Die Idee einer linken Sammlungsbewegung und die Realität

von Bernhard Trautvetter.

Die alternativen Kräfte, ob links-alternativ, demokratische Sozialisten, grün-alternative, sich autonom verstehende, sozialliberale DemokratInnen, menschenrechtsbewegte Solidaritäts-Initiativen und -Organisationen, AktivistInnen der Friedens- und Umweltbewegung waren schon einmal stärker.

Sahra Wagenknecht und andere reagieren darauf mit der Idee, eine linke Sammlungsbewegung über Parteigrenzen ins Leben zu rufen.

Das dahinter liegende Denken birgt die Gefahr in sich, von einer überstülpenden Logik geprägt zu sein. Im Idealfall existieren solche Bewegungen wie Graswurzeln weit über das Land und die Spektren verbreitet von unten aus und suchen nach Verbindungen, die im Sinne der Synergie ihre Kräfte verbinden, wodurch das Gesamte mehr ist, als die Summe der Teile.

Die Zeiten sind heute allerdings andere, als es während der Studenten-, Jugend- und Lehrlingsbewegung der Fall war, in deren Verlauf viele Basisinitiativen immer wieder nach überregionalen Vernetzungen drängten. Damals – um das Jahr 1968 herum – gab es sogar weltweite Vernetzungen und Kampagnen, die sich gegenseitig verstärkten. Es ging gegen den Vietnamkrieg der USA, um die Überwindung einer nachfaschistisch-autoritären Gesellschaft, gegen die Notstandsgesetze und Hetze in Boulevard-Zeitungen mit Millionenauflage, um die Rechte der Jugend – und das alles verstärkt durch einen kulturellen Aufbruch, der in der Erziehung, an den Universitäten, in der Mode und im Lebensstil, ja sogar in der Musik Raum gewann.

In den 80er Jahren entwickelte sich noch einmal eine bunte Alternativbewegung, die von der Basis her den Widerstand gegen die Atomenergie und atomare Aufrüstung entfaltete und sich für eine Friedenskultur einsetzte. Zu den großen Umwelt- und Friedensdemonstrationen kamen Friedens- und Umweltengagierte mit den unterschiedlichsten Weltanschauungen und Parteizugehörigkeiten. Es kamen GewerkschafterInnen, Unorganisierte, Menschen unterschiedlichsten Alters, Demonstrationserfahrene und Neulinge. Ihre Zahl überraschte auch die OrganisatorInnen der Friedensaktionen und brachte dieses Land auf den Weg einer gefühlten Unregierbarkeit2.

In der Tat braucht die Menschheit eine globale Bewegung, die mit langem Atem radikale Umwälzungen erzwingt. Tagtäglich sterben 150 Pflanzen- und Tierarten aus, jede Stunde gibt die Menschheit knapp 1,25 Mrd. Tonnen Kohlendioxyd in die Atmosphäre ab. Jeden Tag verlieren die Antarktis und Grönland mit wachsendem Tempo weit mehr als einen Kubikkilometer Volumen mit entsprechenden Konsequenzen für den Meeresspiegel. Jede Stunde sterben 1000 Hungernde weltweit, während täglich über 410 Millionen € in die Rüstung verbrannt werden. Hinzu kommen die ungezählten Profite der Milliardäre, die sich den gesellschaftlich erarbeiteten Reichtum privat aneignen.3

Um von den systembedingten Zusammenhängen zwischen diesen Fakten und Prozessen abzulenken, vollziehen die Herrschenden manipulierende Meinungsmache, die sie inzwischen „Strategische Kommunikation“ nennen, die von systemisch-strukturellen Zusammenhängen ablenkt und dabei mit Sündenbock-Theorien Arme und teils noch ärmere Benachteiligte spaltet oder gar gegeneinander aufbringt. Das passiert immer systematischer, wie ich bereits in meinem KenFM-Text zum humanistischen Grundkonsens2 aufzeigte, in dem ich einen Text der US-Militärs zur „Strategischen Kommunikation“ zitierte, demzufolge die Herrschenden ganz bewusst die Glaubwürdigkeit oppositioneller Kräfte untergraben.

Angesichts der Zukunftsgefährdungen sind alternative Sammlungsbewegungen einerseits notwendig, um ihre Wirksamkeit kraftvoller zu entfalten. Andererseits wird genau das aus den dargelegten Gründen schwierig: Es gibt diese von unten her wachsenden alternativen Spektren nicht so breit gestreut, dass ihr Zusammenwachsen quasi von selbst läuft. Es müsste eine katalysatorische und koordinierende Unterstützung von einer überregional wirkenden Kraft her haben, was schon oft fehlgeschlagen ist. Und es muss immun sein gegen die vergiftende Wirkung der De-Legitimierung oppositioneller Kräfte durch die herrschende Meinungsmache – die auch von NATO-Seite aus immer systematischer angewandte „Strategische Kommunikation“.

Es müssten wenigstens aus den je unterschiedlichsten Spektren wichtige Personen und Gruppen eine gemeinsame Plattform und Aktionsplanung mit Ausstrahlungskraft auf die Öffentlichkeit entwickeln.

Der Menschheit läuft die Zeit davon – der Punkt, ab dem es kein Zurück mehr in eine kontrollierbare Entwicklung der Ökosphäre gibt naht, wenn er nicht sogar schon hinter uns liegt. Selbst wenn es keine solche Chance gibt, macht nichts anderes mehr Sinn, als es zu versuchen. Denn die Geschichte lehrt, dass die Zukunft nicht vorhersehbar ist, so konkret sich die nächsten Phasen auch scheinbar abzeichnen.

Hoffnung entspringt nach Václav Havel nicht der Aussicht auf Erfolg, sondern aus dem Erlebnis, dass es Sinn macht, was wir tun…

Quellen und Anmerkungen:

1 http://www.zeit.de/1983/42/kein-kreuzritter-wider-die-macht

2 https://kenfm.de/der-humanistische-grundkonsens-und-die-strategische-kommunikation/

3 Die Zahlen habe ich teils selbst aus Angaben über die Zahlen pro Jahr umgerechnet

https://www.wuerzburg.de/themen/umwelt-verkehr/umweltstation/aktionen-und-projekte/tag-der-biodiversitaet/408712.8222Tag-der-Biodiversitaet—2014.html

+ Herr Urban von der AfD meint, der größte Anteil von in die Atmosphäre emitiertem CO2 stamme aus der Natur; dazu: CO2, das Pflanzen nachts abgeben, verstoffwechseln sie am Tag mit einem Plus an Sauerstoff – [https://www.mdr.de/nachrichten/vermischtes/globale-co-zwei-emissionen100.html]

+ http://bildungsserver.hamburg.de/treibhausgase/2052404/kohlendioxid-konzentration-artikel/

+ https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article131429593/Eis-schmilzt-in-Groenland-und-Antarktis-schneller.html

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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