Die Gelbwesten – Ein Erfahrungsbericht

von Laurent Stein

Frankreich ist im Aufruhr. Mal wieder. Seit nunmehr 15 Wochen gehen im ganzen Land in gelbe Westen gekleidete Bürger auf die Straße, um ihren Unmut gegenüber der Regierungspolitik kundzutun. In ihren Augen ist und bleibt Emmanuel Macron ein „Präsident der Reichen“. Selbst der von ihm ausgerufene „wirtschaftliche und soziale Ausnahmezustand“, welcher diverse finanzielle Erleichterungen beinhaltet, konnte hieran nichts ändern. Im Gegenteil: Jede scheinbar noch so gut gemeinte Maßnahme der Regierungsseite scheint nur zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen und die Gemüter weiter zu erhitzen. Woran liegt das? Was wollen diese Menschen, das ihnen die Regierung partout nicht zugestehen möchte? 

Um das herauszufinden, bin ich am Wochenende des 9. Februars nach Paris gereist. Ich habe mich am Rande des „Acte 13“ mit vielen Leuten unterhalten und konnte mir so ein eigenes Bild von den Gelbwesten machen. Diese Erfahrungen – das Gesehene sowie das Gehörte – möchte ich in diesem Text mit eingängigen politischen Fakten abgleichen und auf mögliche Verbindungslinien hin untersuchen. Dabei liegt der Fokus insbesondere auf dem von Emmanuel Macron selbst eingestandenen missglückten Versuch, „das französische Volk mit seiner politischen Führungsriege zu versöhnen“ und den dahinter verborgen liegenden Ursachen. Im Anschluss daran möchte ich noch eine kurze Einschätzung zu dem medial häufig thematisierten Punkt der Gewalt bei Demonstrationen der „Gilets jaunes“ abgeben, wohlwissend, dass meine Erfahrungen nur einen kleinen Ausschnitt aus 15 Protestwochen im ganzen Land darstellen.

„Heiße Luft“ als Vernebelungstaktik

„Die hören uns überhaupt nicht zu“ sagt Sylvie, eine Mittvierzigerin aus Troyes, die bisher an jedem einzelnen Protestwochenende auf der Straße war. „Die Erhöhung des Mindestlohns um 100€ von der angeblich alle profitieren, ist nichts anderes als eine billige Täuschung“. Ähnliches empfindet auch Léo, Student der Soziologie, der aus der Nähe von Metz nach Paris angereist ist: „Ich fühle mich von der Regierung nicht gehört. Sieht man sich die Dinge an, die uns seit Beginn der Proteste als Entgegenkommen verkauft wurden, wie z.B. die Erhöhung des Mindestlohnes, dann merkt man bei genauerer Betrachtung, dass sich dahinter überwiegend heiße Luft verbirgt“. 

Setzen wir also an dieser Stelle an. Was hat die Regierung gesagt und was ist wirklich passiert? In seiner Rede zur Nation am 10. Dezember 2018 kündigt Macron folgendes an:

„Das Gehalt eines Arbeiters, der den Mindestlohn erhält, wird sich ab 2019 um 100€ monatlich erhöhen, ohne dass dies den Arbeitgeber auch nur 1€ mehr kostet“

Diese und noch weitere Maßnahmen, die im Rahmen des „wirtschaftlichen und sozialen Ausnahmezustandes“ getroffen wurden, lassen sich in einem offiziellen, vom Elysée-Palast herausgegebenen Dokument nachlesen, welches nachfolgend verlinkt ist (1). Journalisten des französischen Senders Franceinfo haben dieses Versprechen genauer unter die Lupe genommen (2). Und siehe da, der Teufel steckt im Detail. Denn: Der von Macron verwendete Ausdruck des „Gehaltes eines Arbeiters, der den Mindestlohn erhält“ ist nicht gleichbedeutend mit „dem Mindestlohn“. Vordergründig steigt nämlich nicht der Mindestlohn an sich, sondern die sogenannte „prime d’activité“ (Aktivitätsprämie), eine Familienzulage, die sich anhand individueller Parameter wie dem Familienstand und dem Gehalt errechnet. Verschwiegen wurde dabei einerseits, dass genannte Prämie ohnehin ansteigen sollte und andererseits, dass aufgrund der individuellen Berechnung der Prämienhöhe, nicht jeder Mindestlohnempfänger gleichermaßen von ihr profitiert. Zudem ist sie frei von Sozialabgaben, was bedeutet, dass sie nicht in die Berechnung des Rentenniveaus eines Arbeitnehmers mit einfließt.

Jeder kann für sich selbst die Wortwahl Macrons studieren und überlegen, ob hier bewusst ein falscher Eindruck vermittelt werden sollte. Fakt ist jedenfalls: Einen Anstieg des Mindestlohns um 100€ gibt es nicht. 

Der Präsident der Superreichen?

Jean-Jaques ist Buchhalter bei einem multinationalen Unternehmen. Er steht auf festen Füßen, hat ein gutes Gehalt und möchte sich über seine persönliche Situation nicht beschweren. Dass er trotzdem seit mehreren Wochen bei den Gelbwesten aktiv ist, hat einen anderen Grund. „Wir leben in einem sehr wohlhabenden Land, in dem sich der nationale Reichtum über die letzten 30 Jahre hinweg verdoppelt hat“ erklärt er mir und fügt an: „Gleichzeitig haben wir eine immer größere Anzahl an Menschen, die gerade so über die Runden kommen. Das ist ein Skandal, eigentlich dürfte es keinen einzigen Obdachlosen geben!“. Darauf angesprochen, ob er das Gefühl habe, die Regierung gehe auf die Forderungen der Demonstranten ein, antwortet er: „Die Regierung hört uns, aber sie wird nichts ändern. Das kann sie nicht, denn sie steht im Dienst der Superreichen. Der Reichtum wird überwiegend an die Aktionäre verteilt, anstatt an diejenigen die ihn tatsächlich erwirtschaften.“.

Diese letzte Aussage über eine Regierung im Dienste der gesellschaftlichen Elite, wurde in jeweils minimal abgewandelter Form, unisono von allen Gelbwesten mit denen ich gesprochen habe, wiedergegeben. Doch was ist dran an dem Vorwurf? Ist Macron wirklich ein Präsident der Reichen? Er selbst streitet den Vorwurf jedenfalls vehement ab. Werfen wir also einen Blick auf das was Macron bisher gemacht hat, anstatt uns von manipulativer Rhetorik, von welcher Seite auch immer, aufs Glatteis führen zu lassen.

Ein Hauptargument, welches von Macrons Kritikern immer wieder ins Feld geführt wird, ist seine Entscheidung die Reichensteuer ISF (Impôt de solidarité sur la fortune) zu beseitigen und durch eine neue, wesentlich leichtere Steuer IFI (Impôt sur la fortune immobilière) zu ersetzen. Hierzu bedarf es zunächst einmal einer Erklärung, um zu verstehen worum es bei dieser steuerlichen Buchstabensuppe überhaupt geht:

Der ISF war eine progressive Vermögenssteuer, bei der Haushaltsvermögen ab einem Wert oberhalb von 1,3 Millionen Euro besteuert wurden. Das Haushaltsvermögen wurde hierbei unterteilt in sogenannte „immobile“ und „mobile“ Werte, welche zusammen aufaddiert wurden. Beispiele für „immobile“ Werte wären etwa Häuser, Autos oder Möbel, während die „mobilen“ Werte u.a. Aktien, Versicherungen oder Bankguthaben umfassen. 2017 hat die ISF-Steuer dem Staat Einnahmen in einer Höhe von 5,4 Milliarden Euro beschert, wobei etwa 340.000 Haushalte von ihr betroffen waren (3).

Die neue IFI-Steuer ist nun gewissermaßen die „Weight Watchers Variante“ ihres Vorgängers. Sie hat ordentlich abgespeckt und den ganzen Balast der „mobilen“ Werte einfach über Bord geworfen. Bedeutet im Klartext: Aktien, Versicherungen, Bankguthaben und co. zählen demnach nicht mehr zum Vermögen. Folglich sinken natürlich auch die aus der Steuer generierten Einnahmen. Diese lagen im Jahr 2018 bei 800 Millionen Euro (4), was im Vergleich zum Vorjahr gleichbedeutend mit einem satten Minus von 4,6 Milliarden Euro an Steuereinnahmen ist.

Emmanuel Macron ist es das wert. Er begründet die getroffene Maßnahme damit, dass die „französische Braut“ so deutlich attraktiver für internationale Investoren werde, auf die die vergleichsweise hohen Spitzensteuersätze in der Grande Nation alles andere als anziehend wirken.

Neben der soeben beschriebenen Umstrukturierung der Reichensteuer, gibt es noch ein zweites Leuchtturmprojekt der Macron’schen Wirtschaftsreformen. Dabei handelt es sich um die Etablierung eines weiteren Dreibuchstablers, dem PFU (prélèvement forfaitaire unique). Was es damit auf sich hat? Nun hierbei geht es nicht um das Vermögen als solches, sondern um die Einkünfte, welche aus diesem generiert werden. Sprich: Dividenden oder Zinseinnahmen. 

Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Wirtschaftsunterricht in ihrer Schulzeit. Ihre Klasse behandelt gerade das Thema Steuern. Ein Schüler meldet sich zu Wort und fragt den Lehrer, warum denn nicht einfach alle Menschen gleich viele Steuern zahlen. „Das wäre doch viel fairer!“ sagt er. Gesetz dem Fall, dass der Lehrer nicht in den Genuss eines Wochenendworkshops in Libertarismus gekommen ist, wird er dem Schüler nun erklären, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob man 40% Steuern auf eine Milliarde Euro zahlt oder auf 30.000 Euro. Der Milliardär wird trotz der hohen Steuer nicht auf seine Yacht, den Drittwohnsitz in den Alpen oder die Mitgliedschaft im lokalen Golfclub verzichten müssen. Wenn er nicht gerade täglich seinen Kontoauszug nachprüft, wird er die Steuerausgaben vermutlich nicht einmal bemerken. 

Der PFU von Macron stellt diese Logik nun gänzlich auf den Kopf. Seit dem 1. Januar 2018 heißt es  „au revoir“ Spitzensteuersatz und „bienvenue Flat-Tax“! Ganz egal ob sie Zins- oder Dividendeneinnahmen in Höhe von 1 Millionen oder 10.000 Euro haben, der Steuersatz liegt in jedem Fall bei 30 Prozent. Offiziell. Inoffiziell liegt er sogar noch weitaus niedriger, nämlich bei 12,8 Prozent, zumindest dann, wenn man den Soziologen Michel Pinçon und Monique Pinçon-Charlot Glauben schenken möchte, die sich die Mühe gemacht haben, die Beschönigungen bei der Zusammensetzung der neuen Steuer in ihrem neuen Buch transparent aufzudröseln (5). Dem folgend zahlt ein Geringverdiener mehr Einkommenssteuer auf sein Gehalt (14 Prozent), als ein Aktionär auf seine Dividenden. 

Selbstverständlich kommt auch diese Steuerumstellung für den Staat nicht gerade günstig daher. Auf jährliche Beträge zwischen 1,3 und 5 Milliarden Euro schätzen Wirtschaftsexperten das hieraus resultierende Einnahmeloch. Eine Menge Geld, doch scheint der Regierung kein Betrag hoch genug sein zu können, um dem selbstauferlegten Motto „make french taxes sexy again“ gerecht zu werden.

Wer profitiert?

Schlussendlich stellt sich eine einfache Frage: Wer profitiert von all diesen wirtschaftlichen Schönheitsoperationen? Kritisieren ist einfach. Doch was, wenn dem gemeinen Gelbwestenträger schlicht das volkswirtschaftliche Hintergrundwissen abgeht? Sehen wir uns daher also an, was die Leute sagen, deren Job es ist, sich in solchen Fragen auszukennen. Im Juli 2017 hat das OFCE, ein unabhängiges Rechercheinstitut der renommierten Pariser Universität „Sciences Po“, eine Studie über die zu erwartenden  ökonomischen Auswirkungen der Reformpolitik von Emmanuel Macron herausgegeben (6).

Das Ergebnis: Das oberste Dezil – sprich die reichsten 10 Prozent aller Franzosen – profitiert am meisten. 46 Prozent aller Steuererleichterungen konzentrieren sich auf diese Bevölkerungsgruppe. Als absolute Gewinner dürfen sich übrigens die obersten 0,1 Prozent der Franzosen fühlen, etwa 28.000 Menschen, die gerade durch die Abschaffung der Reichensteuer ISF immens entlastet werden.

Den Rest des Kuchens müssen die verbleibenden 90% der Haushalte unter sich aufteilen, wobei sich ironischerweise gerade das zweitoberste Dezil mit dem kleinsten Stück zufrieden geben muss. Nachfolgende Grafik ist der Studie entnommen und untermalt den beschriebenen Sachverhalt:  

 

Übersicht über neue steuerliche Be- (unterhalb x-Achse) und Entlastungen (oberhalb x-Achse) im Vergleich zu 2015, aufgeteilt nach Haushaltsvermögen (aufsteigender Wohlstand von links nach rechts), Quelle: OFCE, Sciences Po, Paris

 

In den Reihen von „La république en marche“ (LREM, Macron’s Partei) ist man der Auffassung sich damit auf dem richtigen Weg zu befinden. Die Entlastung der Reichen, der „Besitzenden“, werde mit der nötigen Geduld zu mehr Investitionen und der Schaffung neuer Arbeitsplätze führen, wovon letztlich gerade auch die ärmeren Bevölkerungsschichten profitieren würden. Man kann es auch etwas überspitzt in den Worten von Monsieur Macron himself ausdrücken: Diejenigen die Erfolg haben, sorgen freundlicherweise dafür, dass sich diejenigen, die Zitat: „nichts sind“ (7) auch einigermaßen humaner Lebensumstände erfreuen dürfen. Das klingt logisch, denn wie will jemand „etwas“ schaffen, wenn er selbst „nichts“ ist? 

Dieses Weltbild ist dem ex-Investmentbanker und Abgänger der Elite-Verwaltungshochschule ENA freilich nicht einfach so vor die Füße gefallen. Macron ist im Kreise des großes Geldes sozialisiert und ausgebildet worden. Dass er die zugehörige Denkschule aufgesogen hat und mit ihr die Überzeugung im Dienst einer guten Sache zu stehen, dürfte angesichts seiner Biographie kaum jemanden verwundern und sollte ihm primär auch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Doch auch die Tatsache, dass er ein Überzeugungstäter ist, ändert nunmal rein gar nichts daran, dass die versprochenen Effekte seiner Reformpolitik bei der breiten Bevölkerungsmasse aller Voraussicht nach niemals ankommen werden. Dies spiegelt sich nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene. Denn entgegen aller anderslautenden Bekundungen geht die globale Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. 8 Männer besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung (8). Die neoliberalen Reformen der vergangenen Jahrzehnte haben diese Dynamik stets nur weiter beschleunigt. Warum sollte also in Frankreich nun alles anders werden?

Anne Fretel, Dozentin an der Universität von Lille, bewertet daher den von Macron eingeschlagenen Weg mit den folgenden Worten (9):

„Das der französischen Wirtschaft neuerdings verschriebene Rezept (Macron’s Wirtschaftspolitik) fügt sich nahtlos in ein Kontinuum an Reformen ein, welche den Arbeitsmarkt seit nunmehr 15 Jahren  deregulieren. Heutzutage wissen wir, dass dieser Typ von Reformen die Arbeitslosigkeit nicht vermindert, (…) sondern den Status der Arbeiter nur noch weiter prekarisiert.“ 

Die Arbeitslosenquote gibt Fretel recht. Trotz Macron’s Wahlversprechens sie auf 7 Prozent zu senken, stagniert die Quote seit dessen Amtseinführung nahezu unverändert bei etwas über 9 Prozent (10). Auch der erhoffte Investitionsboom blieb bisher aus.

Demgegenüber ist jedoch ein steiler Anstieg bei den Gewinnen der größten aktiennotierten Gesellschaften zu verzeichnen. Was die Auszahlung von Dividenden angeht, sind die französischen Unternehmen – wie die Fußballer – sogar Weltmeister, noch vor jenen der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs (11).

Wenn Wut zu Gewalt mutiert

In Anbetracht all dieser Zahlen erscheint mir der Ärger der Gelbwesten mehr als verständlich. „Die Leute kommen seit Wochen aus dem ganzen Land nach Paris gefahren“ sagt Jean-Jaques. „Ich habe gerade eine Menschengruppe getroffen, die seit mehreren Wochen jeden Samstag aus dem Département Moselle anreist. Das machen die nicht einfach so aus Spaß“. 

Dass sich dieser Ärger bei manchen in pure Zerstörungswut umwandelt, kann er zwar irgendwo nachvollziehen, der Sache dienlich sei es aber nicht. Wo ist beispielsweise der revolutionäre Hintergedanke beim Einschlagen nahezu aller Scheiben von Bushaltestellen (siehe Bild)?

 

Quelle: Eigene Aufnahme

 

Dennoch greift es meines Erachtens zu kurz, beim Thema Gewalt ausschließlich mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf die Demonstranten zu zeigen. Während des Umzuges der Gelbwesten, bin ich immer wieder an „Kollateralschäden“ vorbei gelaufen. Menschen, die friedlich demonstriert haben und dann von „Flashballs“, den berüchtigten und hochumstrittenen Hartgummigeschossen der französischen Polizei getroffen wurden und deswegen ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Ein Demonstrant verlor an diesem Tag sogar seine Hand, wobei angemerkt sei, dass noch unklar ist, inwieweit er selbst für das Unglück mitverantwortlich war. 

Alles in allem haben seit Beginn der Demonstrationen 11 Menschen ihr Leben verloren (12). 3000 Personen wurden verletzt, davon 2000 Demonstranten und 1000 Polizisten (13). Dem ehemaligen Bildungsminister Luc Ferry scheint das nicht genug zu sein. Er appelliert an die Polizei, sie solle auf die Gelbwesten schießen und fordert notfalls ein eingreifen der Armee (14). Ist das wirklich die Lösung des Problems? Wird das die neuerdings grassierende Selbstmordwelle innerhalb der französischen Polizei eindämmen (15)?

Ich bin kein Polizeichef und habe keinerlei Erfahrungen, wie Deeskalation bei größeren Menschenansammlungen bestmöglich durchgeführt wird. Mein Gefühl und die gemachten Erfahrungen sagen mir jedoch, dass die sehr offensive Art der Polizei mit Störenfrieden umzugehen, die Unruhen in vielen Fällen nur unnötig anheizt. Gleichzeitig sind die Polizisten in derartigen Situationen natürlich wahrlich nicht zu beneiden. Gerade weil sie sich, ökonomisch gesehen, eigentlich auch gelbe Warnwesten über ihre Schutzjacken streifen müssten…

Letzten Endes ist der einzige, der wirklich etwas Druck vom Kessel nehmen könnte, Emmanuel Macron selbst. Er ist derjenige, der im Angesicht des Versagens seiner neoliberalen Dogmen eine Kurskorrektur vornehmen und den Demonstranten wirkliche Zugeständnisse machen könnte. Zugeständnisse, bei denen ausnahmsweise mal die arbeitende Klasse als Gewinner dasteht. Zugeständnisse, bei denen Macron nicht den Ärger seines Volkes, sondern den seiner Lehrmeister auf sich zieht.

Ja, ich weiß, natürlich ist es mehr als nur naiv, solch eine Erwartung an einen „public-private“ Politiker seines Schlages zu richten. Nur die wenigsten Menschen sind bereit, die eigene Ideologie, die einem eben auch einen gewissen Halt in einer ungewissen Welt verleiht, so grundsätzlich zu hinterfragen, wie es in Macron’s Fall von Nöten wäre. Dies gilt jedoch nicht nur für den Präsidenten, sondern für uns alle. Gerade auch für jene Linken, für die alles andere als die Abschaffung des Kapitalismus – was auch immer das konkret bedeuten soll – keinen echten Kompromiss darstellt.

 

“Debattiert wird auf der Straße!” – Graffiti vor der Nationalversammlung, Quelle: Eigene Aufnahme

Quellen:

  1. https://www.elysee.fr/emmanuel-macron/2018/12/10/adresse-du-president-de-la-republique-du-lundi-10-decembre-2018
  2. https://www.francetvinfo.fr/economie/transports/gilets-jaunes/gilets-jaunes-pourquoi-l-augmentation-du-smic-promise-par-macron-n-en-sera-pas-vraiment-une_3094307.html
  3. http://www.economiematin.fr/news-isf-recolte-5-4-milliards
  4. http://www.lefigaro.fr/conjoncture/2018/12/18/20002-20181218ARTFIG00087-suppression-de-l-isf-peut-on-deja-dresser-un-premier-bilan.php
  5. Pinçon, M., Pinçon-Charlot, M. (2019): Le Président des Ultras-Riches. Paris.
  6. https://www.ofce.sciences-po.fr/pdf/pbrief/2017/pbrief25.pdf
  7. https://www.youtube.com/watch?v=mlxXW95qeK4
  8. https://www.oxfam.de/ueber-uns/aktuelles/2017-01-16-8-maenner-besitzen-so-viel-aermere-haelfte-weltbevoelkerung
  9. https://www.challenges.fr/emploi/droit-du-travail/reforme-du-travail-un-an-apres-les-effets-se-font-attendre_619549
  10. https://www.neues-deutschland.de/artikel/1105047.arbeitslosigkeit-in-frankreich-macrons-leere-versprechen.html
  11. Pinçon, M., Pinçon-Charlot, M. (2019): Le Président des Ultras-Riches. Paris.
  12. http://www.lefigaro.fr/actualite-france/2019/01/28/01016-20190128ARTFIG00153-gilets-jaunes-macron-deplore-les-11-morts-en-marge-du-mouvement.php
  13. http://www.leparisien.fr/faits-divers/gilets-jaunes-le-maintien-de-l-ordre-a-l-epreuve-des-blesses-graves-18-01-2019-7991910.php
  14. http://www.francesoir.fr/politique-france/luc-ferry-appelle-tirer-sur-les-manifestants-gilets-jaunes-et-intervention-de-armee
  15. https://www.lexpress.fr/actualite/societe/neuf-policiers-se-sont-suicides-depuis-le-debut-de-l-annee_2058048.html

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