Die Botschafterin des Todes

Mit der Berufung Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin wird die Militarisierung Europas weiter voranschreiten.

Von Ellen Diederich.

In den letzten Wochen bin ich so fassungslos wie kaum jemals zuvor. Wenn ich morgens aufwache, brauche ich mehrere Momente, um denken zu können, mich von den Alpträumen der Nacht zu lösen. Bis ich dann merke, es sind nicht nur Alpträume der Nacht, die mich so herunterziehen. Sie sind real.

International prescht ein Mann noch stärker als seine Vorgänger in Richtung Krieg vor: der Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Donald Trump. Er hat kurzerhand Verträge aufgekündigt, die nach langen Auseinandersetzungen zum Klima, zur Abrüstung, endlich abgeschlossen wurden. Wie viele Jahre haben wir versucht, Feindbilder abzubauen! Die Verhandlungen zwischen Ronald Reagan, später George H. W. Bush senior, und Michail Gorbatschow führten zu einem Abbau der Atomwaffen. Der sogenannte Kalte Krieg war für mich immer ein heißer Krieg, weil die Ressourcen der Welt in die unsinnige Rüstung, statt in Maßnahmen gesteckt wurden, die Welt zu befrieden.

Der Satz, der die Folgen unseres Wirtschaftssystems so drastisch zeigt wie kein anderer, heißt:

„Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an den Folgen von Hunger, Mangel an Medikamenten und unsauberem Wasser.“

Man kann stattdessen auch sagen:

„Jetzt ist wieder ein Kind verhungert, jetzt ist wieder ein Kind verhungert, jetzt ist wieder ein Kind verhungert …“

Der Satz galt in der Zeit des „Kalten Krieges“ und gilt bis heute.

Trump fordert über die NATO die Mitgliedsländer auf, ihre Militärbudgets zu erhöhen. Zum ersten Mal war der Nationalfeiertag der USA durch eine Militärparade gekennzeichnet.

Auf der europäischen Seite, vor kurzem der Nationalfeiertag in Frankreich, vergleichbar: eine große Militärparade, mit der Ankündigung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, eine neue Entwicklung des Krieges im Weltraum zu forcieren, die künftigen Kriege sollen im Weltraum geführt werden.

Die Idee gab es schon mal unter Ronald Reagan, als entschieden wurde, den Weltraum atomar zu bewaffnen, dagegen haben wir unzählige Widerstandsaktionen organisiert.

Die Medien unterstützten diese Entwicklung weitgehend. In der Tagesschau vom 23. Juli 2019 wurden in Paris einige Menschen befragt, was sie von dieser Militärparade und der damit verbundenen Vorstellung, die militärische Macht solle erweitert werden, denken. Die Tagesschau sendete ausschließlich die Antworten derjenigen, die sich für eine Stärkung der Militärpräsenz aussprachen.

Ich habe, trotz einer Reihe von Kritikpunkten, in Deutschland leben können, weil ein Satz lange Jahre galt:

NIE WIEDER KRIEG!

Geboren 1944, aufgewachsen mit den Traumata der totalen Zerstörung Deutschlands, den Bombennächten im Bunker, der Angst meiner Mutter. Nach dem Ende des Krieges machten mir Friedenslieder, Bücher und Theaterstücke gegen Krieg neuen Mut. „Nie wieder Krieg“ war viele Jahre die Grundlage unseres Lebens.

Hinzu kamen die guten Erfahrungen der großen Friedensbewegung in den 1980er-Jahren, eine tiefe internationale Zusammenarbeit gegen die atomare Bedrohung. Am Abend nach großen Demonstrationen kamen Menschen aus unserer Bewegung wie Heinrich Böll, Petra Kelly und andere in der Tagesschau zu Wort. In zahlreichen Ländern fanden unendlich viele Aktionen statt, Anstrengungen, Feindbilder abzubauen. Mit unserem Friedensbus fuhren wir circa 200.000 km durch Ost- und Westeuropa, um uns kennen zu lernen. Bei den Weltfrauenkonferenzen in Nairobi und Peking schufen wir Orte, an denen Frauen aus sogenannten Feindesländern in den Dialog kommen konnten.

Wir hatten sehr viel Hoffnung und machten viele positive Erfahrungen. Wir fuhren zu allen Gipfeltreffen von Reagan und Gorbatschow, wir konnten Vorschläge machen, uns wurde zugehört. Wir machten ständig Aktionen im Atomtestgebiet in Nevada gegen die Produktion neuer Generationen von Atomwaffen, demonstrierten so lange vor der NATO in Brüssel, sangen dazu „Imagine“ und „All we are saying, is: Give peace a chance“ von John Lennon und Yoko Ono, bis die Generäle uns empfingen.

Die Unterstützung von Künstlern war sehr wichtig! Wir machten Friedensmärsche in vielen Ländern, demonstrierten an Militärstützpunkten und Atomwaffenbasen. Im Dezember 1982 umarmten etwa 30.000 Frauen die britische Cruise missiles Basis Greenham Common. Arm hat im Englischen die doppelte Bedeutung von Arm und „bewaffnen“. „Arms are for linking!“ „Arme sind zum umarmen“, sagten die Frauen und verwandelten den Zaun, der den zigfachen Tod einschloss, in einen Zaun des Lebens, flochten Kinderkleidung, Spielzeug, Symbole des Lebens in diesen Zaun. Im Rahmen der unterschiedlichen Friedensaktionen wurden 45.000 Atomwaffen abgebaut.

Ein Moment des Aufatmens

1989 öffnete sich das Symbol des „Kalten Krieges“, die Berliner Mauer. Der Warschauer Pakt wurde aufgelöst. Wir atmeten für einen Moment auf.

Der NATO ging das Feindbild verloren. Die Waffenproduzenten bekamen Angst, dass sie nicht mehr so viele Waffen produzieren und verkaufen könnten. Neue Feindbilder mussten her.

In diesem Kontext änderten sich Diskussionen und mit einem Mal begann Deutschland – neben der Beteiligung an Kriegen durch ständige Waffenlieferungen seit dem Ende des 2. Weltkrieges — sich mit Soldaten der Bundeswehr direkt am Krieg zu beteiligen. Die grüne Abgeordnete Antje Vollmer verließ die Abstimmung zur Beteiligung am Kosovo Krieg und sagte den Satz, der die Entwicklung der Grünen gut charakterisiert: „Mein Ja war eigentlich ein Nein.“ Zu dieser Zeit gab es einen Außenminister, der auch auf dem Rücken der Friedensbewegung als Grüner ins Parlament gewählte wurde, Joschka Fischer. Ein Teil der Friedenspartei schwenkte mit absolut idiotischen Begründungen um, unter anderem: man müsse im Kosovo ein weiteres Auschwitz verhindern. Ein großer Teil der Mitglieder verließ die Partei.

Außenminister zu werden, kitzelte das Ego von Fischer. Nach seinem ersten Treffen als Außenminister mit Madeleine Albright, zu der Zeit Außenministerin der USA, verkündete Fischer stolz: „Wir sagen jetzt Madeleine und Joschka.“

Das Europaparlament hat am 16. Juli 2019 entschieden, dass Ursula von der Leyen die neue EU-Kommissionspräsidentin werden soll. Sie trägt alle Entscheidungen, das Militär zu stärken, mit. Mir ist speiübel, wenn ich an diese Entwicklungen denke.

Eine Rückschau auf die Anfänge dieser Ministerin, die als erste weibliche Inhaberin der „Kommando- und Befehlsgewalt“ gefeiert wurde. Ursula von der Leyen war seit 2013 als Kriegsministerin zuständig für Bundeswehr, Krieg und Verteidigung. Ihr erster Auslandsbesuch deutscher Truppen in einem Kriegsgebiet führte sie nach Afghanistan.

In Deutschland wurde das Wort „Krieg“ für den Zustand in Afghanistan lange gemieden. Karl-Theodor zu Guttenberg bezeichnete ihn als „kriegsähnlichen Zustand“, später sagte er: „Man könne umgangssprachlich vom Krieg reden“ (1). Ursula von der Leyen ist die erste der MinisterInnen, die für die Bundeswehr zuständig waren und sind, die den Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan ohne wenn und aber als „Krieg“ bezeichnet. „Wir sind die Leitnation im Norden Afghanistans gewesen über viele, viele Jahre und haben dort eben auch gekämpft. Das ist zu Recht als Krieg bezeichnet worden“, sagte sie im ARD-Morgenmagazin. Die Bezeichnung Kriegsministerin ist also passend.

„Die Truppenbesuche von Verteidigungsministern sind spätestens seit dem Polit-Popstar Karl-Theodor zu Guttenberg eine Art Emotions-Show für die Soldaten und das Publikum daheim. Von der Leyen allerdings gab ihrem Antrittsbesuch noch mal einen neuen Dreh. Statt mit Stahlhelm und Schussweste präsentiert sie sich als zivile Mutter der Kompanie, als menschliche Kümmerin, eine Art Wehrbeauftragte mit Ministertitel“ (2).

In Afghanistan ist jetzt seit fast 40 Jahren Krieg. In Deutschland gab es unter den vielen Kriegen nur einen, der dreißig Jahre gedauert hat, von 1618 bis 1648. Er ist bis heute im Bewusstsein der Menschen präsent. Am Ende dieses Krieges war die Hälfte der Bevölkerung tot, die Länder zerstört, Krankheiten und Seuchen hatten sich flächendeckend ausgebreitet.

Was weiß von der Leyen von der afghanischen Geschichte der letzten 40 Jahre Kriegsrealität? Durch eine Beobachtung des Einsatzes der Bundeswehr bekommt man die notwendigen Kenntnisse nicht.

Vor dieser direkten Kriegszeit versuchten verschiedene Kolonialmächte, dieses Land für ihre Interessen zu missbrauchen. In der neueren Geschichte führten und führen unterschiedliche Mächte in Afghanistan Krieg. Mal waren es kapitalistische Länder, allen voran die USA und Großbritannien, dann die kommunistische Sowjetunion, dazwischen fundamentalistische Islamisten und Gruppen wie die Taliban. Alle versuchten, diesem Land ihr politisches System aufzudrücken.

Von den zu Ende der 1970er-Jahre geschätzten 16 Millionen Afghanen wurden mehr als zwei Millionen im Widerstandskampf gegen die sowjetischen Besatzer, im Bürgerkrieg, der durch die fundamentalistischen Gruppierungen mit Hilfe ausländischer Kräfte entfesselt wurde oder durch die Invasion der NATO umgebracht. Andere wurden durch radioaktive Substanzen wie abgereichertes Uran verstümmelt oder mit Missbildungen geboren. Anderthalb Millionen mussten in Flüchtlingslager in den Iran und Pakistan fliehen. Ein großer Teil der Menschen, die im Land blieben, wurde in Folge des nicht enden wollenden Krieges intern umgesiedelt. Einer der zentralen Einsatzorte der Bundeswehr war Kunduz.

„Angst materialisiert sich. Angst, die über die Straße heranrollt, durch den Hof kommt, aus den Wänden tritt, über meinem Lager zusammenschwappt. Plötzlich ist jede Angst, die sich in der Stadt je befunden hat, zielgerichtet und bei mir. Sie hat keine genießbare Seite und erlaubt auch kein Abschweifen. Vielmehr meint sie es ernst, als Einschüchterung, als Bedrohung.

Wenn Orte geronnene Erfahrung sind, wenn sie sich zusammensetzen aus allem, was je in ihnen gefühlt wurde, dann ist diese Angst eine Art Offenbarung. Kunduz gibt sich zu erkennen. In das Weichbild der Stadt haben sich Bombenabwürfe und Raketenbeschuss, Vergewaltigungen, Folter und Morde eingedrückt. Heckenschützen haben gelauert, Späher haben Häuser auf der Suche nach Versteckten durchsucht, Marodierende haben zerstört, Soldatentrupps haben Bauwerke gestürmt und verwüstet, Frauen haben geschrieen, Kinder das Weite gesucht. Jede denkbare Konstellation kann sich wiederholen. Es ist alles noch zu frisch. Die Gewalt ist nicht Vergangenheit, ist nicht archaisch, nicht Kultus“ (3).

Kinderkrippen in Kasernen

In Gesprächen mit Soldaten in Masar-i-Sharif verkündete die neue Ministerin ihre ersten Pläne: Es sollen bessere Lösungen für Soldaten mit Familie und Kindern gefunden und mehr Respekt vor dem SoldatInnenberuf in der Öffentlichkeit hergestellt werden. Den SoldatInnen versicherte sie: „Sie können sich auf mich verlassen“ und sprach ihnen Respekt für die Arbeit aus, über deren Gefahren sie sich bewusst sei. Frau von der Leyen will sich besonders um die Familien kümmern, die Bundeswehr soll familienfreundlicher werden, Kinderkrippen in die Kasernen.

Mich schaudert es, wenn ich mir das vorstelle. Da sollen Kinder in diesem Land besonders gut behütet werden, damit ihre Väter und Mütter guten Gewissens Krieg machen können, in andere Länder fliegen, um dort Gewalt gegen „den Feind“ auszuüben, der aus Frauen, Kindern und Männern des anderen Landes besteht.

Der Feind wird nur allzu oft deshalb zum Feind, weil er eine andere Vorstellung davon hat, was mit den Ressourcen seines Landes geschehen soll, als sie den reichen Industrieländern zu geben.

Die Einstellung, mehr Respekt für den Soldatenberuf herzustellen, passt perfekt in die Strategie für die geplante weitere Militarisierung der Europäischen Union.

Am 19. und 20. Dezember 2013 fand in Brüssel der EU-Ratsgipfel statt. Zentraler Tagungsordnungspunkt war die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Im Vorfeld der Konferenz erhielt Catherine Ashton, Baroness Ashton of Upholland, eine britische Politikerin, damals die „Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik“ und „Erste Vizepräsidentin der Europäischen Kommission“, den Auftrag, zu dem Inhalt des EU-Ratsgipfels ein Arbeitspapier vorzubereiten. In diesem Papier heißt es unter anderem:

„Es ist wichtig, der Öffentlichkeit zu kommunizieren, dass Fragen der Sicherheit und Verteidigung heute von Bedeutung sind und sie für ihren künftigen Wohlstand wichtig sein werden, auch wenn unsere Bürger nicht notwendigerweise immer eine unmittelbare äußere Gefahr sehen müssen. Die Staats- und Regierungschefs sind genau die richtigen, um diese Botschaft einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln und wir sollten diese Gelegenheit nicht verpassen.“

Worum geht es bei dieser „Sicherheit und Verteidigung des künftigen Wohlstands“?

Thomas Friedman, Kolumnist der New York Times, stellte fest, dass für eine funktionierende Globalisierung die USA als unüberwindliche Macht handeln müssten. Die unsichtbare Hand des Marktes brauche die sichtbare Faust der amerikanischen Streitkräfte. McDonalds mit seinem Fast Food könne nicht ohne die Kampfjets von McDonnellDouglas expandieren.

Die militärische Sicherung der für die Industrieländer wichtigen Ressourcen wurde zum 50sten Jahrestag der NATO in Washington im April 1999 zum Bestandteil der neuen NATO-Strategie. Bei diesem Treffen gab es eine einschneidende Veränderung: Anstelle der Verteidigung der Mitgliedsstaaten sieht die neue Strategie „eine Garantie vor, jederzeit den freien Zugang zu den Ressourcen zu gewähren, die für die Mitgliedsländer von Interesse sind“. Auf diesem Weg sind die westlichen Verbündeten weit gekommen.

Das Militär attraktiver zu machen, war Teil des Jobs von Frau von der Leyen. In ihrem ersten Tagesbefehl definierte sie drei Aufgaben als zentrale Ziele:

  • „Wir werden verlässlich unsere sicherheitspolitische Verantwortung erfüllen,
  • die Neuausrichtung der Bundeswehr mit Umsicht und Augenmaß vorantreiben
  • und nicht zuletzt die Bundeswehr breit in der Gesellschaft verankern.“

Der Dienst in der Bundeswehr verdiene große Wertschätzung, betonte von der Leyen. „Dafür will ich alles tun, was in meinen Kräften steht. Die Bundeswehrreform, die vor drei Jahren angestoßen wurde, bringe erhebliche Belastungen für die Soldaten und ihre Familien mit sich. Auch diese Dimension der Neuausrichtung habe ich im Blick“, schrieb sie weiter (4).

Als ehemalige Familienministerin wolle sie sich besonders um die Familien von Soldaten kümmern, die durch ihren Kriegseinsatz verwundet und/oder traumatisiert zurückkommen.

Die USA haben größere Erfahrungen mit Traumata oder versuchten Selbstmorden zurückgekehrter Soldaten. Bereits nach dem Vietnamkrieg haben sich mehr ehemalige Soldaten das Leben genommen, als im Krieg in Vietnam umgekommen sind.

Irak- und Afghanistankrieg haben die dort eingesetzten Soldaten in hohem Maße traumatisiert, die Selbstmordraten stiegen, die Gewaltanwendungen in den Familien zurückgekehrter Soldaten sind dramatisch hoch.

Die Zahl der Selbstmordversuche ist sogar fünfmal so hoch wie die der vollendeten Selbstmorde. Eine Umfrage des Pentagon zeigte bei 12 Prozent aller Angehörigen der Streitkräfte ein „gefährliches Ausmaß“ des Alkohol-Missbrauchs und des illegalen Gebrauches von Rauschgiften und starken Schmerzmitteln. Laut weiterer Studien sollen schätzungsweise 20 bis 30 Prozent der zurückgekehrten Soldaten an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Das zerstört Beziehungen und macht es schwer, eine Arbeit zu finden, vom Drogenmissbrauch wegzukommen und den Willen zum Weiterleben aufrecht zu erhalten. Die derzeitige wirtschaftliche Lage der USA erschwert darüber hinaus die Suche nach Arbeitsplätzen (5).

Durch Selbstmord sterben mehr US-Soldaten, als im Afghanistan-Krieg gefallen sind.

Nicht per se das friedlichere Geschlecht

Die frühere Kriegsministerin von der Leyen sagte, sie sei „dankbar und stolz, für Menschen zu arbeiten, die Deutschland in einer so außergewöhnlichen Form dienen“ und freue sich „einen Teil dazu beizutragen.“

Was ist diese „außergewöhnliche Form“?

Diese Form heißt Krieg, dem hat sie unmissverständlich zugestimmt.

Das Gegenteil von Krieg ist Frieden. Ich bin Friedensarbeiterin, seit 50 Jahren. Unsere Friedensarbeit ist nicht die der neutralen Beobachterinnen aus dem sicheren Abstand der Theorie oder des Geldes. Wir fliegen nicht, gut geschützt, für ein, zwei Tage in das Kriegsgebiet. Wir gehen dorthin, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, Solidaritätsarbeit zu leisten, Öffentlichkeit herzustellen. Vor allem aber auch die Beteiligung unserer Länder an Kriegshandlungen durch Rüstungsexport, Entsendung von Soldaten, Teilhabe am Krieg zu dokumentieren und zu kritisieren. Im Laufe der Zeit sind Menschen zu FreundInnen geworden, die in Kriegsgebieten leben und bedroht sind. Das hat uns geprägt.

In einer Reihe von Umfragen, Zeitungsartikeln und Kommentaren wurde darauf Bezug genommen, dass mit von der Leyen zum ersten Mal in der BRD eine Frau das Ministeramt für alles Militärische innehatte. Im ersten Interview beim Soldatensender Radio Andernach spielte sie die Tatsache herunter. Nicht das „in“ hinten an ihrem Titel sei wichtig, sagte sie. Wohl wahr!

Nicht das Geschlecht oder die Hautfarbe sind ausschlaggebend, sondern vielmehr, welchen Zurichtungen und Drangsalierungen zur Anpassung an den Dienst in primitiven oder hochgerüsteten Armeen die Menschen, Männer und Frauen, ausgesetzt sind. Bei der NATO, der Bundeswehr, den Marines, den Ledernacken, den Special Forces, den Geheimdiensten und in anderen Militäreinheiten. Frauen sind auch nicht per se das friedlichere Geschlecht.

Welche Rollen haben Frauen in diesem Kontext? Sehr viele verschiedene, sie arbeiten in der Kriegsindustrie, sie versorgen als Ärztinnen und Krankenschwestern Wunden, für die sie nicht verantwortlich sind, hier haben Frauen eine lange Tradition! Als Soldatinnen oder Politikerinnen entscheiden sie über Krieg oder Frieden mit.

Frauen werden heute eben auch „Verteidigungs-“ beziehungsweise Kriegsministerinnen. Selbst ein Teil der Feministinnen sieht die Beteiligung von Frauen am Krieg als Schritt zur Gleichberechtigung. „Einige unserer besten Soldaten tragen Lippenstift“ titelte die Zeitschrift Emma.

Frauen sind auch Bomberpilotinnen. Zunehmend geschehen Bombardierungen von Ländern durch ferngesteuerte Drohnen, also aus dem sicheren Abstand des High Tech Krieges. So agiert die Allianz der „zivilisierten Welt“, in der nahezu alle Waffen produziert werden, im Irak, Afghanistan und andernorts.

Bei der Diskussion mit einer britischen Bomberpilotin in Krefeld, die ihren Beruf so viel aufregender findet als ihren vorherigen Lehrerinnenberuf, wurde ich gefragt: „Meinen Sie denn nicht, dass die Armeen jetzt durch die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen am Krieg weiblicher und dadurch menschlicher werden?“

Ich fragte die Bomberpilotin: „Was ist ein weiblicher Krieg? Was ist eine weibliche Bombardierung? Holen Sie die Bomben erst in die Maschine, streicheln sie, spritzen etwas Parfüm darauf und binden Schleifchen darum, bevor Sie sie abwerfen? Oder was ist es sonst?“ Sie konnte die Frage nicht beantworten. Die PilotInnen werfen die Bomben. Unten rennen Frauen, Kinder und Männer um ihr Leben. Die Soldatinnen winken von oben: Schönen Gruß, diese Bombe wurde von einer Frau geworfen! Schönen Gruß von der Gleichberechtigung der Frauen aus den reichen Ländern. Die wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist: Was sind das für Rechte, die wir haben wollen?

Um nicht missverstanden zu werden: Ich befürworte auch keine Männer in den Armeen, ich will die Abschaffung aller Armeen.

In Afghanistan haben Feministinnen weltweit zu Recht die brutale Frauenunterdrückung angeklagt. Aber zu glauben, Frauenunterdrückung durch Bombardierungen beseitigen zu können, ist eine grausame Illusion. Auch Laura Bush, die Frau des damals amtierenden US-Präsidenten, äußerte sich zu Beginn des Krieges der USA in Afghanistan in diesem Sinne und forderte den Einsatz der US-Kriegskräfte. Mit Frau Bush und den Marines gemeinsam gegen Frauenunterdrückung? „Unsere Demokratie“ soll diesen Ländern beigebracht werden, indem wir unsere Armeen dorthin schicken und ihre Länder bombardieren?

Siba Shakib schrieb in einem Artikel in der TAZ über ihre Freundin Azadine, eine afghanische Ärztin.

„Bomben sind Bomben, sagen Azadine und ihre Freundinnen. In wessen Namen sie geworfen werden, macht für uns keinen Unterschied. Alles, was wir wissen, ist, dass Bomben töten. Statt Bomben zu werfen, Krieg zu führen und ihre Söldner nach Afghanistan zu bringen, soll die Welt uns endlich helfen, unser Land wieder aufzubauen. (…) Für die Frauen in Afghanistan bedeutet Frieden, dass die Länder die ihnen seit 29 Jahren nichts als Krieg, Minen und Tote, Hunger, Krankheiten und Vergewaltigungen gebracht haben, ihre Minen, Waffen und Soldaten nehmen, das afghanische Volk um Vergebung bitten und gehen. Gehen!“ (6)

(Siba Shakib, Bomben sind Bomben – TAZ 24.12.2001, S. XIII)
„Die Worte Freiheit und Demokratie jagen uns inzwischen einen Schauder über den Rücken.“ schreibt Arundhati Roy, indische Schriftstellerin, Drehbuchautorin und politische Aktivistin Shirin Ebadi, bislang die einzige Frau aus der islamischen Welt, die den Friedensnobelpreis erhielt, sagt: „Die Menschenrechte können niemals in einem Land durch äußere Einmischung erkämpft werden. Dafür müssen sich die BürgerInnen eines Landes selbst einsetzen!“

Für uns hier in Deutschland und der EU heißt das:

  • Bekämpfung der Rüstungsindustrie und Stopp des Rüstungsexportes,
  • Schrittweise Abbau der Bundeswehr und der Militarisierung der EU,
  • Einsetzen in der europäischen Union für Abrüstung,
  • Statt Milliarden für die Rüstung soll das Geld für die Lösung der dringenden Probleme, für soziale Gerechtigkeit eingesetzt werden.

Quellen und Anmerkungen:

(1) Wikipedia
(2) Spiegel online, 22. Dezember 2013
(3) Roger Willemsen, Kriegstagebuch in: Terrorismus, Öl und die geheime Außenpolitik der USA — oder Der 11. September und die Hintergründe des Krieges gegen den Terrorismus, S. 116 f.
(4) Spiegel online, 18. Dezember 2013
(5) Vergleiche: James Cogan, World Socialist website, 6. Januar 2010
(6) Siba Shakib, Bomben sind Bomben in: TAZ, 24.12.2001, S. 8

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Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung.

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Bildhinweis: Alexandros Michailidis / Shutterstock

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