Von Uli Gellerman.

Da bleibt keine Kamera trocken: Kaum ein führender Politiker kann in diesen Tagen die Tränen halten, wenn er von den Opfern des Rassen-Mordes in Hanau spricht. Und flink wird die politische Ursache für die Mörderei der AfD zugeschoben. Dass der deutsche Staat, der seit Jahren von einer Groß-Groko regiert wird, die sich auf CDU-SPD-FDP stützt, im eigenen Apparat die Komplizen der Mörderei sitzen hat, wird vornehm verschwiegen. Kein Wort von den V-Leuten des Verfassungsschutzes, die an der Gründung der NSU-Mörderbande beteiligt waren. Kein Wort von den Schredder-Orgien im Amt zur Vertuschung der Spuren. Kein Wort vom hessischen Ministerpräsidenten Bouffier, der durch das Aussageverbot seiner Beamten und durch Wegsperren der betreffenden Akten nicht nur die Aufklärung der Morde behindert, sondern auch geradezu demonstrativ einen staatlichen Schutzraum für Helfer und Helfershelfer der Rassisten geschaffen hat.

Strafen für Politiker und Beamte, die durch ihr Verhalten munter gegen Amtseide verstießen und den Nazibanden einen rechtsfreien Dunkelraum geschaffen haben, blieben aus: Dieses Wegsehen ist es, was das politische Klima in der Bundesrepublik bis heute prägt. Glaubt man der veröffentlichten Debatte, dann gab es im Land nur den antisemitischen Rassismus. Obwohl es im Jahr 2017 mindestens 950 Angriffe auf Muslime und muslimische Einrichtungen gab, obwohl 2019 jeden zweiten Tag islamfeindliche Angriffe festgestellt wurden, waren die beiden Jahre davon geprägt, dass allüberall „Antisemitismus-Beauftagte“ installiert wurden; Einrichtungen, die weitgehend einer außenpolitischen Umarmung des Apartheid-Staates Israel und nur dem Anschein einer antirassistischen Politik dienten. Immer noch ist der fremdenfeindliche Agitator Sarrazin Mitglied der SPD, und immer noch hat der Bertelsmann-Verlag, der ihm einen opulenten publizistischen Teppich ausgelegt hat, kein Wort des Bedauerns oder gar der Entschuldigung gefunden.

Die gern für die Morde von Hanau ideologisch verantwortlich gemachte AfD möchte sich unter diesen Umständen gut ihre Hände in Unschuldsjauche waschen: Der Mörder von Hanau sei bloß ein Irrer, die Morde hätten mit Politik nichts zu tun, behauptet die AfD-Führung. Als ob sozial und psychisch gestörte Menschen außerhalb des gesellschaftlichen Klimas lebten. Als ob der Dutschke-Attentäter Josef Bachmann, der norwegische Massenmörder Anders Breivik oder der Hanau-Killer ihre Anstöße nicht aus dem allgemeinen sozialen Umfeld bekommen hätten. Und die AfD ist allemal für Stöße dieser Art gut. Vom bekennenden Faschisten und AfD-Funktionär Höcke, der das 1000-jährige Reich beschwört über den AfD-Parteichef Jörg Meuthen, der die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz als Müll begreift und „entsorgen“ will, bis zu Markus Frohnmaier, dem Bundestagsabgeordneten der AfD, der den herkömmlichen Bundestagsparteien ankündigt: “Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde“; sie alle haben in Hanau mitgeschossen.

Was die Beileid-Profis vor den Kameras nicht wissen wollen: Ihr eigener Staatsapparat ist durchsetzt mit Freunden und Helfern des rechten Packs. In jenem Maße, indem sie Ihre Verantwortung für die Hanau-Morde nur bei der AfD abladen, statt sie bei sich selbst zu suchen, in jenem Maße behindern sie die Säuberung des Staatsapparates von den Komplizen des rechten Terrors, in gleichem Maße machen sie die Bahn frei für “Aufräumer” von Ultra-Rechts. Wer jetzt nicht in Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr durchgreift, der wird morgen die Veränderungen schutzlos ertragen müssen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, in dessen Partei immer noch der Rassist Sarrazin sein Unwesen treibt, sonderte auf der Mahnwache für die Opfer des Anschlags von Hanau am Brandenburger Tor diesen Satz ab: “Nichts kann diese sinnlose Tat erklären”. Nur Kinder dürfen sich ungestraft die Augen zuhalten und glauben, man findet sie nicht. Bei Erwachsenen kann das zum jähen Tod führen.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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Bildquelle:  Pacific Press/  shutterstock

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Dieser Artikel erschien am  23. Februar 2020 auf dem Blog Rationalgalerie.

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