation und Manipulation von Meinungen sind Teil des Kampfes um und mit Information. In einem Klima einseitiger Information und eingeschränkter Informationsmöglichkeit kann politische, ethnische, religiöse und anders geartete Ideologisierung bis hin zur Gewaltbereitschaft gedeihen“ (77).

Wie journalistischer Opportunismus an der „Heimatfront“ geschaffen wurde und funktionierte, wurde zum Beispiel auf der Pressekonferenz von Bundesminister Scharping am 16. April 1999 vorgeführt (78):

„Welche Konsequenzen sind denn aus der Panne von vorgestern gezogen worden?“, fragte dort ein Journalist. Mit der „Panne“ war die NATO-Bombardierung eines Flüchtlingstrecks gemeint — die Toten fanden in derlei Fällen keinerlei Erwähnung, vielmehr vermutete einer der anwesenden Journalisten hinter den Fernsehbildern ein serbisches Machwerk, als er fragte:

„Heißt das dann nicht, dass hier von Seiten der Serben Propaganda gemacht wird, Herr Minister?“

Doch so einfach konnte die Wahrheit in diesem Fall nicht verdreht werden, und auf die Frage, ob die Kriegszustimmung in der Öffentlichkeit durch Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung nicht in Gefahr gerate, antwortete Scharping:

„Ich würde Sie bitten, in einer Frage nicht eine Feststellung zu verstecken, die zurzeit niemand wirklich genau verifizieren kann. (…) Ich finde, wir sollten da alle etwas vorsichtiger sein und deshalb auch, weil wir es hier mit einer Propagandamaschinerie zu tun haben, die ihre Funktionstüchtigkeit und ihre absolute Unwahrhaftigkeit gleichermaßen schon einige Male unter Beweis gestellt hat. (…) Ich weiß um die Wirksamkeit von solchen Bildern, und vor diesem Hintergrund, so tragisch das Ganze ist, solange es nicht vollständig aufgeklärt ist, denke ich, sollten wir vorsichtig damit umgehen.“

Ein sehr guter Rat des Ministers, den er selbst wenige Minuten zuvor Punkt für Punkt mit wilden Gerüchten über angebliche Gräueltaten der Jugoslawischen Armee ad absurdum geführt hatte.

Im Zusammenhang mit Aufklärungsfotos schilderte Scharping den versammelten Journalisten und Journalistinnen Vorgänge, „die für einen normalen menschlichen Kopf extrem schwierig auszuhalten sind. Wenn beispielsweise erzählt wird, dass man einer getöteten Schwangeren den Fötus aus dem Leib schneidet, um ihn zu grillen und dann wieder in den aufgeschnittenen Bauch zu legen; wenn man hört, dass systematisch Gliedmaßen und Köpfe abgeschnitten werden; wenn man hört, dass manchmal mit den Köpfen Fußball gespielt wird, dann können Sie sich vorstellen, dass sich da einem der Magen umdreht.“

Diese an die Brutkastenlüge erinnernde Geschichte beruhte, wie Scharping selbst betonte, auf ungeprüften Erzählungen. Ebenso ungeprüft wurde insbesondere von Außenminister Fischer das vermeintliche Massaker von Racak am 15. Januar 1999 als Gräueltat der Serben in die Öffentlichkeit getragen. Er habe sich schon in vielen Kriegsgebieten aufgehalten und viel gesehen, aber Racak sei „das Schrecklichste, was er in seinem Leben gesehen habe“, erklärte vor laufenden Kameras William Graham Walker, ehemaliger Chef der OSZE-Mission im Kosovo. Auf einen schlüssigen Bericht der Untersuchungskommission zu Racak wartet die kritische Öffentlichkeit bis heute. Die Tagesthemen vom 23. März 2000 fragten dementsprechend kritisch nach Beweisen für die Ermordung von 45 albanischen Zivilisten.

Nach den Informationen der Tagesthemen ließen die Autopsieberichte des finnischen Pathologenteams die Version eines Massakers nicht zu. Währenddessen empfing William Walker Ende letzten Jahres vom UCK-Chef Hashim Thaqi eine goldene Schüssel und unter begeisterten „Walker, Walker“-Rufen die kosovarische Ehrenbürgerschaft (79).

Der oben bereits zitierter PR-Profi James Harff erklärt den Sinn von Gräuel- und Horrormeldungen:

„Es ist nicht unsere Aufgabe, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. (…) Unsere Aufgabe besteht darin, Informationen, die unserer Sache dienlich sind, schneller unter die Leute zu bringen und zu diesem Zweck sorgfältig ausgewählte Zielpersonen anzusprechen. (…) Wir werden nicht dafür bezahlt, Morallehren zu erteilen. Und selbst wenn es darum ginge, hätten wir ein ruhiges Gewissen. Denn sollten sie beweisen wollen, dass die Serben arme Opfer sind, dann versuchen sie es mal, sie werden damit ziemlich alleinstehen.“

Womit Harff vollständig Recht behielt. Nur wenige JournalistInnen hielten es während der regelmäßigen Pressekonferenzen für nötig, nach präziseren Informationen zu fragen. Der antiserbische Mainstream bestimmte das Verhalten.

Albrecht Reinhardt vom WDR resümiert:

„In diesem Klima wurden kritische Fragen nach Quellen und Belegen für Massengräber, Massaker, Massenvergewaltigungen, Deportationen und Konzentrationslagern mit der Rechtfertigung des Kriegsgegners gleichgesetzt (…) die vielleicht gefährlichste Entwicklung für den Journalismus, die aus diesem Krieg auf dem Balkan resultiert“ (80).

Die Wirkung dieser Informationspolitik wurde noch bekräftigt durch die scheinbare publizistische Vielfalt der täglichen Desinformation.

Die JournalistInnen fungierten in der Propagandamaschinerie primär nicht als die „Fälscher“ von Nachrichten, sondern vielmehr als die Verbreiter derselben. Die Prüfung auf den Wahrheitsgehalt von Meldungen, ein im deutschen Pressekodex von 1996 verankerter Grundsatz, wurde regelmäßig unterlassen zu Gunsten eines diskursiven Opportunismus. Protestaktionen, Demonstrationen und Stellungnahmen von KriegsgegnerInnen fanden keinerlei Niederschlag in den Medien, es wurde vielmehr der Abgesang der Friedensbewegung attestiert.

Über die größte Erfahrung im Bereich psychologischer Kriegsführung verfügen sicherlich die USA. Aber auch in der BRD wird wissenschaftlich an diesem Thema gearbeitet. Die Industrie- und Anlagenberatungsgesellschaft (IABG) in Ottobrunn versteht sich als Think Tank und TÜV für Informations- sowie Waffensysteme. 50 Prozent der Aufträge erhält der Betrieb mit seinen 13.000 MitarbeiterInnen von militärischer Seite. In einem Interview im November 1998 beschreibt Wolfgang Haas, Programm-Manager des Bereichs Führung, Information und Kommunikation der IABG, den Zielbereich von Informationspolitik:

„Das Ziel ist, dass man überlegene Informationen in Konflikten in allen Bereichen hat, und da spielt natürlich nicht nur die Information, die mit Hilfe der Technik gewonnen wird, eine Rolle, sondern auch die Kenntnis der psychologischen Lage des Kontrahenten und die Einflussnahme auf die Einschätzung der Situation durch die interessierte Öffentlichkeit. Das heißt, Information Warfare ist sehr stark ein Phänomen, das auch auf die psychologische Ebene zielt. Neben den technischen Einwirkungen sind also die Einwirkungen direkt auf die Psyche des Menschen, also das, was man früher als psychologische Kriegsführung und Propaganda bezeichnet hat, bedeutend“ (81).

Dass wir es auch zukünftig mit einer vermutlich noch subtileren Propaganda zu tun haben werden, kündigte General außer Dienst Klaus Naumann in einem Beitrag in der Ausgabe 11/1999 der „Truppenpraxis“ an:

„Aber es ist ja wohl richtig, dass wir nach einem solchen Konflikt feststellen: Das machen wir beim nächsten Mal besser. Denn der nächste Konflikt wird kommen.“

7. Schlussbetrachtungen

„Bei dem Krieg, den Amerika erklärt hat, weiß keiner, gegen wen man eigentlich Krieg führt. Keiner weiß, wo der Feind ist und wie der Feind aussieht. Gleichschaltung… das ist genau das richtige Wort für diese Haltung. Hier in Amerika benutzen alle Medien ausnahmslos dieselbe Sprache, kritiklos nehmen sie an, was von oben kommt, als wäre es eine Diktatur. Sie hören in den amerikanischen Medien nichts von den kritischen Stimmen. Kein einziges Wort von Kritik, nichts. Alle plappern dasselbe nach, man kann nicht mehr den Fernseher anstellen, weil man denselben Quatsch von morgens bis abends hört, dieselbe patriotische Fahnenwedelei. Die Reporter sind nicht am Kriegsort, sie sehen nichts, sie hören nichts, sie plappern nach, was die offiziellen Sprecher ihnen vorsagen. Es ist schlecht für einen demokratischen Staat, wenn er vollkommen kritiklos dasteht. Es handelt sich ja nicht nur darum, ob Unschuldige getötet werden oder nicht. Das ist eine wichtige moralische Frage, aber es gibt noch ganz andere Fragen, zum Beispiel: Ist das überhaupt eine effektive Art, Terrorismus zu bekämpfen?“ (82).

Zur „Rolle der Medien in der Demokratie“ gibt es eine Lehrmeinung. Diese hatte zum Beispiel Lewis F. Powell, Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika, im Sinn, als er feststellte, die Medien seien unverzichtbar dafür, dass das Volk die Politik wirksam kontrollieren kann. Damit kommt, wie durch die Pressefreiheit auch in unserem Grundgesetz fixiert, zum Ausdruck, dass in einer Demokratie freier Zugang zu Informationen, Medien und Gedanken herrschen muss; was für das gesamte Geistesleben gilt. Die Medien kontrollieren also im Auftrage des Volkes die Politik.

Oder besser gesagt: Sie sollten es. Wenn auch in Deutschland noch nicht in diesem Maße, lässt sich nach meinen Nachforschungen und Recherchen doch zumindest in Bezug auf Amerika feststellen, dass die dortigen Medien dies unlängst kaum mehr tun. Vielmehr sind sie so sehr abhängig von einer Reihe systemimmanenter und wirtschaftlicher Einflussfaktoren wie den Interessen ihrer Besitzer und der bereits vorherrschenden, stereotypen Meinung im Volk, dass es Regierungen und Mächtigen in den letzten Jahren ein — relativ — Leichtes gewesen ist, unter Zuhilfenahme dieser die Presse in ihrem Sinne in vollen Zügen zu funktionalisieren, sich beispielsweise mittels „Spin Doctors“ an dieser vorbei direkt an ihr Volk zu wenden, um dessen Meinung zu manipulieren und somit der Presse ihre „Rahmenbedingungen“ zu stecken, so auch diese gezielt zu desinformieren und desinformieren zu lassen.

Es bleibt festzuhalten, dass die systemimmanente und kriegstreibende Propaganda besonders im System USA, nicht viel weniger jedoch auch in unserem eigenen Land, unlängst wohl perfektioniert worden ist. Sie greift sowohl die Relation zwischen Ereignis (falsche Zeugen vor dem Menschenrechtsausschuss im US-Kongress, falsche Konzentrationslager in Serbien et cetera), Vermittlung (direkte oder indirekte militärische „Zensur“, gezielte Manipulation von Begriffen und Bildern et cetera) und Bedeutung (das gezielte Ansprechen von Ängsten, Bedürfnissen et cetera) an.

Vernachlässigt jedoch auch nicht das übergeordnete System (vergleiche Einleitung sowie Kapitel 4.1: Das macht-demokratische Propaganda-Modell: Regierungen wird Wissen vorenthalten; die Rüstungslobby verfügt über genügend Macht, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen; in einem System wirtschaftlich konkurrierender Demokratien liegt Krieg und somit Machtsicherung und -gewinn womöglich von vorn herein in Wirtschafts- und Regierungsinteresse et cetera) oder das Teil-System der Medien (vergleiche Kapitel 5.1: Das macht-mediale Propaganda-Modell: Medien müssen auf die bspw. durch „Spin Doctors“ bereits manipulierten Wahrheiten eingehen; Systeminkonformität bedroht die Existenz eines Medienkonzerns; Medien konkurrieren miteinander, was hin zu Schnelligkeit und Wahrheitsuntreue führt et cetera) (83).

Aufgrund dieser vielschichtigen Prozesse und Einflussfaktoren auf unsere Wahrnehmung der wirklichen Welt, die jeweils dazu neigen, Tatsachen zu Meinungen zu verfälschen, stellt sich (vergleiche Abbildung 4) die Frage, inwieweit wir als in diesem System und unter diesen Bedingungen agierende Rezipienten überhaupt noch in der Lage sind, die uns umgebende Wirklichkeit als solche wahrzunehmen; inwieweit sie nicht bereits, da stets entweder nicht direkt erlebt oder so vielschichtig durch die übergeordneten Systeme für uns vorstereotypisiert (vergleiche: „Meistens schauen wir nicht zuerst und definieren dann. In dem großen blühenden, summenden Durcheinander der äußeren Welt wählen wir aus, was unsere Kultur bereits für uns definiert hat, und wir neigen dazu, nur das wahrzunehmen, was wir in der Gestalt ausgewählt haben, die unsere Kultur für uns stereotypisiert hat“ (84)) längst gar nicht mehr verstandesgemäß für uns zu erfassen, aus unserem realen Ereignishorizont verschwunden ist.

Ich kann mich daher den letzten Sätzen, der abschließenden Analyse Alfred Sturmingers in seinem Buch „3000 Jahre politische Propaganda“ nicht anschließen:

„Jede Macht (die Propaganda) aber findet ihre Grenzen an der inneren Freiheit des Menschen, sich für oder gegen etwas zu entscheiden. Und mit dieser inneren Freiheit ist jeder Mensch von Natur aus ausgestattet“ (85).

Vielmehr erscheint es mir logisch, die innere Freiheit des Menschen, sich für oder gegen etwas zu entscheiden, von den Informationen, die er über seine äußere Welt zu erlangen vermag zu differenzieren.

Und betrachtet man, dass diese Informationen womöglich — in der Annahme, dass es die tatsächliche, äußere Welt in der Wahrnehmung des Menschen kaum mehr gibt — gegen Null gehen, die anderen Informationen hingegen propagandistisch aufbereitet sind, gelangt man in der Konsequenz zu dem Schluss, dass die Freiheit des Menschen, sich zu entscheiden — auch seine Vernunft — stets nur auf seiner Wahrnehmung der Welt beruhen und insofern durch diese überhaupt erst bedingt sind. Schließlich ist Freiheit etwas, dessen man sich auch bewusst sein muss.

So wird der Weg zu dieser Freiheit, der Weg zur Wirklichkeit, auch schwerlich über Wege der Bekämpfung einzelner Vorurteile, Stereotype also, der Arbeit mit und an einer marginalisierten Öffentlichkeit, systemkonformen Medien oder der Veränderung des Macht- also Konkurrenzprinzips in der kapitalistischen Demokratie zu beschreiten sein. Will man die Freiheit zurückgewinnen, um durch sie möglicherweise Kriege zu verhüten oder sich einfach für Manipulationen gefeit zu machen, empfehle ich daher einen anderen Weg; den Weg zum Ursprung zurück, zu unserem Stereotypenmodell (86):

„Widerspricht (…) (eine) Erfahrung (…) (nämlich) der Stereotype, geschieht eines von zwei Dingen. Wenn der Mann nicht mehr elastisch genug ist oder ihm ein mächtiges Interesse davon abrät, die Stereotype neu zu ordnen, schafft er den Widerspruch als eine Ausnahme, die die Regel bestätigt, aus der Welt, diskreditiert die Zeugen, findet irgendwo einen Formfehler, und es gelingt ihm, das Ganze zu vergessen. Ist der Betreffende aber noch wissbegierig und aufgeschlossen, so wird die neue Erfahrung in die vorhandene Vorstellung aufgenommen und darf diese abwandeln. Ist der Vorfall ziemlich bemerkenswert und fühlt der Miterlebende ein allgemeines Unbehagen an seinem festgelegten Denkschema, so vermag das Erlebnis ihn so tief zu erschüttern, dass er allen überkommenen Betrachtungsweisen des Lebens misstraut und normalerweise eine Sache nicht mehr dafür ansieht, wofür man sie gewöhnlich hält.“

Eben dies, die Arbeit an der Struktur unserer Wahrnehmung, unserem stereotypen System selbst, erscheint mir — da doch der Ursprung hierfür — der einzige Weg fort vom „zunehmenden Verschwinden der Wirklichkeit“ zu sein: Dass Menschen dazu veranlasst werden, ihren „überkommenen Betrachtungsweisen des Lebens“ (87), der Struktur ihrer Vorurteile und inneren Wirklichkeiten, zu misstrauen, so dass ihr Stereotypenmodell „aufgeweicht“ wird (88).

Und gerade hierzu, „ein allgemeines Unbehagen“ an festgelegten Denkschemata zu erzeugen, um so feste Betrachtungsweisen mit mehr Toleranz überschreiben zu können, das verstandesgemäß vorhandene Vermögen, „durch“ bestehende Systeme hindurch zu schauen, sich in ihnen lebend doch außerhalb von ihnen zu bewegen, zu motivieren, auch aktiv zu werden, sich der Differenz zwischen äußerer und innerer Wirklichkeit einmal bewusst zu werden, eben hierzu hofft diese Arbeit, einen bescheidenen Teil beigetragen zu haben. Oder, um es aus anderer Perspektive, der von Paul Watzlawick (89), jedoch mit gleicher Intention zu artikulieren (90):

„Es ist (…) meine Hoffnung, (…) (diese Forschungsarbeit) möge auch einen (…) Zweck erfüllen. Wie bereits angedeutet, ist der Glaube, dass die eigene Sicht der Wirklichkeit die Wirklichkeit schlechthin bedeute, eine gefährliche Wahnidee. Sie wird dann aber noch gefährlicher, wenn sie sich mit der messianischen Berufung verbindet, die Welt dementsprechend aufklären und (— sei es mittels Kriegen oder allgemein —) ordnen zu müssen — gleichgültig, ob die Welt diese Ordnung wünscht oder nicht. Die Weigerung, sich einer bestimmten Definition der Wirklichkeit (zum Beispiel einer Ideologie) zu verschreiben, die ‚Anmaßung‘, die Welt in eigener Sicht zu sehen und auf eigene Façon selig zu werden, wird immer häufiger zum ‚think-crime‘ in Orwells Sinne abgestempelt, je mehr wir uns (…) (vom Jahre 1984 entfernen).

Vielleicht kann (…) (diese Arbeit) einen bescheidenen Beitrag dazu leisten, den Blick für bestimmte Formen psychologischer Violenz (und Manipulation) zu schärfen und so den modernen Gehirnwäschern und selbsternannten Weltbeglückern die Ausübung ihres üblen Handwerkes (…) erschweren.“

Um eine solche Schärfung des Geistes und unserer Wahrnehmung jedoch überhaupt erst herbeiführen, Differenzen sichtbar und so Manipulationsanfälligkeiten bewusst machen zu können, bedarf es zuvor „tatsächlicher Wirklichkeit“, Wahrheiten also.

Und womöglich ebenso der Erkenntnis, dass die Intellektuellen der westlichen Welt aufgrund ihrer politischen Freiheit, die sie dem Zugang zu Informationen und dem freien Wort verdanken, prädestiniert zur Aufdeckung von Lügen der Regierungen und deren Handlungen im Hinblick auf Auslöser, Motive und — häufig verborgene — Absichten sind. Ihnen als privilegierter Minderheit verschafft die westliche Demokratie die Muße, das Instrumentarium und die Ausbildung, um hinter den Schleier von Propaganda und Verzerrungen, von Ideologie und Klasseninteressen — durch den allein wir die Dinge der Zeit wahrnehmen dürfen — nach der Wahrheit zu suchen.

Vornehmlich ihrer Verantwortung obliegt es daher, die Wahrheit zu benennen und die Lüge zu demaskieren, ihr Wissen über Universitäten, gegebenenfalls Medien und ganze Systeme hinaus in die Gesellschaft zu replizieren.


Redaktionelle Anmerkung: Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Forschungsprojekt aus Studienzeiten von Rubikon-Herausgeber Jens Wernicke, das im Jahr 2003 entstand.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Jan Oberg: „Covering up NATO’s Balkan Bombing Blunder (Serbo-Croatian version)“, Pres-semitteilung Nr. 61 des Friedensforschungsinstituts Transnational Foundation for Peace and Future Research (TFF) in Lund/Schweden vom 14.4.1999; im Internet unter http://www.transnational.org/pressinf/pf61serb.html, Stand: 30.11.2002
(2) Ein ausgezeichnetes Beispiel für diese Form der Darstellung artverwandter Thematik ist Peter L. Bergers und Tomas Luckmanns Buch „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ (S. Fischer Verlag, 1970); mit den Worten der Autoren „eine systematische, theoretische Abhandlung zur Wissenssoziologie“.
(3) Paolo Rumiz: Masken für ein Massaker, München 2000, Seite 35
(4) Jürgen Elsässer: Tödliche Lügen. Spitzenleistung: Im Krieg gegen Jugoslawien war die Bundesregierung an der Propagandafront international federführend, In: Konkret, Heft 05 Mai 2000; im Internet unter http://www.konkret-verlage.de/redaktion/artikel/a2Jg.php4?
para=1019, Stand: 30.11.2002 sowie Roland Heine: Europäer drängen Chef der Kosovo-Mission zum Rücktritt. OSZE-Vertreter: Kein serbisches Massaker in Racak, Berliner Zeitung vom 13.03.1999; im Internet unter http://www.berlinonline.de/wissen/berliner-zeitung/.bin/
dump.fcgi/1999/0313/politik/0070/index.html, Stand: 30.11.2002
(5) Andreas Zumach: Weitreichende Bestimmungen im Annex des Kosovo-Abkommens, taz vom 6.4.1999; im Internet unter http://www.friedenskooperative.de/themen/inter-54.htm, Stand: 30.11.2002
(6) Noam Chomsky: Zur Logik des militärischen Humanismus, Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 4/2000, Seite 423
(7) Thomas Deichmann: Wie in Deutschland Demokratie sabotiert wird. Kriegstreiberei in Rambouillet und der Pakt zwischen Politik und Medien, In: Novo, Heft 41 vom Juli/August 1999; im Internet unter http://www.novo-magazin.de/41/novo4114.htm, Stand: 30.11.2002
(8) Heinz Loquai: Die OSZE-Mission im Kosovo, eine ungenutzte Friedenschance?, Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 9/99, Seite 1118
(9) So brachte der taz-Redakteur Andreas Zumach die „Rambouillet-Lüge“ schon am 13. April 1999 und berichtete die Berliner Zeitung (Fußnote 4) 10 Tage vor Kriegsbeginn, OSZE-intern gehe man beim „Massaker“ von Racak längst von einer „Inszenierung durch die albanische Seite“ aus.
(10) Plenarprotokoll 14/31 der 31. Sitzung des Bundestages vom Freitag, den 26.03.1999, Seite 2584; im Internet unter http://dip.bundestag.de/btp/14/14031.pdf, Stand: 30.11.2002
(11) Matthias Küntzel: Der Weg in den Krieg. Deutschland, die Nato und das Kosovo, Berlin, 2000
(12) Charles Sanders Peirce (1839-1914), amerikanischer Philosoph und Physiker, wurde am 10. September 1839 in Cambridge (Massachusetts) geboren. Er lehrte unter anderem in Boston und Cambridge Logik und Philosophie. 1877 war er der erste amerikanische Vertreter beim Internationalen Geodätenkongress für Vermessungskunde. 1861 begann Peirce eine Experimentenserie mit Pendeln. Außerdem erforschte er die Lichtwellen. 1867 beschäftigte er sich mit dem von George Boole erstellten System mathematischer Logik und arbeitete bis 1885 daran, die Boolsche Algebra zu erweitern und zu verbessern. Peirce wurde vor allem durch die von ihm begründete philosophische Theorie des Pragmatismus bekannt. Dieser philosophischen Richtung zufolge liegt die Bedeutung der Dinge allein in den Wirkungen begründet, die ihre Anwendung oder ihr Gebrauch mit sich bringen. Selbst die Wahrheit einer Vorstellung kann daher durch empirische Untersuchungen ihrer Nützlichkeit herausgefunden werden. Diese Theorie entwickelten die amerikanischen Philosophen William James und John Dewey weiter. Sie hatte großen Einfluss auf die moderne Philosophie und Soziologie. Peirce gehörte auch zu den Begründern der modernen Zeichentheorie (Semiotik). Peirce starb am 19. April 1914 in Milford (Pennsylvania).
(13) Lorenz Engell: Von der Semiologie Saussures zur Semiotik Peirces, In: Manuskript der 3. Vorlesung Semiotik im Wintersemester 2001/2002 an der Bauhaus-Universität Weimar; im Internet unter http://www.uni-weimar.de/medien/archiv/ws01_02/semiotik/Semiotik03.pdf, Stand: 30.11.2002
(14) Irina Rauthmann (geboren 1958), deutsche Aphoristikerin und Lyrikerin
(15) Walter Lippmann: Die öffentliche Meinung, München 1964, Seite 18
(16) Ebd., Seite 63
(17) Ebd., Seite 67
(18) Ebd., Seite 72
(19) Orientierungsmaterial des Kriegsministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika, 24.3.1945, zitiert nach „Die Gezeichneten“, Roman von Alvah Bessie, Berlin 1959
(20) So ging dem damaligen EU-Ratsvorsitzenden Joseph Fischer am 18. März 1999, sechs Tage vor Kriegsbeginn, die von einem finnischen Pathologen-Team erstellte Gesamtexpertise zum wohlweislich inszenierten »Massaker von Racak« zu. Einzige Konsequenz: Sie wurde unter Geheimhaltung gestellt. (Matthias Küntzel: Der Weg in den Krieg. Deutschland, die Nato und das Kosovo, Berlin, 2000, Seite 10)
(21) Diesen Gedanken, dass Propaganda als mutmaßliche Begrenzung der Wahrnehmung der Wirklichkeit zur „Verschönerung“ derselben zu verstehen ist, konsequent zu Ende gedacht, definierte sich unser über Stereotypen funktionierendes System der Wahrnehmung selbst bereits als „biologisches Propaganda-System“.
(22) Alfred Sturminger: 3000 Jahre politische Propaganda, Wien/München 1960, Seite 9
(23) Ebd., Seite 10f
(24) Ebd., Seite 13
(25) Ebd., Seite 13f
(26) Ebd., Seite 15f
(27) Frank Kämpfer: Propaganda, politische Bilder im 20. Jahrhundert. Bildkundliche Essays, Hamburg 1997
(28) Dass im folgenden oftmals von der amerikanischen pauschal auch auf die deutsche Demokratie geschlossen werden wird, liegt vornehmlich daran, dass dem Autor dieser Arbeit bezüglich der Relation von Lobbys, PR-Firmen und Politik für Deutschland kaum Material vorliegend ist. Wenn jedoch sicher auch in anderem Ausmaß und auf andere Art und Weise, steht mehr denn zu vermuten, dass sich auch in Deutschland ähnliche Zustände wie in Amerika etabliert haben und sich im Zuge einer zunehmenden Amerikanisierung weiter etablieren werden.
(29) Adolf Hitler in „Mein Kampf“, zitiert nach „Die Gezeichneten“, Roman von Alvah Bessie, Berlin 1959
(30) Walter Lippmann, als Sohn deutscher Eltern 1889 in New York geboren, gehörte Jahrzehnte lang zu den angesehensten Journalisten der Welt. Seine Kommentare erschienen nicht nur in den USA, sondern auch in zahlreichen außeramerikanischen Zeitungen in Europa und Übersee. Lippmann hat mit T. S. Elliot zusammen studiert und war später Assistent des Philosophen Santayana. Roosevelt, Wilson, Kennedy und Johnson haben oft mit Lippmann konferiert, mit dem sie sich stets als einem ihnen ebenbürtigen Gesprächspartner auseinandersetzten. Sein Buch „Die öffentliche Meinung“ gehört zu den Standardwerken der Publizistik.
(31) Mark Achbar: Noam Chomsky — Wege zur intellektuellen Selbstverteidigung, Grafenau 2001, Seite 38
(32) Noam Chomsky, geboren am 7. Dezember 1928, politischer Aktivist, Sprachtheoretiker und seit 1961 Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), ist Träger von zehn Ehrendoktorwürden und etlicher anderer hoher Auszeichnungen und Preise, Mitglied der American Academy of Art and Sciences und Autor mehrerer Bestseller über Linguistik, Philosophie und Politik. Die New York Times würdigt Noam Chomsky als den bedeutendsten lebenden Intellektuellen — und beklagt zugleich seine radikale Haltung gegenüber der US-Außenpolitik. Der Zeit gilt Chomsky als „der einzige Intellektuelle von Rang, der für die eigentlich antiintellektuelle Bewegung der Globalisierungsgegner überhaupt eine Rolle spielt.“
(33) Ebd., Seite 49
(34) Ebd., Seite 58
(35) Ebd., Seite 16
(36) M. P. Crozier u. a.: The Crisis of Democracy. Report on the Governability of Democracies to the Trilateral Commission, New York University, 1975
(37) Noam Chomsky: Necessary Illusions. Thought Control in Democratic Societies, South End 1989, Seite 16
(38) Ebd., Seite 16
(39) Ebd., Seite 16
(40) Noam Chomsky: Necessary Illusions. Thought Control in Democratic Societies, South End 1989, Seite 31
(41) Noam Chomsky: Clintons Vision, Grafenau 1994, Seite 26
(42) Ebd., Seite 26
(43) Ebd., Seite 26
(44) Otto von Bismarck, ehemaliger deutscher Reichskanzler
(45) Noam Chomsky: Chronicles of Dissent. Interviews with David Barsamian, Monroe (USA), 1992
(46) Wenn in den folgenden Kapiteln zunehmend von Kriegen gesprochen werden wird, lohnt es womöglich, neben dem Wissen um Propagandamechanismen auch das Wissen darum zu haben (jeweils Noam Chomsky: Necessary Illusions. Thought Control in Democratic Societies, South End 1989, Seite 18), dass „das Militär der USA im Wesentlichen ein von der Regierung garantierter Absatzmarkt für Hochtechnologieprodukte“ ist. „Es ist kein konservatives Programm, ganz im Gegenteil. […] Reagans Programm bestand darin, den Staatsanteil am staatskapitalistischen System mit klassischen Mitteln auszuweiten. […] Praktisch bedeutet dies, dass durch Intervention der Regierung die Nachfrage nach Waffen und Hochtechnologie steigt, wodurch ein Schub ausgelöst wird. […] Entscheidend ist, dass es hier überhaupt nicht um eine militärische Bedrohung geht — in keinster Weise.“ Primär wohl eher um Profit und Machterhalt.
(47) Ramsey Clark, ehemaliger US-Justizminister: Wüstensturm. US-Kriegsverbrechen am Golf, Göttingen 1995, Seite 61f
(48) Dr. Hendrik Bullens, Fred Schmid und Linda Schneider: Kerneuropa — Keim zur Weltmacht, In: isw-report 23 vom April 1995, Seite 12
(49) Information für die Truppe. Zeitschrift für Innere Führung, Ausgabe 9/92, Bonn 1992, Seiten 29 — 33
(50) Ursel Fuchs: Propaganda Strategy of Gen-Multis leaked out, In: Genetically Manipulated Food News; im Internet unter http://www.home.intekom.com/tm_info/rw80119.htm, Stand: 30.11.2002
(51) Ebd.
(52) Carmelo Ruiz: Burson-Marsteller: PR for the New World Order, In: Genetically Manipulated Food News; im Internet unter http://www.home.intekom.com/tm_info/ge_bm.htm, Stand: 30.11.2002
(53) Edward S. Herman, Noam Chomsky: Manufacturing Consent. The Political Economy of the Mass Media, Croydon (GB) 1994, Seiten 1 — 2
(54) Mark Achbar: Noam Chomsky — Wege zur intellektuellen Selbstverteidigung, Grafenau 2001, Seite 60
(55) TV: The More You Watch, the Less You Know, In: Extra! The Magazine of FAIR — The Media Watch Group (Special Gulf War Issue, 1991); im Internet unter http://www.fair.org/extra/
best-of-extra/gulf-war-watch-tv.html, Stand: 30.11.2002
(56) Ebd.
(57) Edward S. Herman, Noam Chomsky: Manufacturing Consent. The Political Economy of the Mass Media, Croydon (GB) 1994, Seiten 26 — 28
(58) Ebd., Seite 26
(59) Ebd., Seiten 26 — 28
(60) Philipp Knightley: Das erste Opfer ist die Wahrheit: Kriegsberichterstattung unter Beschuss; im Internet unter http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/8072/1.html, Stand: 30.11.2002
(61) Phillip Knightley, Journalist und Historiker war von 1965 bis 1982 Sonderkorrespondent für die Sunday Times in London. Sein mit Preisen ausgezeichnetes Buch über Kriegsberichterstattung, erstmals 1975 veröffentlicht, trug viel zur Entromantisierung der Kriegsberichterstattung bei. Eine Neuauflage des Buches wurde jüngst unter dem Titel „Das erste Opfer: Der Kriegsberichterstatter als Held und Produzent von Mythen, von der Krim bis Kosovo“ von Proin Books in London veröffentlicht.
(62) Ebd.
(63) Ebd.
(64) Was den Militärs einen ungeheuren Vorteil der freien Presse gegenüber verschafft. Gibt es einen solch „geplanten Lerneffekt“ unter Kriegsjournalisten, die immer wieder neu in Krisengebiete entsandt werden, doch nicht.
(65) Philipp Knightley: Das erste Opfer ist die Wahrheit: Kriegsberichterstattung unter Beschuss; im Internet unter http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/8072/1.html, Stand: 30.11.2002
(66) Ulrike Kaiser: Kriegs-Parteien (Kosovokrieg). In: Journalist. Das deutsche Medienmagazin, Ausgabe 05/1999, Seiten 26 — 30
(67) Mira Beham: Kriegstrommeln, München 1996, Seiten 101 — 121
(68) Nach einem Bericht der Zeitschrift „Covert Action Quarterly“ (CAQ) vom 26. Februar 1998 (Johan Carlisle: Public Relationships: Hill & Knowlton, Robert Gray, and the CIA, In: Covert Action Quarterly, Spring 1993 Issue (Number 44); im Internet unter http://mediafilter.org/
caq/Hill&Knowlton.html, Stand: 30.11.2002) bestanden auch zwischen der Clinton-Administration und H&K engste Verbindungen. Die früheren H&K-Köpfe Howard Paster und Lauri Fitz-Pegado arbeiteten im Stab von Clinton, und der frühere Mitarbeiter des Weißen Hauses, Thomas Hoog, ist nun Leiter des Washingtoner Büros von H&K. Auch zur CIA pflegt H&K einen regen Austausch. Insbesondere Robert Keith Gray, der das H&K-Büro in Washington aufbaute und über 30 Jahre leitete hatte, verfügt laut „CAQ“ über beste Kontakte zur Führungsebene des Geheimdienstes.
(69) Mira Beham: Kriegstrommeln, München 1996, Seiten 120 — 121
(70) Merlino, Jacques: Da haben wir voll ins Schwarze getroffen. In: Bittermann, Klaus: Serbien muß sterbien, Edition Tiamat 1994, S. 153 ff
(71) Ebd., S. 153 ff
(72) Ebd., S. 153 ff
(73) William Dorich Studie im Internet unter http://www.suc.org/news/world_articles/Dorich021699.html, Stand: 30.11.2002
(74) Adolf Hitler, 1938 (vorgetragen bei der Veranstaltung ‘100 Mann und ein Befehl — Nie wieder ohne uns!’ am 23.2.2002 im Kölner Schauspielhaus)
(75) Elvira Claßen: Information Warfare. Information als Ware — Informationsmanagement als Waffe, In: antimilitarismus information 10/1998
(76) „Der Krieg und ein fauler Frieden“; ARD-Dokumentation vom 29.10.1999
(77) Europäische Sicherheit, Ausgabe Juli 1999
(78) zit. nach: www.bundeswehr.de/kosovo/pk_t_990416.htm, Stand: 1.5.1999
(79) Jungle World Nr. 46 vom 10. November 1999
(80) Menschen machen Medien, Zeitschrift der IG Medien; Nr. 7 Juli ’99
(81) Stefan Krempl: Infowar und Kriegsstrategie der Bundeswehr. Ein Gespräch mit Wolfgang Haas, Programm-Manager des Bereichs Führung, Information und Kommunikation bei der IABG; im Internet unter http://gib.squat.net/infowar/bundeswehr.html, Stand: 30.11.2002
(82) Uri Avnery, Gründer der israelischen Friedensgruppe „Gush Shalom“ und Träger des Alternativen Nobelpreises 2001, im WDR-Fernsehen in der Sendung „Polis“ vom 22.10.2001
(83) Der Widerspruch zwischen maßloser Medienpräsenz und gleichzeitig lückenloser Zensur während des Golfkrieges verwickelte die Öffentlichkeit in eine Situation, die alle Definitionsmerkmale der so genannten Doppelbindung aufweist: Infolge ihres Informationsmonopols bestand eine intensive Abhängigkeit von den Medien, die es besonders wichtig machte, deren Mitteilungen genau zu verstehen, um angemessen darauf reagieren zu können. Mit dem Anspruch, realitätshaltige Informationen zu liefern, bei gleichzeitiger Mitteilung, dass diese Informationen infolge der Zensur unglaubwürdig seien, übermittelten die Medien jedoch zwei widersprüchliche Botschaften, zu denen man wegen des Mangels an unabhängigen Informationsquellen nicht Stellung beziehen, sich aber infolge der Allgegenwart des Krieges auch nicht aus der Situation zurückziehen konnte. Untersuchungen über die Langzeitwirkungen psychologischer Folter haben gezeigt, dass die Zerstörung der Bezugssysteme durch Doppelbindungen einen Prozess der Dehumanisierung bewirkt, zu dessen Symptomen unter anderem selektive Unaufmerksamkeit, ausweichender Skeptizismus und paranoide Abwehrhaltungen gehören, welche die Fähigkeit klar zu denken beeinträchtigen und für das Leid anderer unempfänglich machen. Die Arbeitshypothese lautet, dass die Methoden der psychologischen Einflussnahme, welche den Medienalltag während des Golfkrieges prägten, nicht nur enge strukturelle Verwandtschaft mit den Methoden des psychologischen Terrors aufweisen, sondern dass sie daher (zwar in abgeschwächter Form) auch strukturell dieselben Folgen zeitigen. Diese Folgen sollten mithilfe einer Fragebogenstudie untersucht werden, welche die Autoren (Wilhelm Kempf u. a.) des Buches Manipulierte Wirklichkeiten. Medienpsychologische Untersuchungen der bundesdeutschen Presseberichterstattung im Golfkrieg von 1996 9 Monate nach Kriegsende an Studierenden der Universität Konstanz durchgeführt haben. Wesentliches Ergebnis: Das Informationsbedürfnis stieg zu Kriegsbeginn — erwartungsgemäß — steil an, fiel aber nach dem Erlöschen des Interesses und nach dem Krieg und der mit ihm einhergehenden Doppelbindungs-Desinformation so sehr und so stark unter das davor bestehende Informationsbedürfnis, dass dieser Befund durch die wieder eingetretene „Normalisierung“ allein nicht erklärt werden kann. Ohnmacht, Hilflosigkeit und Wut nach unwirksamen Aktionen wirken mit der Doppelbindungs-Desinformation ergänzend zusammen, so die Autoren. Das bedeutet konkret: Die Darstellung des Golfkrieges trug dazu bei, die Menschen vor den Bildschirmen dauerhaft für Kriege uninteressierter zu machen.
(84) Ebd., Seite 63
(85) Alfred Sturminger: 3000 Jahre politische Propaganda, Wien/München, 1960, Seite 444
(86) Walter Lippmann: Die öffentliche Meinung, München 1964, Seite 75
(87) Walter Lippmann: Die öffentliche Meinung, München 1964, Seite 75
(88) Besteht Wahrheit doch stets aus Vielseitigkeit und bedingt diese zuvor Toleranz.
(89) Paul Watzlawick, 1921 in Villach/Kärnten geboren, studierte Philosophie und Sprachen. Psychotherapeutische Ausbildung am C. G. Jung-Institut in Zürich. 1957 bis 1960 Professor für Psychotherapie in El Salvador; seit 1960 Forschungsbeauftragter am Mental Research Institute in Palo Alto/Kalifornien. Außerdem lehrte er an der Stanford University. Zahlreiche Veröffentlichungen.
(90) Paul Watzlawick: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen, München 2001, Seite 9.

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Dieser Beitrag erschien am 17.08.2019 bei Rubikon – Magazin für die kritische Masse.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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